Veräußerung der streitbefangenen Sache
in den §§ 265, 266 ZPO geregeltes Problem, dass die in Streit befangene Sache (= jeder Gegenstand, von dessen Inhaberschaft die Aktiv- oder Passivlegitimation [ Sachbefugnis] einer der Prozessparteien abhängt, d. h. insbes. auch die Klageforderung) nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 1 ZPO) veräußert oder abgetreten wird (= jeder Fall der Rechtsnachfolge, auch kraft Gesetzes, durch Hoheitsakt, durch Aneignung oder auf sonstige Weise).
Da der Kläger bzw. der Beklagte infolge der (selbstverständlich materiell-rechtlich zulässigen und wirksamen, § 265 Abs. 1 ZPO) Veräußerung der streitbefangenen Sache die materiell-rechtliche Inhaberschaft des streitigen Rechts verloren hat, hat er auch die (Aktivbzw. Passivlegitimation =) Sachlegitimation verloren. Ohne gesetzliche Sonderregelungen ist die Klage daher nachträglich unbegründet geworden und wäre sofern nicht die Erledigung der Hauptsache erklärt wird - abzuweisen. Das ursprüngliche Klageziel könnte nur noch durch eine neue Klage erreicht werden.
Aus Gründen der Prozessökonomie und um zu verhindern, dass sich Kläger oder Beklagter durch Veräußerung einseitig dem Prozessrechtsverhältnis entziehen, enthalten die §§265, 266 ZPO für diesen Fall Sonderregelungen. Hiernach wird der Prozess ungeachtet des Verlustes der Sachlegitimation der veräußernden Partei - grundsätzlich zwischen den bisherigen Parteien fortgeführt (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die veräußernde Partei führt grundsätzlich den Prozess fort im eigenen Namen über das fremde, nun dem erwerbenden Dritten zustehende Recht im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft und behält daher grundsätzlich die Prozessführungsbefugnis.
Ausnahme: Veräußert der Kläger, verliert er gern. §§265 Abs. 3, 266 Abs. 2 ZPO die Prozessfiihrungsbefugnis, wenn das Urteil gegen seinen Rechtsnachfolger (= Erwerber) keine Rechtskraftwirkung entfalten würde (Grund: das Urteil wäre wertlos, so dass aus Gründen der Prozessökonomie eine Fortsetzung des Rechtsstreites keinen Sinn macht). Dies ist gern. § 325 Abs. 2 ZPO bei Gutgläubigkeit des Erwerbers bezüglich der fehlenden Rechtshängigkeit und (nur bei Erwerb vorn Nichtberechtigten) der materiellen Berechtigung des Veräußerers der Fall (sog. „doppelte Gutgläubigkeit”).
Nach h. M. ändert § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO allerdings nichts am Fortfall der Sachlegitimation des Veräußerers. Der Kläger als Veräußerer muss daher seinen Klageantrag ändern auf Leistung an den Erwerber (veräußert der Beklagte, bleibt es beim ursprünglichen Klageantrag).
Aufgrund der Regelung in § 265 Abs. 2 S.1 ZPO führt die Veräußerung der streitbefangenen Sache nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (anders nur, soweit der Gutglaubensschutz nach §§ 265 Abs. 3, 266 Abs. 2 ZPO eingreift).
Da die Wirkungen der Rechtshängigkeit sich auch auf solche Personen erstrecken, die zwar am Prozess nicht beteiligt sind, auf die sich aber in subjektiver Hinsicht die Rechtskraft eines Urteils erstreckt, steht einer neuen Klage des Rechtsnachfolgers bzw. gegen den Rechtsnachfolger die Einrede anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) entgegen (§ 325 Abs. 1 ZPO; soweit der Rechtsnachfolger nicht gutgläubig ist, vgl. § 325 Abs. 2 ZPO und o.). Da § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO die Prozessführungsbefugnis dem Veräußerer zuweist, fehlt dem Rechtsnachfolger überdies die Prozessführungsbefugnis. Er kann — im Wege des gewillkürten Parteiwechsels — nicht den Rechtsstreit anstelle des Veräußerers übernehmen, § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO.
Eine Ausnahme gilt nur gern. § 266 Abs. 1 ZPO, wenn die streitbefangene Sache ein Grundstück oder eine Grundstücksbelastung ist: Dann ist — soweit wiederum der Gutglaubensschutz nicht eingreift (§266 Abs. 2 ZPO) — der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners sogar verpflichtet, den Rechtsstreit zu übernehmen (= Fall des gesetzlich geregelten [gewillkürten] Parteiwechsels).
Der Rechtsnachfolger kann sich aber an dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beteiligen (nicht aber als sog. streitgenössischer Nebenintervenient, § 265 Abs. 2 S.3 ZPO; ebenso ist die — praktisch ohnehin seltene — Hauptintervention ausgeschlossen, § 265 Abs. 2 S.2 ZPO).
Gern. § 325 Abs. 1 ZPO erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils zugunsten und zulasten des Rechtsnachfolgers des Veräußerers.
Ausnahme: Eine Rechtskrafterstreckung zulasten (wohl aber zugunsten) des „doppelt” gutgläubigen Rechtsnachfolgers findet nicht statt (§ 325 Abs. 2 ZPO).
Vorheriger Fachbegriff: Veräußerung | Nächster Fachbegriff: Veräußerung des Gewerbebetriebes