Wahlfeststellung

strafgerichtliche Verurteilung mit der Feststellung, dass der Angeklagte entweder die eine oder die andere Tat begangen hat (z.B. Diebstahl oder Hehlerei). W. ist nur bei rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der jeweils in Frage kommenden gesetzlichen Tatbestände zulässig, in allen anderen Fällen erfolgt Freispruch nach dem Grundsatz in dubio pro reo.

ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss ist, welcher von ihnen gegeben ist. Die W. ist zulässig, wenn nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten eine eindeutige Verurteilung nicht möglich ist und jede der mehreren in Frage kommenden tatsächlichen Gestaltungen ein Strafgesetz verletzt hat und das verletzte Strafgesetz entweder dasselbe (z. B. eine von mehreren Aussagen ist falsch) ist oder die verletzten Strafgesetze bzw. die aus ihnen folgenden Schuldvorwürfe psychologisch und rechtsethisch gleichwertig sind (str.) (z. B. Betrug und Unterschlagung oder z. B. Diebstahl und Erpressung). Auch bei der Feststellung des zuständigen Rechtswegs kommt eine W. (z. B. entweder Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person) in Betracht. Lit.: Dreyer, U., Wahlfeststellung und prozessualer Tatbegriff, 1999; Grejf, O., Die strafverfahrensrechtliche Bewältigung wahldeutiger Verurteilungen, 2002; Schröder, T., Aus der Praxis, JuS 2005, 707

Lässt sich in einem Strafverfahren nur feststellen, dass der Angeklagte einen von mehreren in Frage stehenden Tatbeständen verwirklicht, aber nicht, welche dieser Taten er wirklich begangen hat, so kommt eine W. in Betracht.

Sie ist nicht zulässig, wenn das eine Delikt gegenüber dem anderen nur die mindere Stufe einer Rechtsverletzung darstellt (Stufenverhältnis), also in einem schwereren bereits enthalten ist, wie z. B. bei Versuch und Vollendung, Beihilfe und Täterschaft, Fahrlässigkeit und Vorsatz, Grundtatbestand und qualifizierte Straftat, wie z. B. einfachem und schwerem Raub (BGHSt. 32, 48). In einem solchen Falle kann nach dem Grundsatz in dubio pro reo nur nach der milderen Strafvorschrift verurteilt werden.

Liegt kein Stufenverhältnis vor, so kann eine W. stattfinden entweder, wenn es sich um gleichartige Gesetzesverletzungen handelt (eine von zwei eidlichen Aussagen ist falsch), oder wenn diese zwar ungleichartig, aber entweder nur verschiedene Begehungsformen desselben Delikts oder mindestens rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. W. ist daher zulässig zwischen Falschaussage und Meineid, Betrug und Untreue, Diebstahl und Hehlerei; nach der Rspr. dagegen nicht bei Wahl zwischen Betrug und versuchtem Schwangerschaftsabbruch, Vollrausch (§ 323 a StGB) und der im Rausch begangenen strafbedrohten Handlung.

Bei W. werden in der Urteilsformel beide Straftaten alternativ festgestellt. Die Strafe ist dem nach dem im konkreten Fall mildesten Gesetz zu entnehmen, die Strafzumessung auf den mildesten Tatbestand abzustellen. Nebenstrafen und -folgen und Maßregeln der Besserung und Sicherung sind nur zulässig, wenn in allen herangezogenen Gesetzen vorgesehen.

Von der W. zu unterscheiden ist die Postpendenz. Bei ihr ist sicher, dass der zeitlich spätere Sachverhalt verwirklicht ist, während unsicher bleibt, ob zusätzlich der zeitlich frühere Sachverhalt realisiert worden ist, der - wäre er sicher erfüllt - die Strafbarkeit des späteren Sachverhalts ausschließen würde. Folge ist die (eindeutige) Verurteilung wegen des - sicher erfüllten - späteren Tatbestandes, z. B. der Hehlerei, wenn zweifelhaft ist, ob jemand Mittäter der Vortat (z. B. Betrug oder Raub) war, aber feststeht, dass er seinen Beuteanteil vom Täter der Vortat erhalten hat (BGHSt. 35, 86; NStZ 1989, 266). Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall der Präpendenz, in dem der zeitlich frühere Sachverhalt sicher feststeht und der zeitlich spätere Sachverhalt unsicher ist.




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