Belehrungspflicht
ist die Pflicht einer Behörde, eine Privatperson zu belehren (z.B. Belehrung über Zeugnis verweigerungsrecht § 52 III StPO). Eine B. besteht besonders hinsichtlich der gegen eine Entscheidung zulässigen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (vgl. § 58 VwGO). Ihr Ziel ist die Verhinderung eines aus bloßer Unkenntnis erwachsenden Rechtsnachteils. Lit.: Geyer, G., Funktionen und Grenzen der Pflicht zur Belehrung des Beschuldigten, 1998; Carl, C., Die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung, 2002; Schurig, T., Belehrung und Beratung des Beschuldigten, 2003
, Strafprozessrecht: Verpflichtung von Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei, den Beschuldigten, Zeugen oder Sachverständige im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf bestimmte Rechte und Pflichten hinzuweisen.
1) Der Beschuldigte ist zu Beginn der ersten Beschuldigtenvernehmung durch das Gericht, die Staatsanwaltschaft gemäß §§ 136, 163 a Abs. 3 StPO über seine Aussagefreiheit sowie die Rechte zu belehren, einen Verteidiger zu befragen, Beweisanträge zu stellen und sich ggf. schriftlich zu äußern. Ihm ist zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Über § 163 a Abs. 4 StPO gelten die Belehrungspflichten auch für polizeiliche Vernehmungen. Bei Verhaftung des Beschuldigten gelten die erweiterten Belehrungspflichten des § 114b StPO. Für die Hauptverhandlung gilt insoweit die Regelung des § 243 Abs. 5 StPO. Belehrungsfehler führen zur Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung und ziehen ein Beweisverwertungsverbot nach sich, wenn die Belehrung i. S. d. § 136a StPO bewusst unterblieben ist. In den übrigen Fällen entscheidet die Rspr. anhand der sog. Rechtskreistheorie und einer Abwägung im Einzelfall. Bei fehlender Belehrung über
die Aussagefreiheit wird ein Verwertungsverbot wegen des Schutzcharakters dieses Rechts angenommen. Gleiches gilt, wenn eine Belehrung über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers
unterblieben oder die Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger verwehrt worden ist. Eine Ausnahme gilt, wenn der Beschuldigte seine Rechte auch ohne Belehrung kannte. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist er wegen des Belehrungsverstoßes bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hinzuweisen („qualifizierte” Belehrung). Der Verstoß gegen die Pflicht zur „qualifizierten” Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln. Unverwertbarkeit ist insbesondere dann nahe liegend, wenn die Vernehmung als Zeuge in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist oder der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Problematisch ist die Behandlung vernehmungsähnlicher Situationen, insbesondere der sog. Hörfalle.
2) Zeugen und Sachverständige sind im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung über ein bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren, §§ 52 Abs. 3, 55 Abs. 2 StPO. Bei Belehrungsfehlern ist zu differenzieren: Bei fehlender Belehrung von Zeugnisverweigerungsberechtigten i. S. d. § 52 StPO greift ein Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO ein; für Berufsgeheimnisträger (§ 53 StPO) besteht bereits keine Belehrungspflicht. Das Fehlen einer Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO im Ermittlungsverfahren kann allerdings nachträglich geheilt werden. So sind frühere Aussagen u. U. verwertbar, wenn der Zeuge jedenfalls in der Hauptverhandlung belehrt wird und umfassend aussagt (BGH NStZ 1999, 91). Unterbleibt die Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht, soll aus der rechtswidrigen Beweisgewinnung kein Verwertungsverbot resultieren, da das Auskunftsverweigerungsrecht ausschließlich dem Schutz des Rechtskreises des Zeugen dient (str.).
3) Gemäß § 63 2. Hs. StPO sind die in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Beschuldigten über ihr Recht zur Eidesverweigerung zu belehren; diese Belehrung ist nicht in der Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht enthalten.
Gem. § 36 Abs. 1 b S. 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WUK) ist ein ausländischer Beschuldigter bei freiheitsentziehenden Maßnahmen über die Möglichkeit der Inanspruchnahme konsularischer Hilfe zu belehren. Die Frage der Konsequenzen aus der verspäteten oder unterbliebenen Belehrung ist — auch innerhalb der
Strafsenate des BGH — str. (BGHSt 52, 38 ff.; 52, 48 ff.; 52, 110 ff.). Ein grds. Beweisverwertungsverbot wird dabei abgelehnt; teilw. wird jedoch bei unterbliebener Belehrung eine dahingehende Kompensation gefordert, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als verbüßt anzurechnen ist.
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