Beweisverwertungsverbot
ist das Verbot, Beweise und Beweisergebnisse zur Entscheidungsfindung zu verwerten, die unter Verstoß gegen Gesetzesvorschriften gewonnen worden sind (z.B. §§ 136a III S. 2 StPO, 393 II AO) oder die nur zur Verfolgung bestimmter Straftaten berechtigen. Lit.: Meyer-Goßner, L., Strafprozessordnung, 49. A. 2006; Gotting, S., Beweisverwertungsverbote, 2001; Meyer-Mews, H., Beweisverwertungsverbote im Strafverfahren, JuS 2004, 39
Verbot, ein bestimmtes, bereits erhobenes Beweismittel in der Hauptverhandlung zur Beweiswürdigung und Urteilsfindung zu nutzen. Darüber hinaus muss ein solches Beweismittel auch für die Anklageerhebung außer Betracht bleiben. Zu unterscheiden ist, ob das Verwertungsverbot Folge eines Beweiserhebungsverbotes ist (sog. unselbstständiges Beweisverwertungsverbot) oder ob dem Gericht auch bei rechtmäßiger Beweiserhebung verwehrt ist, das Urteil auf die so bewiesene Tatsache zu stützen (sog. selbstständiges Beweiserhebungsverbot). Gesetzliche Beweisverwertungsverbote finden sich nur vereinzelt:
* Bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden folgt ein Verbot der Verwertung aus § 136 a Abs. 3 S. 2 StPO. Dies gilt auch für nachfolgende Vernehmungen, wenn der Beschuldigte nicht ausdrücklich auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage hingewiesen wird (LG Frankfurt StV 2003, 325 f.). Beschuldigtenvernehmung
* Ein umfassendes Verwertungsverbot einer früheren Zeugenvernehmung folgt nach der Rspr. gemäß § 252 StPO auch bei Berufung auf ein Zeugnis-verweigerungsrecht in der Hauptverhandlung. Dies gilt sowohl für die Verlesung früherer Vernehmungsprotokolle als auch für die Vernehmung von Verhörspersonen. Eine Ausnahme hiervon lässt die Rspr. nur zu, wenn der Zeuge gerichtlich vernommen und ordnungsgemäß über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wurde.
* Bei Ermittlungsmaßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger sieht § 160a Abs. 1 S. 2 StPO ein Beweisverwertungsverbot für Erkenntnisse vor, die entgegen dem in § 160a Abs. 1 S. 1 StPO normierten Beweiserhebungsverbot erlangt wurden. Im
übrigen ist gem. § 160a Abs. 2 S. 3 StPO eine erweiterte Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich.
* Ein beschränktes Verwertungsverbot gilt für Rasterfahndung, Telekommunikationsüberwachung, Einsatz verdeckter Ermittler und Abhörmaßnahmen nach dem G 10: Danach dürfen die erlangten Daten und Erkenntnisse nicht zur Verfolgung anderer Taten als den in den jeweiligen Spezialermächtigungen genannten Katalogtaten verwendet werden (§§ 100b Abs. 5, 98b Abs. 3 S. 3, 100d Abs. 5, 110e StPO; Art.1 §7 Abs.3 G10).
* Ergebnisse der körperlichen Untersuchung von Minderjährigen sind ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter unverwertbar (§ 81 c Abs. 3 S. 5 StPO).
* Gemäß § 108 Abs. 2 StPO ist die Verwertung von Zufallsfunden bei der Durchsuchung einer Arztpraxis im Verfahren wegen Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) unverwertbar.
* Gemäß § 51 Abs. 1 BZRG ist die Verwertung getilgter oder tilgungsreifer Vorstrafen des Beschuldigten unzulässig.
* Gemäß § 393 Abs. 2 S. 1 AO dürfen Staatsanwaltschaft oder Gericht Tatsachen oder Beweise, die der Steuerpflichtige in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten der Steuerbehörde offenbart hat, nicht zur Verfolgung einer Straftat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist; die Vorschrift dient dem Schutz des Steuergeheimnisses.
* Gemäß § 257 c Abs. 4 S. 3 StPO besteht im Fall einer aus den in der Vorschrift bezeichneten Gründen gescheiterten Absprache im Strafverfahren ein Beweisverwertungsverbot für das Geständnis des Angeklagten.
Darüber hinaus sind zahlreiche von der Rspr. entwickelte Beweisverwertungsverbote anerkannt. Dabei ist durch Wertung im Einzelfall zu ermitteln, ob aus der rechtswidrigen Beweiserhebung ein Verwertungsverbot folgt. Die Abwägung ist anhand der sog. Rechtskreistheorie vorzunehmen. Einzelfälle:
* Wird der Angeklagte nicht gemäß §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 4 StPO über seine Aussagefreiheit sowie sein Recht, einen Verteidiger zu konsultieren, belehrt, folgt hieraus ein Beweisverwertungsverbot, sofern der Beschuldigte oder sein Verteidiger in der Hauptverhandlung spätestens zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt der Verwertung widersprechen („Widerspruchslösung” des BGH). Gleiches gilt, wenn die Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger verwehrt oder erschwert wird oder eine Vernehmungsperson nach einem vom Beschuldigten geforderten Abbruch der Vernehmung versucht, noch weitere Angaben von ihm zu erlangen.
* Ist die Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 2 S.3 StPO unterblieben, so ist die Aussage unverwertbar, es sei denn, der Zeuge kannte sein Weigerungsrecht und hätte auch bei ordnungsgemäßer Belehrung hiervon nicht Gebrauch gemacht. Da das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO nur dem Schutz des
Zeugen dient, folgt aus einer fehlenden Belehrung demgegenüber kein Verwertungsverbot im Verfahren gegen den Beschuldigten, wohl aber in einem späteren Verfahren gegen den nicht belehrten Zeugen. § 252 StPO ist für das Auskunftsverweigerungsrecht nicht anwendbar.
In entsprechender Anwendung des § 136a Abs. 1 S. 2 StPO sind Äußerungen nicht verwertbar, die ein Beschuldigter während der Zwangssituation der Untersuchungshaft gegenüber einem Mithäftling gemacht hat, den Strafverfolgungsorgane gezielt zum Zwecke des Aushorchens „auf ihn angesetzt haben”.
Macht der Beschuldigte in vollem Umfang von seinem Schweigerecht Gebrauch, so dürfen hieraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Ebenso darf das Schweigen eines zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen nicht als nachteiliges Indiz verwertet werden (Aussagefreiheit).
Unverwertbar sind Informationen, die ein verdeckter Ermittler ohne Zustimmung von Staatsanwaltschaft bzw. Gericht gemäß § 110b Abs. 1, 2 StPO erlangt hat.
Unter Verstoß gegen ein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 StPO erlangte Beweismittel sind unverwertbar, sofern nicht der Zeugnisverweigerungsberechtigte nach entsprechender Belehrung zustimmt. Auch wenn ein Gegenstand zulässigerweise beschlagnahmt wurde, darf er in einem anderen Verfahren, in dem er beschlagnahmefrei gewesen wäre, nicht verwertet werden.
Bei einer rechtswidrigen Durchsuchung kommt ein Beweisverwertungsverbot nur in Betracht, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden (BVerfG NJW 2005, 1917). Zufallsfunde sind daher selbst dann verwertbar, wenn die Durchsuchungsordnung bereits wegen nicht zureichenden Tatverdachts rechtswidrig war (BVerfG BeckRS 2009, 36142). Ein Beweisverwertungsverbot ergibt sich jedoch bei bewusster Missachtung des Richtervorbehalts und willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug (BGH NJW 2007, 2269).
Ergebnisse von körperlichen Untersuchungen gemäß § 81 a StPO, insbesondere Blutproben, sind unverwertbar, wenn sie durch körperlichen Zwang oder dessen Androhung durchgesetzt wurden, obwohl der veranlassende Beamte wusste, dass die Entnahme nicht durch einen Arzt erfolgte. Im Übrigen führt die Entnahme durch einen Nichtarzt nicht zur Unverwertbarkeit der Blutprobe, da die Vorschrift primär den Schutz des Betroffenen vor gesundheitlichen Risiken eines Eingriffs und nicht die Verlässlichkeit des Untersuchungsergebnisses sicherstellen soll (BGHSt 24, 125).
Ein Sonderproblem bilden Tagebuchaufzeichnungen. Soweit die innere Gedanken- und Gefühlswelt, also der unantastbare Bereich privater
Lebensführung, betroffen ist, hat der Grundrechtsschutz aus Art.1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG Vorrang und der Aufzeichnungsinhalt ist unverwertbar. Bei Schilderungen zum Tathergang von geplanten und durchgeführten Straftaten wird eine Güterabwägung vorgenommen, sodass jedenfalls bei schwerwiegenden Straftaten im Regelfall die Verwertbarkeit angenommen wird.
— Ein Verwertungsverbot besonderer Art, das nicht zum Beweisrecht gehört, besteht für Tatsachen und Beweisergebnisse, zu denen das rechtliche Gehör (Art.103 Abs. 1 GG) nicht gewährt wurde; sie dürfen nicht für eine Entscheidung zuungunsten des Beteiligten verwendet werden, der keine Gelegenheit zur Äußerung hatte.
Beweisverbote.
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