Form des Rechtsgeschäfts
äußere Gestalt des Rechtsgeschäfts. Nach dem Grundsatz der Formfreiheit als Element der Privatautonomie bedürfen Rechtsgeschäfte regelmäßig keiner besonderen Form, um wirksam zu sein. Eine Formbedürftigkeit, d. h. die Notwendigkeit der Einhaltung einer bestimmten Form bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts als Wirksamkeitserfordernis, ergibt sich nur ausnahmsweise aufgrund spezieller gesetzlicher Formvorschriften (gesetzliche Form) oder aus Parteivereinbarung (gewillkürte Form, vgl. zur Vereinbarung in AGB und Verbraucherverträgen aber § 309 Nr.13 BGB). Insbes. gesetzliche Formerfordernisse dienen vor allem dem Schutz vor übereilter Bindung (Warnfunktion), der Beweiserleichterung hinsichdich Vornahme und Inhalt eines Rechtsgeschäfts (Beweisfunktion), der Kontrolle von Rechtsgeschäften durch deren Dokumentation im Interesse Dritter oder der Öffentlichkeit (Kontrollfunktion) und — im Falle der Form der Beurkundung — auch der Sicherung einer Beratung der Beteiligten (Beratungsfunktion).
Das BGB kennt als besondere Formen für Rechtsgeschäfte die Textform, die Schriftform (mit dem Sonderfall der elektronischen Form), die öffentliche Beglaubigung und die notarielle Beurkundung.
Soweit ein gesetzliches Formerfordernis besteht, erstreckt sich dies auf das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft einschließlich aller Nebenabreden und auch der mit ihm durch einen entsprechenden Verknüpfungswillen der Parteien zu einer Geschäftseinheit verbundenen anderen, selbst formfreien Rechtsgeschäfte. Eine spätere Änderung oder Ergänzung des formbedürftigen Rechtsgeschäfts ist (nur) dann formfrei, wenn entweder lediglich unerwartete Abwicklungsprobleme behoben werden sollen, ohne die Rechte und Pflichten der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien im Kern zu ändern, oder wenn lediglich eine Verpflichtung desjenigen, der durch das Formerfordernis geschützt werden soll, eingeschränkt werden soll. Die Aufhebung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts ist grundsätzlich nur dann formbedürftig, wenn dies ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl. z.B. §§ 2290 Abs. 4, 2351 BGB). Bei einer gewillkürten Form ist durch Auslegung der Formvereinbarung zu ermitteln, wie weit das Formerfordernis reichen soll ( Schriftformklausel).
Für die Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte sind nach der von der Rspr. vertretenen und mit der
Formbedürftigkeit selbst begründeten Andeutungslehre nur solche Umstände heranzuziehen, die wenn auch nur unvollkommen oder andeutungsweise — in der formgerechten Urkunde ihren Ausdruck
gefunden haben. Gleichwohl gilt auch für formbedürftige Rechtsgeschäfte der Grundsatz falsa demonstratio non nocet. Aufgrund der (widerlegbaren)
Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Urkunde ist bei der Auslegung im Übrigen davon auszugehen, dass die Parteien das Rechtsgeschäft inhaltlich zutreffend und hinsichtlich aller Abreden vollständig wiedergegeben haben. Wer sich auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Urkunde beruft, trägt hierfür die Beweislast.
Rechtsfolge der Vornahme eines Rechtsgeschäfts ohne Beachtung der vom Gesetz vorgeschriebenen
Form ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125
S. 1 BGB, Formnichtigkeit, Nichtigkeit). Eine Heilung des Formmangels insbes. durch späteren
Vollzug eines formnichtigen Verpflichtungsgeschäftes
ist grundsätzlich nur in den ausdrücklich geregelten Fällen möglich (vgl. §§ 311b Abs. 1 S. 2, 494 Abs. 2
S.1, 518 Abs. 2, 766 S. 3, 2301 Abs. 2 BGB, § 15 Abs. 4
S.2 GmbHG). Nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Berufung auf die Nichtigkeitsfolge nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein,
wenn die Nichtanerkennung des formnichtigen Geschäfts für den anderen Vertragsteil zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führt (insbes. bei besonders
schwerer Treuepflichtverletzung des Verursachers des Formmangels und bei Existenzgefährdung des betroffenen Vertragsteils). Die schuldhafte Verursachung
der zum Ausschluss des Erfüllungsanspruchs führenden Formnichtigkeit kann aber einen auf den Ersatz
des Vertrauensschadens gerichteten Schadensersatzanspruch aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, sog. „culpa in contrahendo”) begründen.
Wird ein nach dem Gesetz formfreies Rechtsgeschäft ohne die hierfür zwischen den Parteien vereinbarte
Form vorgenommen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dies ebenfalls die Nichtigkeit zur Folge hat. Entscheidend ist hierfür, ob die Parteien mit
der Formvereinbarung tatsächlich ein (konstitutives)
Wirksamkeitserfordernis wollten oder ob sie nur eine (deklaratorische) Klarstellung und Beweissicherung erreichen wollten. Nach der Auslegungsregel des § 125 S.2 BGB ist im Zweifel aber von der Nichtigkeit auszugehen.
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