Freiheit, persönliche
Unter dem als Grundrecht ausgestalteten allgemeinen Recht der Freiheit der Person garantiert Art. 2 GG jedermann das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Abs. 1), ferner das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie die körperliche Freiheit der Person, in die nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Abs. 2).
a)
Mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hat das GG die menschliche Handlungsfreiheit (besser: Verhaltensfreiheit) in einem umfassenden Sinn garantiert, nicht nur einen Kernbereich. Entfaltung ist innerlich wie äußerlich gemeint, umfasst den persönlichen wie den sozialen Bereich, Kultur- und Wirtschaftsleben, aktives Tun und Unterlassen, das Sich-dem-Gemeinschaftsleben-Öffnen wie auch das Sich-Zurückziehen. Dementsprechend weit ist der Anwendungsbereich der Vorschrift: er reicht vom Schutz der Intimsphäre, des familiären Bereiches, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bis zur wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, zur Freiheit der Vertragsgestaltung und zur Freiheit der Ausreise aus dem Bundesgebiet. Schranken der Entfaltungsfreiheit sind die Rechte anderer, das Sittengesetz und die verfassungsmäßige Ordnung (gelegentlich „Schrankentrias“ genannt). Rechte anderer sind private u. subj.-öff. Rechte dritter Personen (gleiche Freiheitsräume für alle). Sittengesetz ist die Summe der von der Rechtsgemeinschaft anerkannten sittlichen Gemeinsamkeiten. Umstr. ist der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung“. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 6, 37 f.) sind darunter alle Rechtsnormen zu verstehen, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen. Haupteinwand gegen diese Auslegung ist, dass damit das Grundrecht unter einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt gerate und gewissermaßen „leerlaufe“. Dem aber ist entgegenzuhalten, dass Gesetze nur dann verfassungsmäßig sind, wenn sie auch materiell mit den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung in Einklang stehen. Eine diesen Grundsätzen entsprechende Norm ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und verletzt die allgemeine Handlungsfreiheit nicht (BVerfGE 24, 235). Im sozial- und gesellschaftspolitischen Raum hat der Gesetzgeber einen weiten Raum zur freien Gestaltung. Wenn sich dort eine Zielsetzung nur unter Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit erreichen lässt, so hat der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozial-staatlichen Ordnung zu lösen (BVerfGE 29, 235). Der Einzelne muss sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zieht, sofern dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt (BVerfGE 19, 96).
b)
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit entzieht dem Staat grundsätzlich die Verfügung über Leben und Körper des Menschen. Außer dem Eingriffsverbot (negatives Recht) verpflichtet es den Staat positiv zu einem Tun (z. B. zu Schutzmaßnahmen gegen ansteckende Krankheiten), wenn sonst das Leben vernichtet oder gefährdet würde. Die Grenze liegt im Selbstbestimmungsrecht des Menschen (z. B. keine lebenverlängernden Operationen gegen den Willen des Patienten). Andererseits lässt der Gesetzesvorbehalt z. B. Impfzwang, Zwangsbehandlung von Geschlechtskrankheiten, zwangsweise Blutgruppenuntersuchung, Pflichtröntgenreihenuntersuchungen usw. zu. Auch die gesetzlich begründete Verpflichtung, Gesundheit und Leben im Interesse der Allgemeinheit zu opfern (Soldat, Polizeibeamter), schränkt das Grundrecht in zulässiger Weise ein.
c)
Unter dem Recht auf (körperliche) Freiheit der Person ist die Freiheit vor Verhaftungen, Festnahmen u. ä. zu verstehen, nicht jedoch die Freiheit von jeglichem staatlichem Zwang. Der Gesetzesvorbehalt gestattet Freiheitsentziehungen unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen.
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