Vorverhandlungen
Im Arbeitsrecht :
. Tritt der AG mit einem AN in Vertragsverhandlungen, so werden bereits hierdurch Rechtsbeziehungen geschaffen u. ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis hergestellt; es begründet wechselseitige Pflichten, deren schuldhafte Missachtung unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) zur Ersatzpflicht des Vertrauensschadens führen kann (§ 276 BGB; Haftung des Arbeitnehmers). Aufgrund der V. hat der AG dem Bewerber u. U. die Vorstellungskosten zu bezahlen. Dagegen ist er grundsätzlich frei, Einstellungen nach seinem Belieben vorzunehmen (Ausnahmen Schwerbehinderte, Bergmannsversorgungsscheininhaber; Besonderheiten im Frauenarbeitsschutz). Hat er jedoch in einem Bewerber die gerechtfertigte Annahme erweckt, es werde bestimmt zum Vertragsschluss kommen, er könne eine gesicherte Stelle kündigen, so macht er sich bei Scheitern der Verhandlungen o. alsbaldiger Kündigung nach Einstel-
lung schadensersatzpflichtig (AP 4, 9 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluss). Droht der AG in absehbarer Zeit insolvent zu werden, so hat er einen Bewerber hierauf hinzuweisen (AP 1 zu § 13 GmbHG; AP 10 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluss = DB 77, 1322). Der Anspruch geht auf das Vertrauensinteresse u. ist nicht durch das Erfüllungsinteresse begrenzt (AP 9). Auf Anforderungen an den AN, die sich im Rahmen des üblichen halten, braucht der AG nicht hinzuweisen; dagegen müssen besonders hohe Anforderungen zur Meidung der Schadensersatzpflicht mitgeteilt werden (AP 2). Wird eine Lebensstellung zugesagt, so kann hierin die Vereinbarung der sofortigen Geltung des KSchG (Kündigungsschutzklage) liegen (NJW 67, 1152); in den übrigen Fällen trägt der AN auch bei seiner Abwerbung das Risiko, dass das Arbeitsverhältnis alsbald wieder gekündigt wird (AP 2). Unaufgefordert braucht der AN seine persönlichen Verhältnisse nur zu offenbaren, wenn dies nach Treu u. Glauben u. den guten Sitten billigerweise erwartet werden kann. Dies ist anzuerkennen, wenn es sich um Umstände handelt, die ersichtlich für den AG von entscheidender Bedeutung sind, z. B. Schwangerschaft bei einer Tänzerin o. einem Mannequin, dagegen nicht im Normalfall; Erkrankung, wenn voraussehbar, dass bei Arbeitsbeginn Arbeitsunfähigkeit besteht (AP 6).
Zulässige Fragen nach seinen persönl. Verhältnissen hat der AN wahrheitsgemäss zu beantworten; z. B. nach der Schwerbehinderung. Nach einer Schwangerschaft darf grundsätzlich nicht gefragt werden (EuGH BB 91, 692; AP 8 zu § 611 a BGB = NZA 93, 257). Eine Ausnahme gilt dann, wenn dies zum Schutz von Mutter und Kind notwendig ist (AP 36 zu § 123 BGB = NZA 93, 933; Zeller BB 91, 1124). Nach Vorstrafen darf der AN bei Anstellung nur gefragt werden, wenn u. soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (AP 2 zu § 123 BGB), z. B. bei einem Fahrer nach solchen auf verkehrsrechtl. Gebiet. Unterliegt die Strafe nur noch der beschränkten Auskunft aus dem Strafregister (vgl. BundeszentralregisterG i, d. F. v. 21. 9. 1984, BGBl. I 1229, ber. 1985 I 195) m. spät. Änd., so wird der AN nur noch in besonderen Vertrauensstellungen diese anzugeben haben, z. B. Sittlichkeitsdelikte bei einem Jugendleiter, Unterschlagungen bei einem Prokuristen. Der AG wird, sofern keine Einschränkung des Persönlichkeitsrechts des AN erfolgt u. die Geheimhaltung gesichert ist, ärztl. Untersuchungen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses auf eigene Kosten durchsetzen können (Keller NZA 88, 561). Bei Jugendl. sind diese zwingend vorgeschrieben (§§ 32ff. JArbSchG; Jugendarbeitsschutz). Werden die sich aus den VertrVerhdlgen ergebenden Pflichten verletzt u. kommt es nicht zum VertrSchl., so ist der schuldige Teil zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet, d. h., er hat seinen Gegner so zu
stellen, wie wenn die VertrVerhdlgen nicht stattgefunden hätten (AP 9). Ausnahmen im Frauenarbeitsschutz. Nach Abschluss des Arbeitsvertrags kann dieser bei Verletzung vorvertragl. Pflichten durch den nicht schuldigen Partner ao. gekündigt werden. Dieser kann alsdann nach § 62811 BGB Schadensersatz fordern. Entspricht die Qualität der vom AN geleisteten Arbeit nicht den Erwartungen des AG u. der vertraglichen Vereinbarung, so kann der AG wohl Schadensersatz, aber nicht teilweise Rückzahlung der Vergütung verlangen (DB 72, 1731). Bei arglistiger Täuschung kann der Getäuschte den ArbVertr. anfechten; dieser wird jedoch, wenn er bereits in Vollzug gesetzt war, nur für die Zukunft beseitigt (vgl. auch Einstellungsfragebogen).
Verschulden beim Vertragsschluss, letter of intent, Vorstellungskosten.
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