Gewohnheitsrecht
Teil des Rechts (im objektiven Sinne), der nicht in Gesetzen schriftlich niedergelegt worden ist. Daß es Gewohnheitsrecht gibt und daß es für die Verwaltung und die Gerichte verbindlich sein soll, ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG (Bindung beider an Gesetz und Recht). Es ist aber sehr schwierig, im Einzelfall festzustellen, ob und bejahendenfalls welches Gewohnheitsrecht besteht. Schwierig ist auch die Abgrenzung zwischen der Auslegung von Gesetzen durch die Gerichte (Rechtsanwendung) und dem Gewohnheitsrecht.
ungeschriebenes positives Recht, das durch dauernde und allgemeine Übung aufgrund der Rechtsüberzeugung weiter Volkskreise (communis opinio) entsteht. -"»Rechtsordnung. Es gilt gleichrangig neben, u. U. sogar entgegen, dem geschriebenen (Gesetzes-) Recht. Wichtiges Beispiel: Verkehrssicherungspflicht. G. spielt in der BRD eine verhältnismässig untergeordnete Rolle, wird aber vom Gesetzgeber verschiedentlich anerkannt, z. B. in Art. 2 des EinführungsG.es zum BGB und in § 293 ZPO. - Brauchtum, Observanz.
ist ungeschriebenes Recht, das durch langjährige tatsächliche Übung, die von der Rechtsüberzeugung der Beteiligten getragen ist, entsteht. Seine Geltung endet durch staatlich gesetztes Recht (Gesetz) oder durch Bildung ihm entgegengesetzten neuen G. Da der moderne Staat immer mehr Lebensbereiche erfasst und diese mit den von ihm gesetzten Rechtsnormen in zunehmender Intensität reguliert, verliert das G. praktisch an Bedeutung.
ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von den Beteiligten geschaffene Recht. Es steht als ungesetztes Recht dem Gesetz (gesetzten Recht) gegenüber. Durch Art. 2 EGBGB ist es ausdrücklich anerkannt. Es kann geschrieben oder ungeschrieben sein und ist rechtstatsächlich in älteren Zeiten verbreitet, im Rechtsstaat selten. Lit.: Neuhaus, K., Gewohnheitsrecht, JuS 1996, L41; Ostertun, D., Gewohnheitsrecht in der Europäischen Union, 1996; Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, hg.v. Klein, E., 2003
Öffentliches Recht: eine Rechtsquelle, die im Unterschied zum gesetzten Recht nicht im Wege eines formalisierten Rechtsetzungsverfahrens entsteht, sondern durch stetige, von Rechtsüberzeugung getragene Übung in einer Rechtsgemeinschaft hervorgebracht wird. Gewohnheitsrecht spielt eine Rolle, wo eine zentralisierte und staatlich garantierte Rechtserzeugung nicht oder noch nicht zur Wirksamkeit gelangt ist, wie besonders in älteren Kulturstufen vor Ausbildung der neuzeitlichen europäischen Staaten. Dadurch, dass Gewohnheitsrecht aufgezeichnet wird, etwa in einem Rechtsbuch wie dem Sachsenspiegel, oder einer „Anerkennung” durch die Gerichte bedarf wie im englischen Common Law, verliert es seine besondere Eigenschaft als „ungeschriebenes” Recht nicht. Der sich mit dem Gewohnheitsrecht verbindende Begriff der Observanz bezeichnet eine nur örtlich geltende Norm des Gewohnheitsrechts, z. B. über die Rechtslage an einer älteren Straße. Im Völkerrecht, das weitgehend ohne eine institutionalisierte (staatlich bestimmte) Rechtserzeugung auskommen muss, sind Vertrag und Gewohnheitsrecht (Völkergewohnheitsrecht) die wesentlichen Rechtsquellen.
Strafrecht: entsteht durch eine von der gemeinsamen Rechtsüberzeugung der beteiligten Verkehrskreise getragene lang dauernde ständige Übung. Im Strafrecht sind strafbegründendes und strafschärfendes Gewohnheitsrecht aufgrund der Garantiefunktion des Strafgesetzes (Art. 103 Abs. 2 GG) unzulässig. Soweit jedoch der Gesetzgeber im allgemeinen Strafrecht bestimmte Fragen bewusst nicht geregelt hat, um sie der Fortentwicklung durch Rspr. und Wissenschaft zu überlassen, ist die Schließung derartiger Regelungslücken durch Gewohnheitsrecht und Richterrecht zulässig.
Dies gilt z. B. für die Voraussetzungen der Garantenpflichten beim unechten Unterlassungsdelikt. Auch die Anwendbarkeit der actio libera in causa wird z. T. auf Gewohnheitsrecht gestützt.
Recht (1a).
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