Völkerrecht

Das Recht (im objektiven Sinne), das für die Beziehungen zwischen Staaten gilt oder gelten sollte. Es beruht auf internationalen Abkommen oder auf zweiseitigen Verträgen zwischen Staaten. Es gibt aber bis heute keine Gerichte, die über seine Einhaltung wachen (der Internationale Gerichtshof in Den Haag/ Niederlande kann nur tätig werden, wenn sich die streitenden Parteien damit einverstanden erklären). Es gibt auch niemand, der die Einhaltung des Völkerrechts durch die Staaten erzwingen könnte (keine Weltpolizei). Die Einhaltung des Völkerrechts ist daher weitgehend eine Frage der Interessen der beteiligten Staaten; es gilt nur, soweit diese Interessen es zulassen. Unter dem Eindruck der völligen Mißachtung des Völkerrechts durch die Nationalsozialisten ist der deutsche Gesetzgeber nach dem Zweiten Weltkrieg dazu übergegangen, das Völkerrecht in die deutsche Gesetzgebung mit einzubeziehen, um eine Wiederholung dieses Verhaltens nach Möglichkeit auszuschließen. So bestimmt Art. 25 GG, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind, allen Gesetzen vorgehen und unmittelbar Rechte und Pflichten für alle Bewohner des Bundesgebietes erzeugen. Art. 26 GG erläutert dies näher dahingehend, dass alle Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören und insbesondere einen Angriffskrieg vorbereiten sollen, verfassungswidrig sind. Dementsprechend ist auch die Vorbereitung eines oder das Aufstacheln zu einem Angriffskrieg unter Strafe gestellt (sogenannter Friedensverrat, §§80f StGB, Höchststrafe lebenslang). Ferner sind Angriffe auf Organe, Vertreter, Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten strafbar (§§ 102-104a StGB). Schließlich ist der Begriff des Völkermordes eingeführt und unter lebenslange Freiheitsstrafe gestellt worden (§220a StGB).

internationales Recht, das im Verhältnis der Staaten untereinander geltende Recht. Es beruht im wesentlichen auf (Völker)-Gewohnheitsrecht, ausserdem auf gesetztem Recht, das vor allem in Verträgen und Satzungen internationaler Vereinigungen (Vereinte Nationen, UNO) enthalten ist. Zwei Rechtsgebiete: Friedensrecht und Kriegsrecht. Das V. ist echtes Recht mit verbindlicher Kraft, auch wenn es bisher kaum eine Vollstreckungsmöglichkeit gibt, genauso wie etwa das Familienrecht Recht ist, obwohl es weitgehend nicht klagbar und vollstreckbar ist.

ist die Gesamtheit der Rechtsnormen, die das Verhältnis von Völkerrechtssubjekten (Staaten, internationalen Organisationen) zueinander regeln. Es handelt sich, genau genommen, nicht um "Völker"-Recht, sondern, da es die Beziehungen der Staaten betrifft, um zwischenstaatliches Recht. Die Besonderheit u. damit zugleich die Schwäche des V. besteht darin, dass es in seiner Wirksamkeit von der Anerkennung durch die betroffenen Staaten abhängt; es fehlt eine zentrale Durchsetzungsmacht. Rechtsquellen des V. sind das Völkervertragsrecht, das Völkergewohnheitsrecht u. hilfsweise die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Völkervertragsrecht entsteht durch übereinstimmende Willenserklärungen von mindestens zwei Völkerrechtssubjekten; je nach Anzahl der Beteiligten unterscheidet man zwischen bilateralen (zweiseitigen) u. multilateralen (mehrseitigen) Verträgen. Das ungeschriebene Völkergewohnheitsrecht setzt, vergleichbar dem innerstaatlichen Gewohnheitsrecht, langjährige von der Rechtsüberzeugung der Staaten getragene Übung voraus. Billigen sämtliche beteiligten Völkerrechtssubjekte die gewohnheitsrechtliche Norm, spricht man von universellem Völkergewohnheitsrecht; gilt es nur in einer begrenzten Gruppe von Staaten, bezeichnet man es als partikulares Völkergewohnheitsrecht. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Art. 38 Ic des Statuts des Internationalen Gerichtshofs) sind grundlegende, von den staatlichen Rechtsordnungen allgemein anerkannte Rechtsprinzipien, wie z. B. Treu u. Glauben. Angesichts der Unsicherheit über Existenz u. Inhalt völkerrechtlicher Normen, gerade auf dem Gebiet des Völkergewohnheitsrechts, kommt den Bemühungen, das V. durch den Abschluss multilateraler Verträge schrittweise zu kodifizieren, grosse Bedeutung zu. Das gilt etwa für die Haager Konventionen von 1907, deren wichtigste, die Haager Landkriegsordnung, Fragen des Kriegsführungsrechts u. des Besatzungsrechts im Krieg regelt. Zu nennen sind ferner die auf Initiative des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zustande gekommenen Genfer Konventionen von 1949, die im Sinne eines humanitären V. über die Haager Landkriegsordnung weit hinausgehen. Sie enthalten Regelungen hinsichtlich der Verwundeten, Kranken u. Kriegsgefangenen u. befassen sich vor allem mit dem Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten. In den Zusammenhang des humanitären V. gehört auch die von der Bundesrepublik Unterzeichnete, bislang allerdings noch nicht ratifizierte UN-Konvention gegen Folter u. andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Eine der bedeutendsten Kodifikationen des V. bildet die Wiener Vertragsrechtskonvention v. 23. 5. 1969 mit einheitlichen Regeln für Abschluss, Inkrafttreten, Auslegung, Anwendung und Beendigung von völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Das "klassische", auf den europäischen Raum beschränkte V., das mit dem Westfälischen Frieden (1648) einsetzte u. seinen bedeutendsten Wegbereiter in Hugo Grotius hatte, war vom Grundsatz der Souveränität der Fürsten u. Staaten beherrscht. Diese Souveränität umfasste auch das Kriegsführungsrecht. So sah das V. seine Aufgabe nicht so sehr in der Achtung des Krieges als solchen, sondern vorrangig in der Mässigung u. Humanisierung der Kriegshandlungen. Es erachtete Krieg u. Frieden gewissermassen wertneutral als zwei unterschiedliche, aber gleichermassen der Normierung bedürftige Rechtszustände (vgl. das Hauptwerk Hugo Grotius’: "De iure belli ac pacis libri tres": drei Bücher über Kriegs- und Friedensrecht). Demgegenüber ist das moderne globale V. durch das Kriegs- u. Gewaltverbot gekennzeichnet, wie es in Art. 1 Nr. 1 u. Art. 2 Nr. 4 der UNO-Charta (UNO) seinen Niederschlag gefunden hat. Der friedlichen Beilegung von zwischenstaatlichen Konflikten dient insbesondere die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, ein Verfahren zur Entscheidung völkerrechtlicher Streitigkeiten durch Richter, die von den streitenden Parteien gewählt werden. Die Anrufung eines Schiedsgerichts setzt eine entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien voraus, in der auch Zusammensetzung u. Verfahren des Schiedsgerichtes festgelegt sind. Dabei können die streitenden Völkerrechtssubjekte auf die beim Haager Ständigen Schiedsgerichtshof in einer Liste geführten Schiedsrichter zurückgreifen. Der gleichfalls in Den Haag ansässige Internationale Gerichtshof, ein Organ der UNO, spielt dagegen nur eine geringe Rolle, da kein Staat verpflichtet ist, sich seiner Gerichtsbarkeit zu unterwerfen; der IGH ist deshalb nur dann zuständig, wenn die im Streit befindlichen Staaten dem Statut des Gerichtshofs beigetreten sind oder eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben. Neben der bleibenden Aufgabe des V. als Instruments der Friedenssicherung, insbes. angesichts des permanenten Ost-West- Gegensatzes, ergeben sich zusätzliche Probleme vor allem durch den Nord-Süd-Konflikt. Dabei spielen namentlich die Auseinandersetzungen um eine neue Weltwirtschaftsordnung eine wichtige Rolle. Gegenstand internationaler Divergenzen ist auch die UNO- Seerechtskonvention, die detaillierte Vorschriften über Territorialgewässer (12-Meilen-Zone), 200-Meilen-Wirtschaftszone, Festlandsockel u. Tiefseebergbau in internationalen Gewässern enthält. Mehrere westliche Industriestaaten, darunter
auch die Bundesrepublik, haben die Konvention wegen der dirigistischen Reglementierungen über den Abbau der Meeresbodenschätze nicht unterzeichnet.
V. bedarf, um innerstaatlich wirksam zu werden, eines Umsetzungs-(Transformations-)aktes der zuständigen staatlichen Organe. Nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hängt es von der Art der völkerrechtlichen Normen ab, wie sie innerstaatlich transformiert werden. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, geschieht die Transformation durch Bundesgesetz (Art. 59 II 1 GG, Ratifizierung); diese Vereinbarungen bezeichnet man als Staatsverträge. Bei völkerrechtlichen Verträgen, welche sich mit Gegenständen befassen, die die vollziehende Gewalt in eigener Zuständigkeit, ohne gesetzgeberischen Akt des Parlaments, regeln kann (sog. Verwaltungsabkommen), kommt es für die innerstaatliche Wirksamkeit nur auf die Wahrung der jeweils vorgeschriebenen Formen u. Zuständigkeiten an. Allgemeine Regeln des V. - d.h. solche völkerrechtlichen Normen, die von der weitaus grösseren Zahl der Staaten anerkannt sind, so z. B. der Satz "pacta sunt servanda" - werden nach Art. 25 GG automatisch in deutsches Recht umgesetzt; für sie ist also kein besonderer Transformationsakt erforderlich.
Das Recht der Europäischen Gemeinschaften ist kein V. im herkömmlichen Sinn. Die EU sind zwar durch völkerrechtliche Verträge entstanden, verfügen aber aufgrund dieser Verträge als supranationale Organisation über eigene Hoheitsgewalt. Die von ihren Organen erlassenen Verordnungen sind überstaatliches Recht, das unmittelbar in sämtlichen Mitgliedstaaten gilt.

ist die Gesamtheit der Rechtssätze, welche die Verhaltensweisen regeln, die zu einem geordneten Zusammenleben der Menschen notwendig sind und nicht im innerstaatlichen Recht der einzelnen souveränen Staaten (Souveränität) enthalten sind. Obwohl dem V. ein Zwangscharakter fehlt, ist es Recht (str.). Es beruht auf Rechtsüberzeugungen, die über alle kulturellen und ideologischen Verschiedenheiten hinweg von allen Völker anerkannt werden. Es ist (in Ermangelung eines Subjekts mit Gesetzgebungsrecht) überwiegend Gewohnheitsrecht, teilweise auch Vertragsrecht. Es gilt grundsätzlich (nur) für die Staaten (Völkerrechtssubjekte) und nicht für deren Staatsangehörige. Es muss daher, um gegen Staatsangehörige wirken zu können, grundsätzlich vom Einzelstaat in innerstaatliches Recht umgesetzt (transformiert) werden. Lit.: Ipsen, K., Völkerrecht, 5. A. 2004; Stein, Völkerrecht, U.A. 2004; Völkerrechtliche Verträge, hg. v. Randelzhofer, A., 10. A. 2004; Epiney, A., Strukturprinzipien des Um weit Völkerrechts, 1998; Kokott, JJDoeh- ring, K./Buergenthal, T. u. a. Grundzüge des Völkerrechts, 3. A. 2003; Schweitzer, M., Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, 8. A. 2004; Fischer, R/Köck, H., Allgemeines Völkerrecht, 5. A. 2000; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2003; Herdegen, M., Völkerrecht, 6. A. 2007; Doehring, K., Völkerrecht, 2. A. 2004; Tomuschat, C., Völkerrecht, 3. A. 2005; Terhechte, J., Einführung in das Wirtschafts Völkerrecht, JuS 2004, 959; Völkerrecht, hg.v. Vitzthum, W. Graf, 3. A. 2004; Heintschel von Heinegg, Casebook Völkerrecht, 2005; Kempen, B./Hill- gruber, C., Völkerrecht, 2007

Summe der Rechtsnormen, die die Beziehungen der Völkerrechtssubjekte untereinander regeln und nicht dem inneren Recht eines dieser Akteure angehören. Als Hauptdisziplinen gelten das Friedensvölkerrecht und das Kriegsvölkerrecht (humanitäres Völkerrecht). Eine zentrale Instanz, die für alle verbindlich Recht setzen und durchsetzen kann, gibt es im Völkerrecht nicht. Es ist daher auf den Konsens der Staatengemeinschaft als seinen Geltungsgrund angewiesen. Daher auch Bezeichnung als Koordinationsrecht.
Das Völkerrecht verfügt grundsätzlich weder über eine obligatorische Gerichtsbarkeit (Abhängigkeit der Zuständigkeit völkerrechtlicher Gerichte von der Anerkennung der Parteien) noch entsprechende Exekutivorgane, die das Recht durchsetzen können. Das Völkerrecht umfasst zahlreiche Spezialgebiete (z. B. das See-, Luft- und Raumfahrtrecht). Zum Völkerrecht gehören nicht das Internationale Privatrecht, das Internationale Strafrecht (wird begrifflich z. T. auch für völkerrechtliche Strafnormen verwendet) und das Internationale Verwaltungsrecht. Diese Rechtsgebiete, die als „Kollisionsrecht” bzw. „Conflict of Laws” bezeichnet werden, sind Bestandteil des nationalen Rechts und grenzen bei Vorliegen eines internationalen Sachverhalts ab, welches nationale Recht zur Anwendung kommt. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 GG Bestandteil des innerstaatlichen Rechts und erzeugen Pflichten und Rechte unmittelbar für jeden Staatsbürger.

1.
V. ist die Summe der Normen, die die Verhaltensweisen festlegen, die zu einem geordneten Zusammenleben der Menschen dieser Erde notwendig und nicht im innerstaatlichen Recht der Einzelnen souveränen Staaten geregelt sind. Als souverän (Souveränität) bezeichnet man Staaten, die in ihren Beziehungen zu anderen Staaten keinem fremden Willen und keiner anderen Rechtsordnung als dem Völkerrecht unterworfen sind.

2. Das Völkerrecht regelt vorwiegend das Verhältnis souveräner Staaten untereinander. Neben diesen Rechtsnormen werden dem V. zugerechnet das Recht der internationalen und übernationalen Staatengemeinschaften, und zwar sowohl deren inneres Organisationsrecht als auch die Rechtsregeln über ihr Verhältnis untereinander und zu den Staaten. Schließlich gehören dem V. auch einzelne Rechtsnormen an, die sich unmittelbar an Einzelpersonen richten. Natürliche und juristische Personen, auf die das Völkerrecht Anwendung findet, werden als Völkerrechtssubjekte bezeichnet.

3. Das V. ist verbindliches Recht und wird in der Staatenpraxis auch so behandelt; fehlende Kodifikation, fehlende obligatorische Gerichtsbarkeit und fehlende Zwangsgewalt stehen dem nicht entgegen. Quellen des V. sind einseitige völkerrechtl. Erklärungen (z. B. Anerkennung von Staaten und Regierungen), die völkerrechtlichen Verträge und das Völkergewohnheitsrecht, nach dem Statut des Internationalen Gerichtshofs außerdem die „allgemeinen von den zivilisierten Nationen anerkannten Rechtsgrundsätze“ (allgemeine Rechtsgrundsätze). Entscheidungen von Gerichten in völkerrechtlichen Streitigkeiten und wissenschaftliche Lehrmeinungen der Völkerrechtswissenschaft sind Hilfsquellen des V. Dies gilt insbes. für Entscheidungen internationaler Gerichte, wo es allerdings keine starre Bindung an Präzedenzfälle gibt; die Lehrmeinungen der V.wissenschaft haben in jüngster Zeit kaum noch Bedeutung als Hilfsquelle des V. Nach seinem Geltungsbereich unterscheidet man das universale V., das für alle Staaten gilt (Kriegs-, Gesandtschafts-, Vertragsrecht), das allgemeine V., das für die meisten Staaten gilt (z. B. Gewaltverbot, 1; Haager Landkriegsordnung), sowie das nur für wenige Staaten geltende partikulare und regionale V. Über die umstrittene, aber praktisch außerordentlich bedeutsame Frage nach dem Verhältnis von V. und innerstaatlichem Recht s. Primat des Völkerrechts.




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