Rechtsanwendung

Nur selten ist es so, daß ein bestimmter Einzelfall direkt und eindeutig im Gesetz geregelt ist. Das kann auch nicht so sein, weil es zu viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt. Es bedarf daher einer bestimmten Technik, um für jeden Sachverhalt die passenden gesetzlichen Vorschriften zu finden. Die wichtigsten Techniken sind : Die Subsumption. Es muß versucht werden, die gesetzliche Vorschrift zu finden, die auf den jeweils vorliegenden Fall paßt das heißt, der Einzelfall muß einer allgemein gefaßten gesetzlichen Vorschrift untergeordnet (sub-sumiert) werden. Die Auslegung. Oft findet man aber auch dann noch keine passende gesetzliche Vorschrift. Man muß vielmehr die in Frage kommenden Vorschriften daraufhin überprüfen (sie auslegen), ob sie auf den Einzelfall passen oder nicht. Hierbei kann man zurückgreifen auf: a) Den Willen des Gesetzgebers. Dieser ergibt sich aus den sogenannten Materialien, das heißt den amtlichen Erläuterungen, die zum Beispiel dem Gesetzentwurf von der Regierung beigefügt worden sind, als sie ihn dem Parlament zur Beschlußfassung zugeleitet hat, oder den Erläuterungen, die dazu in den Ausschußberatungen und im Plenum des Parlaments abgegeben worden sind. Der Wille des Gesetzgebers wird allerdings immer weniger Bedeutung haben, je älter ein Gesetz ist. Die Kommentare, die die Rechtswissenschaftler zu dem Gesetz veröffentlicht haben. Die frühere Rechtsprechung (Präjudizien). 3. Die Analogie oder der Umkehrschluß. Oft führt auch die Auslegung noch nicht zu dem gesuchten Ergebnis. Es wird vielmehr notwendig, ähnliche gesetzliche Regelungen zu suchen. Diese kann man dann entweder auf den vorliegenden Einzelfall übertragen (sie aufihn analog anwenden) oder aber daraus, daß der Gesetzgeber gerade diesen Fall nicht geregelt hat, schließen, daß er ihn anders behandelt haben wollte. Ersteres ist immer dann geboten, wenn es sich um allgemeine Vorschriften handelt, letzteres bei Ausnahmevorschriften. Eine Besonderheit besteht im -»Strafrecht: Hier ist eine analoge Anwendung von Vorschriften zum Nachteil des Angeklagten grundsätzlich verboten (Art. 103 Abs.2GG).

ist die Bewertung eines tatsächlichen Geschehens an Hand der rechtlichen Sollens- ordnung. Dies geschieht regelmäßig im logischen Verfahren der Subsumtion (bzw. der Zuordnung oder Gleichsetzung) eines konkreten Wirklichkeitsausschnitts (Sachverhalts) unter (den Tatbestand) eine(r) abstrakten Rechtsnorm in der Methodik des Syllogismus. Erforderlich wird dabei meist die Auslegung von Tatbestand und Sachverhalt sowie des öfteren auch die Ausdehnung (Analogie) oder Einschränkung (Reduktion) der Rechtsnorm. Lit.: Köbler, G., Wie werde ich Jurist? 5. A. 2007; Decken, M., Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, 1995; Treder, L., Methoden und Technik der Rechtsanwendung, 1998; Hirsch, G., Rechtsanwendung, Rechtsfindung, Rechtsschöpfung, 2003

Die Anwendung des Rechts auf einen gegebenen Sachverhalt (Tatbestand) unterliegt gesetzlichen Regeln und den Methoden der Rechtsfindung, die sich in der Praxis herausgebildet haben. Der Richter geht von einem festgestellten oder gedachten Sachverhalt aus, ordnet ihn unter die einschlägigen Rechtsvorschriften ein (Subsumtion = Unterordnung) und zieht die sich aus diesen ergebenden Schlussfolgerungen; z. B.: Da der Verstorbene keine Verwandten hinterlassen und keine letztwillige Verfügung getroffen hat, ist nach §§ 1931 II, 1937 BGB der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe. Ein wesentlicher Teil der R. ist somit die Rechtsfindung, d. h. das Erkennen des auf den zugrundegelegten Sachverhalt anzuwendenden Rechtssatzes (Kognition). Sodann muss der Richter durch Anwendung des Rechts auf den festgestellten Tatbestand zu einer Entscheidung des Rechtsfalles gelangen. Hierbei ist eine logische Reihenfolge einzuhalten: Zunächst sind die formellen Voraussetzungen eines Begehrens zu prüfen (Zulässigkeit des Rechtswegs, der Klage, des Rechtsmittels; sachliche und örtliche Zuständigkeit usw.), dann erst die sachlichen (Begründetheit).

Die den allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnislehren entnommenen Methoden der Rechtsfindung sind vielfältig; herkömmlich unterscheidet man die systematische, deduktive, historische, genetische, teleologische usw. Bei der Gesetzesanwendung bedient man sich vorrangig der Semantik, die von den möglichen Bedeutungen eines Wortlauts (der Textfassung) ausgeht und hieraus den Wortsinn abzuleiten sucht, und innerhalb des so gewonnenen Bedeutungsspielraums der Hermeneutik, eines wissenschaftlichen Verfahrens der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen für den Anwendungsfall. Zu diesen überlieferten ist neuerdings die - freilich umstrittene - topische Methode hinzugetreten. Bei der Suche nach den auf den Einzeltatbestand anwendbaren Rechtsnormen müssen zunächst das einschlägige engere Rechtsgebiet und in diesem die in Betracht kommenden Bestimmungen durchgeprüft werden. Alle Rechtsregeln haben ihren Ort (griech. = topos), aus dessen Quellen der auf den Sachverhalt zutreffende Rechtssatz als Nachweis zur Lösung des Rechtsproblems herauszuholen ist. Die topische Denkweise steht insofern in einem gewissen Gegensatz zur systematischen Methode; diese geht vom Ganzen aus und sucht das Problem von der Ganzheit eines Systems her zu lösen. Die topische Methode hingegen nimmt das Inhaltliche eines Problems zum Ausgangspunkt, sucht sodann die für dessen Lösung möglicherweise maßgeblichen Gesichtspunkte (topoi) heraus und stellt deren Wirksamkeit für das zu lösende Problem fest, evtl. auch, ob die maßgeblichen Gesichtspunkte einander übergeordnet oder gleichgeordnet sind. Sodann werden die in Betracht kommenden Lösungsmöglichkeiten zusammengestellt und zwischen diesen die Auswahl getroffen. S. a. Rechtspositivismus, Begriffsjurisprudenz.

Da die gesetzliche Regelung oft lückenhaft oder nicht zweifelsfrei ist, wendet der Richter als Mittel der Rechtsfindung zunächst die Regeln der Auslegung an. Führt diese nicht zum Ergebnis, so ist durch Ergänzung des Gesetzes (Analogie, argumentum e contrario) der Inhalt der anzuwendenden Rechtsnorm festzustellen. Erst wenn auch hierdurch kein Ergebnis zu erzielen ist, kann an eine vorsichtige freie Rechtsfindung, insbes. im Wege des Richterrechts, gedacht werden (Rechtsfortbildung).

Der R. dient insbes. die Aufnahme von Beweisen durch das Gericht, der Rechtsfindung und R. im Kollegialgericht die Beratung, ggf. das Rechtsmittelverfahren. Dem Richter kann für die R. durch das Gesetz ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt sein, so z. B. wenn ein Vertrag nach Treu und Glauben auszulegen ist oder wenn wertausfüllungsbedürftige Merkmale anzuwenden sind (Generalklausel, normative Rechtsbegriffe).




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