Offene Vermögensfragen
1.
Das noch von der ehem. Deutschen Demokratischen Republik erlassene Gesetz zur Regelung o. V. (vom 23. 9. 1990, BGBl. II 885, 1159) blieb gem. dem Einigungsvertrag nach der Wiedervereinigung als partielles Bundesrecht in Kraft, nach mehreren Änderungen jetzt i. d. F. v. 21. 12. 1998 (BGBl. I 4026) m. spät. Änd.; Text mit Einleitung sowie anderen wichtigen Vorschriften s. „Vermögensgesetz“, Beck-Texte im dtv, 6. Aufl.). Das „Vermögensgesetz“ - VermG - regelt in § 1 insbes. vermögensrechtliche Ansprüche an Vermögenswerten, die entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt wurden, gegen eine zu geringe Entschädigung enteignet wurden, durch staatliche Verwalter an Dritte veräußert wurden oder auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. Februar 1972 in Volkseigentum übergeleitet wurden. Ferner gilt das Gesetz auch für Grundstücke und Gebäude, die auf Grund nicht kostendeckender Mieten und so eingetretene Überschuldung durch Enteignung oder Eigentumsverzicht in Volkseigentum übernommen wurden. Weiter betrifft das VermG auch Ansprüche an Vermögenswerten und Nutzungsrechten, die auf Grund unlauterer Machenschaften, z. B. durch Machtmissbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung erworben wurden. Überdies regelt es die Aufhebung der staatlichen Treuhandverwaltung von Vermögenswerten der „Republikflüchtlinge“. Ferner erfasst das VermG auch vermögensrechtl. Ansprüche von Personen, die in der Zeit vom 30. 1. 1933 bis zum 8. 5. 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen Vermögen verloren haben (§ 1 VI VermG). Schließlich gilt es auch für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit aufgehobenen rechtsstaatswidrigen Entscheidungen steht (§ 1 VII VermG; z. B. Vermögensentzug bei strafrechtlicher Verurteilung). Das Gesetz gilt u. a. nicht für Enteignungen von Vermögenswerten „auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ (§ 1 VIII VermG), d. s. Enteignungen in den Jahren 1945 bis 1949 (vgl. dazu BVerfGE 84, 90, bestätigt BVerfG NJW 1996, 1666) und auch nicht für Enteignungen oder enteignungsähnliche Eingriffe, die nicht die oben genannten (in § 1 I-VII VermG beschriebenen) Merkmale aufweisen, sondern nach den in der DDR für jedermann geltenden Enteignungsvorschriften (ohne gezielte Benachteiligung bestimmter Personen oder Personengruppen) vorgenommen wurden (z. B. nach dem Bergrecht oder dem Verteidigungsgesetz, zum Zwecke des Städtebaus und der Energiegewinnung oder für Zwecke der Nationalen Volksarmee; Beispiel: „Mauer- und Grenzgrundstücke“). Das VermG bezweckt also keine „Totalrevision“ der in der DDR vorgenommenen Eigentumsveränderungen.
2.
Vermögenswerte, die den Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum oder an Dritte veräußert wurden, sind nach § 3 VermG grundsätzlich auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen (Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“). Dieser Grundsatz der Restitution ist jedoch von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen (vgl. insbes. §§ 4, 5 VermG). Einer der wichtigsten Ausschlussgründe ist gem. § 4 II VermG, wenn natürliche Personen, Religionsgemeinschaften oder gemeinnützige Stiftungen nach dem 8. 5. 1945 „in redlicher Weise“ an dem Vermögenswert Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben haben; Regelfälle unredlichen Rechtserwerbs sind in § 4 III VermG näher umschrieben. Ist eine Rückübertragung des Vermögensgegenstands ausgeschlossen oder nicht mehr möglich, so erhält der Berechtigte eine Entschädigung. Überdies kann er allgemein anstelle der Rückübertragung Entschädigung wählen.
3.
Zur Sicherung der Rückübertragung ist der Verfügungsberechtigte (z. B. die Treuhandanstalt) gem. § 3 III VermG verpflichtet, den Abschluss dinglicher Rechtsgeschäfte (also insbes. Übereignung und Belastung) oder die Eingehung langfristiger vertraglicher Verpflichtungen ohne Zustimmung des Restitutionsberechtigten zu unterlassen; ausgenommen sind Rechtsgeschäfte zur Erfüllung von Rechtspflichten des Eigentümers, insbes. bei Anordnungen nach § 177 BauGB (Beseitigung von Mißständen und Behebung von Mängeln) und zur Erhaltung und Bewirtschaftung des Vermögenswerts. Liegt keine Anmeldung des Berechtigten nach der AnmeldeVO vom 11. 7. 1990 (GBl. DDR I, 718), jetzt i. d. F. vom 3. 8. 1992 (BGBl. I 1481) und kein Antrag nach dem VermG (vgl. unten 6) vor, so kann der Verfügungsberechtigte über den Gegenstand verfügen oder Verpflichtungen eingehen; er muss sich vorher bei den zuständigen Ämtern für o. V. vergewissern, dass keine Anmeldung vorliegt (§ 3 IV u. V VermG).
4.
Die Rückübertragung, insbes. auch von Unternehmen, ist in teilweise sehr komplizierten Vorschriften der §§ 3 ff. VermG geregelt (vgl. auch UnternehmensrückgabeVO vom 13. 7. 1991 (BGBl. I 1542).
5.
Sehr bedeutsame Ausnahmen vom Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ enthält das „Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem VermG“ (Investitionsvorranggesetz).
6.
Ansprüche nach dem VermG sind bei der zuständigen Behörde mittels Antrag geltend zu machen; zu den Ausschlussfristen vgl. im Einzelnen §§ 30, 30 a VermG. Die Behörde hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, dabei hat der Antragsteller mitzuwirken. Zuständig sind die auf Kreisebene eingerichteten Ämter oder in bestimmten Fällen (insbes. bei Unternehmen) die Landesämter zur Regelung o. V., in wenigen Einzelfällen das Bundesamt zur Regelung o. V., das im Übrigen die einheitliche Durchführung des Gesetzes gewährleisten soll. Gegen die Entscheidung des Amtes auf Kreisebene kann Widerspruch zum Landesamt eingelegt, gegen dessen Entscheidung der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden (vgl. §§ 30-38 VermG).
7.
Das VermG ist keine abschließende Regelung der o. V. Es wird ergänzt durch das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) vom 27. 9. 1994 (BGBl. I 2624), in dem die Fälle geregelt werden, in denen keine Rückgabe stattfinden kann oder der Berechtigte Entschädigung gewählt hat, ferner die Enteignungsfälle „auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ (1945-1949), auf die das VermG keine Anwendung findet. Zu den o. V. im weiteren Sinne gehören auch die Rehabilitierungsgesetze, die eine Wiedergutmachung strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und beruflichen Unrechts bezwecken.
8.
Steuerlich BMF BStBl. I 1994, 286, 380.
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