Drittwirkung der Grundrechte
Geltung der Grundrechte nicht nur im Verhältnis Bürger - Staat, für das sie eigentlich geschaffen sind, sondern auch im Verhältnis der Bürger untereinander. Eine unmittelbare D.d.G. ordnet das GG nur zum Schutz der Koalitionsfreiheit an; mittelbar wirken die Grundrechte jedoch auf das übrige Recht, insbes. durch die Generalklauseln ein (z.B. Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das gegen die guten Sitten" verstößt).
betrifft die Frage, ob Grundrechte, über das Staat-Bürger-Verhältnis hinaus, auch Wirkungen auf der Ebene des bürgerlichen Rechtsverkehrs entfalten. Hiervon zu unterscheiden ist das Problem der Fiskalgeltung der Grundrechte.
Dort geht es um die Frage, ob die öffentliche Hand als Teilnehmer am privaten Geschäftsleben von Grundrechtsbindungen frei ist.
Dass der Staat und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts als Träger hoheitlicher Macht die typischen Grundrechtsadressaten sind, entspricht der historisch-politischen Entwicklung der Grundrechtsidee und folgt explizit aus der Verfassungsvorschrift, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden sind (Art. 1 III). Diese geschichtsbewusst positivierte Staatsgerichtetheit der Grundrechte lässt es eigentlich nicht zu, ihre unmittelbare Bindungswirkung auch auf private Rechtssubjekte zu erstrecken. Eine derartige Drittwirkung hat das GG lediglich in einem einzigen Ausnahmefall statuiert: Hier werden Abreden, welche die Koalitionsfreiheit einschränken oder zu behindern suchen, für nichtig und darauf gerichtete Massnahmen für rechtswidrig erklärt (Art. 9 III 2). Im übrigen aber richten sich die Grundrechte nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt und nicht gegen das privatrechtliche Handeln anderer Grundrechtsträger. Diese können demgemäss z.B. in ihren geschäftlichen oder gesellschaftlichen Dispositionen andere Personen durchaus willkürlich bevorzugen oder benachteiligen, ohne gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder besondere Gleichheitssätze zu verstossen.
Wollte man eine direkte Drittwirkung der Grundrechte annehmen, so würde dies zu widersinnigen Ergebnissen und zu unlösbaren Normenkonflikten führen in dem dann eröffneten Grundrechtskampf aller gegen alle. So wäre z.B. die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit (Art. 2 I) praktisch entwertet, da niemand mehr, ohne den grundgesetzlichen Gleichheitssatz zu verletzen, ein Vertragsangebot nach seinem Belieben machen oder ablehnen könnte. Die klassische Grundrechtsordnung ginge dann unter im Widerstreit verfassungsrechtlich aufgeladener privater Interessenkonflikte.
Auch gegenüber Interpretationsversuchen mit dem Ziel, die Grundrechtsgeltung mittelbar auf privatrechtliche Beziehungen zu erstrecken, sind prinzipielle Bedenken angebracht. Derartige Deutungsansätze stützen sich auf gewisse, den Grundrechten des GG innewohnende objektive Wertentscheidungen, die nicht nur im Staat- Bürger-Verhältnis verbindlich seien. Das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang von einer "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte auf das Privatrecht. Danach sollen die Grundrechte zwar in erster Linie die individuelle Freiheitssphäre vor Eingriffen der Staatsgewalt schützen. Darüberhinaus enthalte jedoch die Grundrechtsordnung ein Wertsystem, das für alle Bereiche des Rechts gelte, insbesondere auch für die Auslegung und Anwendung von Privatrechtsnormen. Diese Wertentscheidungen seien folglich vom Zivilrichter zu beachten, namentlich bei gesetzlichen Generalklauseln wie etwa beim Begriff der guten Sitten. Hier handele es sich um "Einbrüchstellen" der Grundrechte in das System des bürgerlichen Rechts.
Grundrechte.
Nach überwieg. Meinung richten sich die Grundrechte nur gegen den Staat, d. h. sie sichern dem Einzelnen einen Freiheitsbereich (oder einen „Teilhabeanspruch“) gegenüber der öffentlichen Gewalt; vgl. Art. 1 III GG, wonach die G. die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung als unmittelbares Recht binden. Vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass die G. ganz allgemein unmittelbare Wirkung auch gegenüber Dritten (Bürgern) äußern, also auch im Privatrechtsbereich. Danach wäre z. B. der Gleichheitssatz auch im Verkehr zwischen den Bürgern untereinander als Prinzip zu beachten. Ausdrücklich angeordnet ist eine D. nur in Art. 9 III GG für die Garantie der Koalitionsfreiheit. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen rechtswidrig. Darüber hinaus kann jedoch eine unmittelbare D. nicht angenommen werden. Allerdings beeinflusst das Verfassungsrecht auch das Privatrecht. Die G. können deshalb z. B. bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln des bürgerl. Rechts nicht außer acht gelassen werden. Deshalb wird es etwa als zulässig erachtet, für die Beurteilung, wann ein Aufruf zum Boykott gegen die guten Sitten verstößt, auch auf das in Art. 5 GG garantierte G. der freien Meinungsäußerung, oder bei Verwertung persönlicher Aufzeichnungen, z. B. im Strafverfahren oder im Eheprozess, auf den Schutz der Intimsphäre (Menschenwürde; freie Entfaltung der Persönlichkeit; Art. 1, 2 GG) abzustellen. Bei der Auslegung der Kündigungsschutzvorschriften im Mietrecht ist Art. 14 GG zu beachten. Auch gegenüber wirtschaftl. Monopol- od. Machtstellungen können u. U. grundrechtl. Gedankengänge, insbes. das Willkürverbot, Bedeutung erlangen. Vor allem kann dies auch für privatrechtl. Betätigungen öffentl.-rechtl. Körperschaften und Anstalten (vgl. Verwaltungsprivatrecht) gelten.
Grundrechtsbindung.
Nach herrschender Meinung richten sich die Grundrechte nur gegen den Staat, nicht gegen Mitbürger oder gesellschaftliche Kräfte. Ein Arbeitgeber kann also z. B. nur Arbeitnehmer einer bestimmten Konfession einstellen (trotz Art. 3 Abs. 3 GG). Das heisst aber nicht, dass die Grundrechte im Privatrechtsbereich belanglos wären. Die Generalklauseln insbesondere des Bürgerlichen, Wettbewerbs- und Arbeitsrechts sind "Einbruchstellen der Grundrechte", d. h. es ist anhand der Grundentscheidungen der Verfassung abzuwägen, ob ein Verhalten treu- oder sittenwidrig ist oder nicht. (Treu und Glauben, Sittenwidrige
Rechtsgeschäfte, gute Sitten). Ein bezeichnendes Beispiel ist die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Persönlichkeitsschutz.
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