Gnadenrecht

Begnadigung, Amnestie.

Begnadigung.

Begnadigung ist der völlige oder teilweise Straferlass nach Rechtskraft des Strafurteils. Für die nur in Einzelfällen zulässige Gnadenentscheidung der Exekutive folgt die Zuständigkeit gemäß § 452 StPO der Zuständigkeit im ersten Rechtszug insoweit, dass dem Bund das Begnadigungsrecht nur in Sachen zusteht, in denen die Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden hat. In allen anderen Sachen steht das Gnadenrecht den Ländern zu. Auf Bundesebene ist der Bundespräsident Gnadenbehörde (Art. 60 Abs. 2 GG); durch die „Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechtes des Bundes” v. 5.10. 1965 wurden die Befugnisse an mehrere Behörden übertragen. Dem Bund steht ferner das Begnadigungsrecht in den Staatsschutzsachen zu, in denen die Oberlandesgerichte gemäß § 120 Abs. 1, 2 GVG aufgrund der in Art. 96 Abs. 5 GG normierten Organleihe und auf Anklage des Generalbundesanwalts erstinstanzlich entschieden haben. In den Ländern bestimmen die Landesverfassungen den Inhaber des Gnadenrechts; i. d. R. ist dies der Ministerpräsident, der das Recht an Landesbehörden übertragen kann. Auf dieser Grundlage existiert in zahlreichen Bundesländern eine „Gnadenordnung”. Regelmäßig wird dabei der Leiter der Staatsanwaltschaft für die von der Staatsanwaltschaft vollstreckten Strafen zur Gnadenbehörde bestimmt; in Jugendsachen der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter. Einschränkungen bestehen i. d. R. für Staatsschutzdelikte.
Das BVerfG (E 25, 352) und das BVerwG (NJW 1983, 187) sehen Gnadenakte als gerichtlich nicht überprüfbare Hoheitsakte an, da es sich um außerrechtliche Entscheidungen handele, die keinerlei rechtlichen Bindungen unterworfen seien (str.). Dagegen geht das BVerfG (E 30, 108) beim Widerruf einer Begnadigung von einer gerichtlichen Uberprüfbarkeit aus, weil in diesem Fall die durch die Begnadigung gewährten Freiheitsrechte schutzwürdig seien.

1.
Das Recht zu Gnadenerweisen umfasst die Befugnis, rechtskräftig verhängte Strafen (in Ausnahmefällen auch Maßregeln der Besserung und Sicherung, § 61 StGB) zu erlassen, umzuwandeln, zu ermäßigen oder auszusetzen (Begnadigung) und anhängige Strafverfahren niederzuschlagen (Abolition). Gnadenerweise können durch Begnadigung im Einzelfalle oder als generelle Maßnahme durch Amnestie ergehen. Diese bedarf eines Gesetzes (Straffreiheit), ebenso die Abolition.

2.
Das Begnadigungsrecht im Einzelfalle wird, soweit es nicht auf nachgeordnete Stellen delegiert ist, nach Art. 60 GG, § 452 StPO im Bund vom BPräs. (Anordn. vom 5. 10. 1965, BGBl. I 1573), in den Ländern von den durch die Verfassung oder anderweitig bestimmten Organen ausgeübt; d. i. im Saarland die LdReg., sonst der MinPräs., in Berlin, Bremen und Hamburg der Senat; von der verfassungsmäßigen Delegationsbefugnis ist in allen Ländern durch Übertragung auf den für das erkennende Gericht zuständigen Minister Gebrauch gemacht worden, insbes. für Strafsachen auf den Justizminister, Dienststrafsachen auf den Innenminister usw. Die Justizminister (JSen.) haben in dem durch die Gnadenordnungen bestimmten Umfang die Ausübung des G. auf die Generalstaatsanwälte u. Vollstreckungsbehörden weiterübertragen (in NRW außerdem auf Gnadenstellen bei den Landgerichten). Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Gericht des ersten Rechtszuges, das Verfahren nach den in den Ländern geltenden Gnadenordnungen (Zusammenstellung b. Schönfelder, Deutsche Ges., Anm. zu § 452 StPO).

3.
Ob die Ausübung des G. sich als Verwaltungsakt darstellt und die Ablehnung eines Gnadenerweises der gerichtlichen Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG oder im Verwaltungsstreitverfahren unterliegt, ist str., wird aber von der h. M. verneint, weil ein Gnadenerweis nicht Rechtsanwendung, sondern ein Akt des Wohlwollens und des nicht nachprüfbaren Ermessens ist (BVerfGE 25, 352); doch ist der Widerruf des Gnadenerweises gerichtlich nachprüfbar (BVerfGE 30, 108) nach § 23 I EGGVG. S. ferner Strafaufschub, Strafaussetzung, Strafausstand, Straferlass.




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