Recht im Nationalsozialismus

das während der NS-Zeit neu geschaffene und bereits bestehende, im Rahmen der NS-Weltanschauung ausgelegte und angewendete Recht.
Strafrecht: Im Strafrecht gelang es den Nationalsozialisten, wichtige Änderungen durchzusetzen (u. a. die Aufhebung des Analogieverbotes, Bestrafung nach gesundem Volksempfinden). Auch im Strafprozessrecht fanden erhebliche Veränderungen statt. So erhielt Hitler bspw. die Macht, jedes rechtskräftige Urteil durch Einspruch zu beseitigen. Dies tritt jedoch angesichts der Strafrechtswirklichkeit der politischen Verfolgung und des willkürlichen Terrors in seiner Bedeutung zurück. Die Sondergerichte, bei denen die Staatsanwaltschaft unter Umgehung des gesetzlichen Richters praktisch Anklage nach Belieben erheben konnte, stellen ein besonders dunkles Kapitel der NS-Zeit dar. Während des Dritten Reiches wurden von den ordentlichen Strafgerichten ca. 16 000 Todesurteile verhängt und mehr als drei Viertel vollstreckt. Den Übergang zum reinen Terror in Rechts- und Urteilsform vollzogen die Urteile gegen Polen und andere „Fremdvölkische”, die aufgrund der während des Krieges erlassenen sog. Polenstraf-VO (4. 12. 1941) erlassen wurden. Auch bei Verurteilungen von Deutschen auf der Grundlage der sog. Volksschädlings-VO (5. 9. 1939) wahrten der Volksgerichtshof und die vielen Militär- und Sondergerichte kaum mehr die äußere Form gerichtlichen Handelns. Kein Richter des Volksgerichtshofs oder der Sondergerichte ist von den Gerichten der Bundesrepublik verurteilt worden.
Verfassungsrecht: Die Machtergreifung, die besser als Machtübergabe zu bezeichnen ist, fand 1933 zumindest partiell in traditionellen Rechtsformen statt. Dennoch war Recht in dieser Phase der nationalsozialistischen Herrschaft von eher untergeordneter Bedeutung. Es dominierte physische Gewalt bei der Ausschaltung der demokratischen, sozialistischen und kommunistischen Opposition. Daneben legten die neuen Machthaber Wert auf eine staatsrechtliche Scheinlegalität insb. bei den ersten Gesetzen: Einen bedeutenden Einschnitt in Grundrechte stellte die sog. Reichstagsbrandverordnung vom 28.2. 1933 dar. Das bald folgende sog. Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933 machte die Exekutive zur Legislative. Der neue Staat hatte sich von Grundprinzipien der materiellen Rechtsstaatlichkeit verabschiedet, fundamentale Regeln der Weimarer Reichsverfassung waren außer Kraft gesetzt.
Die Bekämpfung Oppositioneller erfolgte zunehmend durch Gesetz. So fand die Ausschließung von Juden und sog. Feinden des Reiches zunächst aus dem öffentlichen Dienst rechtsförmig statt (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4. 1933). Recht war somit ein taugliches Mittel, die antisemitische Politik der Nationalsozialisten umzusetzen (u. a. Nürnberger Rassengesetze vom 15. 9. 1935). Zur Errichtung des Führerstaats wurden die Länder gleichgeschaltet (Gesetz vom 31. 3. 1933) und nach dem Tod des Reichspräsidenten v. Hindenburg 1934) vereinigte Adolf Hitler sämtliche Machtpositionen des Staates in seiner Person.
Zivilrecht: Entgegen anders lautenden Behauptungen ist im Zivilrecht während der NS-Zeit nicht alles „normal” geblieben. Gerichte und Professoren nahmen in teilweise vorauseilendem Gehorsam eine Unigestaltung des bestehenden Zivilrechts besonders über die Generalklauseln vor, ein methodisches Vorgehen, das in der heutigen Rechtswissenschaft unter dem von Bernd Rüthers geprägten Begriff der „unbegrenzten Auslegung” zusammengefasst wird. Die „Kieler Schule”, u. a. bestehend aus den jungen Zivilrechtsprofessoren Karl Larenz (1903-1990) und Heinrich Lange (1900-1977), nahm lediglich eine Vorreiterrolle ein, als es darum ging, die bestehende Rechtsordnung im Sinne der neuen Weltanschauung auszulegen. Auch die Rechtsprechung war kein Hort des Widerstandes. So ermöglichte sie die Anfechtung von sog. Rassenmischehen durch die methodisch unhaltbare Verlängerung der Fristen.
In einigen Bereichen des Zivilrechts wurden aber auch neue Gesetze verabschiedet. Den Anfang machte das Reichserbhofgesetz von 1933. 1938 wurden das Testaments- und das Eherecht aus dem BGB ausgegliedert und in überarbeiteter Fassung erlassen. Funktionäre wie Roland Freisler (1893-1945) forderten dann eine strenge Auslegung des neuen NS-Rechts gegenüber einer ideologischen Interpretation des „vor-revolutionären” Rechts. Das Projekt einer vollständigen Revision des BGB im nationalsozialistischen Sinne, die Schaffung des sog. Volksgesetzbuches durch die Akademie für deutsches Recht unter dem „Reichsrechtsführer” Hans Frank (1900-1946), scheiterte jedoch.




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