Atomrecht

Gesetzliche Vorschriften, die sich mit der Frage beschäftigen, wer unter welchen Voraussetzungen eine Atomanlage (Forschungsreaktor, Kernkraftwerk, Wiederaufbereitungsanlage) errichten und betreiben darf. Diese Vorschriften sind im wesentlichen im Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) enthalten, das im Jahre 1985 neu gefaßt worden ist. Es schreibt vor, daß die Ein- und Ausfuhr, der Transport, die Lagerung, Verwendung und Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen staatlich überwacht werden. Anlagen, in denen diese Stoffe verarbeitet werden, bedürfen einer staatlichen Genehmigung, die unter Beteiligung der Öffentlichkeit auch abschnittsweise erteilt und bei Verstößen widerrufen werden kann. Dabei ist jeweils auch für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Stoffe Vorsorge zu treffen. Außerdem müssen die Betreiber von Atomanlagen für alle Schäden aufkommen, die durch diese entstehen, ohne Rücksicht darauf, ob sie hieran eine Schuld trifft oder nicht. Ob die Vorschriften des Atomgesetzes angesichts der Vorfälle in jüngster Zeit (Tschernobyl) ausreichend sind, ist in der Öffentlichkeit stark umstritten. Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist im Jahre 1987 ein Strahlenschutzvorsorgegesetz erlassen worden, das bundeseinheitliche Regelungen für die Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt geschaffen hat. Im Jahre 1989 ist dann auch ein Bundesamt für Strahlenschutz mit Sitz in Salzgitter gegründet worden, das die Einhaltung aller atomrechtlichen Vorschriften zentral überwachen soll.

ist das Recht der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Es ist im Atomgesetz und den darauf beruhenden Rechtsverordnungen (insbes. der Strahlenschutzverordnung u. der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung) geregelt. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die friedliche Nutzung der Kernenergie ist mit dem GG vereinbar. Das AtG will die Erforschung, Entwicklung u. Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken fördern, Leben, Gesundheit u. Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie schützen u. ggf. verursachte Schäden ausgleichen, eine Gefährdung der inneren u. äusseren Sicherheit der Bundesrepublik durch Kernenergie verhindern u. die Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Kernenergie u. des Strahlenschutzes gewährleisten (§ 1 AtG). Dem Anwendungsbereich des Atomgesetzes unterliegen radioaktive Stoffe; dazu rechnen nach der Begriffsbestimmung in § 2 I AtG besondere spaltbare Stoffe (Kernbrennstoffe) u. sonstige radioaktive Stoffe. Einfuhr, Ausfuhr sowie Beförderung radioaktiver Stoffe, die private Aufbewahrung von Kernbrennstoffen u. der Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen sind genehmigungspflichtig (§§ 3 ff. AtG, §§ 3 ff. StrlSchV). Von besonderer Bedeutung ist § 7 AtG. Danach bedürfen die Errichtung, der Betrieb u. eine wesentliche Änderung einer Kernanlage der Genehmigung. Diese darf, von sonstigen Voraussetzungen abgesehen, nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft u. Technik erforderliche Schadensvorsorge getroffen ist. Die Frage, ob der Gesetzgeber mit dieser Anknüpfung an den Stand von Wissenschaft u. Technik seine ihm durch das Demokratie- u. Rechtsstaatgebot aufgegebene Verantwortung für die wesentlichen Entscheidungen in zureichender Weise wahrgenommen hat, ist vom BVerfG in seinem Kalkar-Beschluss v. 8.8.1978 bejaht worden. Allerdings kann das Parlament gehalten sein, bei neuen, gegenwärtig nicht vorsehbaren Entwicklungen (z. B. in der Entsorgungsfrage) die atomrechtlichen Vorschriften zu revidieren.
Die Genehmigung einer Kernanlage, der ein förmliches Verwaltungsverfahren vorausgeht, ist Sache der zuständigen obersten Landesbehörde. Sie vollzieht sich zumeist in mehreren Stufen (Teilgenehmigungen). Wer eine (Teil-)Genehmigung wegen unzureichender Schadensvorsorge für rechtswidrig hält, kann, sofern er selbst in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist (z. B. als Nachbar), Anfechtungsklage vor dem OVG erheben. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung grundsätzlich auf die Sach- u. Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung abzustellen. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf zu überprüfen, ob die von der Genehmigungsbehörde vorgenommene
Risikoabschätzung rechtmässig ist, ob sie insbes. auf willkürfreien Ermittlungen beruht.
Die Betreiber von Kernkraftwerken sind nach § 9 a AtG für die Entsorgung radioaktiver Reststoffe durch deren Wiederaufarbeitung oder, soweit dies nicht möglich ist, durch deren geordnete Beseitigung verantwortlich. Radioaktive Abfälle sind zur Zwischenlagerung an eine Sammelstelle des jeweiligen Bundeslandes oder zur Endlagerung an eine zentrale Sammelstelle des Bundeslandes abzuliefern. Die Entsorgung der Kernkraftwerke stösst gegenwärtig auf erhebliche Schwierigkeiten, weil die für die Zwischenlagerung, Wiederaufarbeitung u. Endlagerung hochradioaktiver Reststoffe vorgesehenen Einrichtungen ebensowenig zur Verfügung stehen wie das geplante Endlager zur Aufnahme schwach- u. mittelradioaktiver Abfälle.
Für Schäden, die durch ein von einer Kernanlage ausgehendes "nukleares Ereignis" verursacht werden, haftet der Inhaber der Anlage nach dem Pariser Übereinkommen v. 29. 7. 1960 i.V.m. §§ 25 ff. AtG. Die Haftung ist summenmässig unbegrenzt; bei Auslandsschäden gilt ein abgestuftes System von Haftungshöchstsummen. Vertragspartner des Pariser Übereinkommens sind ausser der Bundesrepublik Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien und die Türkei.
Das Strahlenschutzvorsorgegesetz soll das Regelungsdefizit beheben, das nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl erkennbar wurde. Es enthält Rechtsgrundlagen für bundeseinheitliche Vorschriften über die Erhebung, Übermittlung u. Bewertung von Messdaten sowie für die bundeseinheitliche Festsetzung von Dosis- u. Kontaminationswerten, ferner für Verbote u. Beschränkungen im Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln u. sonstigen Gegenständen, schliesslich für einheitliche Verhaltensempfehlungen an die Bevölkerung. Zugleich sieht das Gesetz technische u. organisatorische Massnahmen zur Überwachung der Umweltradioaktivität vor.

(Kernenergierecht): Regelungen zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken und zum Schutz gegen ihre Gefahren; geregelt im Atomgesetz i. d. E der Bekanntmachung vom 15.7. 1985 (AtG — BGBl. I S.1565, mit späteren Änderungen, BGBl. III/FNA 751-1). Das Gesetz begründet eine Genehmigungspflicht zum einen für den Umgang mit Kernbrennstoffen (Ein-und Ausfuhr, Beförderung und Aufbewahrung; §§ 3 ff. AtG). Zum anderen war früher genehmigungspflichtig die Errichtung und der Betrieb von ortsfesten Anlagen zur Erzeugung, Be- und Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen (Reaktoren) oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe (§ 7 AtG a. E). Die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens regelte die Atomrechtliche Verfahrensverordnung (AtVfV) in der Fassung vom 3. 2. 1995 (BGB1.1 S. 181).
Durch das Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22.4. 2002 (BGBl. I S.1351) ist neuer Gesetzeszweck des AtG, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden (sog. Atomausstieg). Für die Errichtung und den Betrieb von Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen werden künftig keine Genehmigungen mehr erteilt (§ 7 Abs. 1 S. 2 AtG). Die Berechtigung zum Betrieb eines vorhandenen Kernkraftwerks erlischt, wenn die im Gesetz festgelegte Elektrizitätsmenge ausgeschöpft ist. Dies führt i. d. R. zu einer Gesamtlaufzeit von 32 Jahren. Da nach Fristablauf ein Totalentzug der Nutzungsbefugnis erfolgt, wird hierin teilweise eine Enteignung (Art.14 Abs. 3 GG) gesehen. Überwiegend wird dagegen von einer bloßen Inhalts-und Schrankenbestimmung i. S. d. Art.14 Abs. 1 S. 2 GG ausgegangen, da das Eigentum nicht entzogen, sondern lediglich sein Gebrauch neu geregelt wird. Die rechtliche Brisanz hat sich durch den sog. Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Energiewirtschaft vom 14.6. 2000 weitgehend erledigt. Dessen Ergebnisse wurden in der Neuregelung umgesetzt.
Die Haftung für Schäden aufgrund eines nuklearen Ereignisses regeln die §§ 25 ff. AtG. § 38 AtG normiert
Ausgleichsansprüche gegen die Bundesrepublik bei einem nuklearen Unfall im Ausland. Strahlen-schutzrecht.

Das A. oder Kernenergierecht ist nach der Föderalismusreform Gegenstand ausschließlicher Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 I Nr. 14 GG) und Teil des Umweltrechts. Auf dieser Grundlage werden die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken (s. Atomgesetz), der Betrieb der Atomanlagen, der Strahlenschutz und die Beseitigung von Atommüll geregelt. Auf europäischer Ebene gilt das Recht der Europäischen Atomgemeinschaft, einer der Gründungsgemeinschaften der EU. Zu den wichtigsten internationalen Verträgen gehören der Atomwaffensperrvertrag sowie die Übereinkommen zu Reaktorunfällen und Reaktorschiffen.




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