polizeiliche Rechtsnachfolge
Ausschnitt aus der allgemeinen Problematik der Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht — also der Rechtsübertragung im Wege des abgeleiteten Rechtserwerbs (Sukzession) für bestimmte einzelne Rechte (Singularsukzession) oder für eine Gesamtheit von Rechten (Universalsukzession) im öffentlichen Recht.
Der Begriff der Rechtsnachfolge erfasst im Polizeirecht eine Vielzahl von Konstellationen, die sich erstens danach unterscheiden, ob eine abstrakte oder ein konkrete Polizeipflicht bestand, also ob bereits eine Einzelmaßnahme gegenüber dem Pflichtigen ergriffen wurde (konkretisiert), oder ob die Polizeipflicht lediglich grundsätzlich bestand und die Polizei noch keine Maßnahme gegen den Pflichtigen ergriffen hat, bevor die Rechtsnachfolge eingetreten ist. Innerhalb dieser beiden Gruppen ist wiederum zwischen der Zustands-und der Handlungsverantwortlichkeit und der Universal- und der Singularsukzession zu unterscheiden. Anerkannt ist inzwischen, dass die Polizeipflicht nicht höchstpersönlich und damit grundsätzlich übergangsfähig ist.
Als Prüfungsfolge eignen sich folgende Schritte:
— zivilrechtliche Rechtsnachfolge,
— Übergangsfähigkeit der verwaltungsrechtlichen Pflicht,
— Rechtsgrund für den Übergang der öffentlich-rechtlichen Pflicht.
Abstrakte Polizeipflicht: Da sich die Eigenschaft des Zustandsstörers nach der bestehenden Eigentumslage richtet, folgt der neue Eigentümer automatisch in die abstrakte Polizeipflicht wegen des Eigentums an der Sache nach. Da die Polizeipflicht auch grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Pflicht ist, kann sie nicht Gegenstand privatautonomer zivilrechtlicher Vereinbarungen werden und den Erwerber des Eigentums nicht von der abstrakten Polizeipflicht befreien. Ein insoweit geschlossener Vertrag hat dann lediglich zwischen den Vertragschließenden bindende Wirkung, nicht aber gegenüber der zur Gefahrenabwehr tätigen Behörde.
Das gilt unabhängig davon, ob der neue Eigentümer das Eigentum durch Einzelrechtserwerb oder im Wege der Universalsukzession erlangt hat.
Beim Verhaltensstörer ist eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Polizeipflicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn es um die Nachfolge für ein unvertretbares Verhalten des Pflichtigen geht, da höchstpersönliche Pflichten nur von einer Person erfüllt werden können. Die Pflicht ist nicht übergangsfähig. Bei vertretbaren und damit der Rechtsnachfolge grundsätzlich fähigen Pflichten ist eine Rechtsnachfolge in die abstrakte Verhaltenspflicht bei der Einzelrechtsnachfolge mangels Nachfolgetatbestand nicht möglich. Es besteht kein Rechtsgrund, den Rechtsnachfolger für die abstrakte und personengebundene Polizeipflicht eines Rechtsvorgängers wegen der Übertragung eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Veräußerers an dessen Verhaltenshaftung haften zu lassen. Die rechtliche Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber ist nicht hinreichend eng. Eine Rechtsnachfolge ist daher nur möglich, wenn es eine gesetzliche Vorschrift gibt, die eine Rechtsnachfolge anordnet. Eine solche Regelung besteht nicht im MEPo1G und auch nicht in den allgemeinen und besonderen Gesetzen zur Gefahrenabwehr der Länder, sodass nach allgemeinem Polizei-und Ordnungsrecht eine Rechtsnachfolge in eine abstrakte Verhaltenspflicht grundsätzlich ausscheidet. Eine abweichende Regelung enthält nur § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG für schädliche Einwirkungen auf den Boden eines Grundstücks. (Bodenschutzrecht)
Anders ist dies hingegen bei der Gesamtrechtsnachfolge. Dort wird überwiegend der Übergang der abstrakten Verhaltensverantwortlichkeit befürwortet. Dafür wird geltend gemacht, dass die abstrakte Verhaltenshaftung bereits besteht und nur noch der Konkretisierung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger bedarf, der in alle Rechte und Pflichten seines Rechtsvorgängers einrückt. Dagegen wird eingewandt, dass die Eingriffsbefugnis der Behörde eine Pflicht ist, die nicht übergangsfähig ist.
Konkrete Polizeipflicht: Bei der Rechtsnachfolge in die Zustandsstörerhaftung ist eine Rechtsnachfolge in die konkrete Polizeipflicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge anerkannt. Der Rechtsgrund für den Übergang der Polizeipflicht wird in den zivilrechtlichen Rechtsnachfolgenormen der §§ 1922,
1967 BGB gesehen. Bei der Singularsukzession sind die Auffassungen wiederum geteilt. Überwiegend wird angenommen, dass Zustandspflichten wegen ihrer Dinglichkeit als Annex zum Eigentum mit übergehen. Dafür wird die Effektivität der Gefahrenabwehr angeführt. Ohne eine Rechtsnachfolge in die konkretisierte Polizeipflicht bestünde die Gefahr, dass durch häufige Eigentumsübertragungen die Durchsetzung einer rechtmäßigen Anordnung auf Dauer verhindert wird. Gegen die Rechtsnachfolge in die konkretisierte Zustandspflicht des Einzelrechtsnachfolgers wird eingewandt, dass es sich bei Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht um dingliche Verwaltungsakte, sondern um Ermessensentscheidungen, in die auch personale Elemente einfließen, handelt.
Bei der Verhaltensverantwortlichkeit wird eine Rechtsnachfolge in die konkretisierte Polizeipflicht wie auch bei der abstrakten Polizeipflicht im Wege der Einzelrechtsnachfolge verneint. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage, die der Rechtsnachfolge als Rechtsgrund dienen könnte.
Bei der Gesamtrechtsnachfolge wird indes ein Übergang der konkretisierten Polizeipflicht in Anlehnung an die Grundsätze zum Übergang der konkretisierten Zustandshaftung angenommen.
Eine gesetzliche Regelung für den Übergang der konkretisierten Zustands- und Verhaltenshaftung in Fällen der Einzelrechtsnachfolge findet sich in den Landesbauordnungen.
Ob die bestandskräftige Grundverfügung dem Rechtsnachfolger in den Fällen der Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht bekannt gemacht werden muss, damit sie ihm gegenüber überhaupt Wirksamkeit nach § 43 VwVfG entfaltet, wird unterschiedlich beurteilt.
Jedenfalls sind dem Rechtsnachfolger die Zwangsmittel (Verwaltungszwangsverfahren) erneut anzudrohen, da die Androhung des Verwaltungszwangs eine höchstpersönliche Regelung enthält, die darauf gerichtet ist, den höchstpersönlichen Willen des Pflichtigen zu beugen, und damit nicht übergangsfähig ist.
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