Disziplinarrecht
Beamte, Richter und Soldaten, aber auch Personen, die nur zeitweilig einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angehören (zum Beispiel Studenten einer Universität), können nicht einfach aus dem Dienst entfernt oder vom Studium ausgeschlossen werden, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Dies kann vielmehr nur auf Grund eines besonderen Verfahrens, des Disziplinarverfahrens, geschehen, in dem auch mildere Strafen, wie eine Gehaltskürzung, verhängt werden können. Dieses Verfahren wird in den Disziplinarordnungen (für Bundesbeamte in der Bundesdisziplinarordnung, Neufassung aus dem Jahre 1967) geregelt. Es ist so ähnlich aufgebaut wie ein Strafprozeß, mit besonderen Anklägern und -»Verteidigern. Hierfür gibt es auch besondere Gerichte, die Disziplinargerichte (für Bundesbeamte als letzte Instanz den Bundesdisziplinarhof mit Sitz in Berlin).
Jeder Beamte, Richter u. Soldat hat die ihm obliegenden Pflichten im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Schuldhafte Verletzung dieser Pflichten kann nach den Beamtengesetzen des Bundes u. der Länder sowie des SoldatenG.es zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens u. zur Anordnung von Disziplinarmassnahmen führen. Gleiches gilt auch für das Verhalten des Beamten ausserhalb des Dienstes, wenn es in besonderem Masse geeignet ist, die Achtung u. das Vertrauen in einer für das Amt des Betreffenden od. das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (auf leichter Fahrlässigkeit beruhende Verkehrsunfälle rechtfertigen z. B. i. d. R. die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht). Das formelle Disziplinarrecht ist in den Disziplinarordnungen (Disziplinarverfahren) geregelt.
ist das Recht der Maßnahmen gegen Dienstvergehen. Es ist Teil des Verwaltungsrechts, nicht des Strafrechts, weshalb Disziplinarmaßnahmen nicht dem Grundsatz ne bis in idem unterfallen. Das materielle D. legt Dienstvergehen und Disziplinarmaßnahmen fest, das formelle D. das Disziplinarverfahren durch den Dienstvorgesetzten bzw. das Verwaltungsgericht (Kammer für Disziplinarsachen), Oberverwaltungsgericht (Senat für Disziplinarsachen) und Bundesverwaltungsgericht (bis 31. 12. 2003 Disziplinargericht). Lit.: Moll, E., Das neue Disziplinarrecht, 2002
Umfassender Begriff für die Gesamtheit der für die Ahndung dienstlicher und schwerer außerdienstlicher von Beamten begangener Verfehlungen gegen Rechtsvorschriften des Beamtenrechtes, dessen wesentlicher Teil das Disziplinarrecht ist. Das materielle Disziplinarrecht beschäftigt sich mit der Frage, wann das Verhalten eines Beamten als Dienstvergehen zu qualifizieren ist. Aus Anlass eines solchen Dienstvergehens kommt dem formellen Disziplinarrecht die Aufgabe zu, ein geordnetes Verfahren für die Aufklärung und Ahndung der dienstrechtlichen Verfehlung des Beamten zur Verfügung zu stellen. Geregelt ist dieses Disziplinarverfahren in dem Disziplinargesetz des Bundes (Bundesdisziplinargesetz) und entsprechenden Landesdisziplinarordnungen. Zweck des Disziplinarrechtes ist es, die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu sichern und das Ansehen des Beamten in der Öffentlichkeit zu bewahren. Seiner Ordnungsfunktion folgend soll das Disziplinarrecht den Beamten zu künftiger ordentlicher Pflichterfüllung anhalten. Hat der Beamte durch sein Verhalten allerdings das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis vollends zerstört, kommt dem Disziplinarrecht die weitere Funktion zu, den Beamten aus dem Dienst zu entfernen (so genannte Lösungsfunktion). Durch die Bereitstellung eines geordneten Verfahrens schützt das Disziplinarverfahren aber zugleich den Beamten vor willkürlicher Disziplinarbefugnis des Dienstherrn und unberechtigter Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Unter bestimmten Voraussetzungen unterfallen auch Ruhestandsbeamte dem Disziplinarrecht, sofern sie fiktiver Dienstvergehen beschuldigt werden oder in ihrer Dienstzeit Dienstvergehen begangen haben sollen. Soweit Dienstvergehen von Soldaten, Soldaten im Ruhestand und früheren Soldaten in Rede stehen, gilt das besondere Wehr-disziplinarrecht.
1.
Das D. ist Teil des Beamtenrechts (s. a. Beamtenverhältnis) und umfasst die Gesamtheit der für die Ahndung dienstlicher Verfehlungen von Beamten geltenden Rechtsvorschriften. Kern des materiellen Disziplinarrechts ist der in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder enthaltene Begriff des „Dienstvergehens“, worunter jede schuldhafte Verletzung der dem Beamten obliegenden Pflichten verstanden wird (§ 47 BeamtStG, § 77 BBG; zu den einzelnen Pflichten des Beamten s. dort); ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist jedoch nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Falles in besonderem Maße geeignet ist, die Achtung und das Vertrauen in einer für das Amt des Betreffenden oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 I 2 BeamtStG, § 77 I 2 BBG). Inhalt des formellen Disziplinarrechts ist die Regelung des Aufbaues, der Zuständigkeit und der Befugnisse der im D. vorgesehenen Stellen (Disziplinargerichte, Disziplinarmaßnahmen) sowie die Regelung des Disziplinarverfahrens.
2.
Für den Bund ist das D. geregelt im Bundesdisziplinargesetz (BDG) v. 9. 7. 2001 (BGBl. I 1510) m. Änd. Die Länder haben damit inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmende Disziplinar-(Dienststraf-)ordnungen erlassen. Zweck des D. ist einerseits, das Vertrauen in das Beamtentum durch Wahrung der Disziplin und Ausschluss untauglicher Personen zu erhalten, andererseits die Rechtsstellung des Beamten selbst durch förmliche Ausgestaltung des Verfahrens und Einrichtung besonderer Disziplinargerichte zu festigen. Im Gegensatz zum allgemeinen Strafrecht gilt das Opportunitätsprinzip, d. h. der Dienstvorgesetzte und die Einleitungsbehörde entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen unter Würdigung der Tat, der Persönlichkeit des Beamten sowie seines gesamten dienstlichen und außerdienstlichen Verhaltens, ob disziplinäre Ahndung geboten ist. Für geringere Vergehen gilt eine Verjährungsfrist von 2 oder 3, sonst von 7 Jahren (§ 15 BDG). Erfüllt eine Dienstpflichtverletzung zugleich den Tatbestand eines Strafgesetzes, so ist neben der strafrechtlichen zugleich eine disziplinarrechtliche Ahndung durch Verweis, Geldbuße oder Kürzung des Ruhegehalts nicht zulässig; Kürzung der Dienstbezüge und Zurückstufung dürfen nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten (§ 14 BDG); das Disziplinargericht ist in gewissem Umfang an das Urteil im Strafverfahren, dem ein Vorrang zukommt, gebunden (Tatbestands-, Feststellungswirkung; § 23 BDG). Für Soldaten gilt die Wehrdisziplinarordnung i. d. F. v. 16. 8. 2001 (BGBl. I 2093) m. Änd., für Richter vgl. §§ 61- 68 DRiG und die Richtergesetze sowie Sonderbestimmungen der Disziplinarordnungen der Länder.
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