Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
Im Sozialrecht :
In der sozialen Entschädigung ist die Eingliederungshilfe eine der Hilfen in besonderen Lebenslagen der Kriegsopferfürsorge (§27d Abs. 1 Nr. 3 BVG). In der Kinder- und Jugendhilfe haben seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit für länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (§35a Abs.l S.l SGB VIII). Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist von einem Arzt für Kin- der- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder einem Arzt oder einem psychologischen Psychotherapeuten mit Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, der nicht dem Dienst oder der Einrichtung, die die Hilfe erbringt, an Hand der Internationalen Klassifikation der Krankheiten festzustellen (§35a Abs. 1 SGB VIII). Die Leistung wird entsprechend dem Be- darf in ambulanter Form, in Tageseinrichtungen für Kinder, in teilstationären Einrichtungen, durch geeignete Pflegepersonen und Einrichtungen über Tag und Nacht sowie in sonstigen Wohn- formen geleistet (§35a Abs. 2 SGB VIII). Der Leistungsinhalt entspricht der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. In der Sozialhilfe sollen mit der Eingliederungshilfe eine drohende Behinderung verhütet oder eine bereits eingetretene Behinderung oder deren Folgen beseitigt oder gemildert sowie behinderte Menschen in die Gesellschaft eingegliedert werden (§53 SGB XII). Durch die Eingliederungshilfe soll den behinderten Menschen vor allem die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert werden sowie ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit ermöglicht werden. Ferner soll die Eingliederungshilfe soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen (§53 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Anspruch auf Eingliederungshilfe hat, wer "durch eine Behinderung i.S.v. §2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in der Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht ist, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann (§53 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Ob die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft durch die Behinderung wesentlich beeinträchtigt ist, beurteilt sich nach den §§ 1-3 der Eingliederungshilfe-Verordnung. Körperlich wesentlich behindert sind (§ 1 EhVO) Personen, deren Bewegungsfähigkeit durch eine Beeinträchtigung des Stütz- oder des Bewegungsapparates in erheblichem Umfang eingeschränkt ist (Beispiele: Verlust oder Teilverlust von Armen oder Beinen, angeborene oder erworbene Missbildungen der Bänder, Gefässe, Nerven, Gelenke, Knochen, Cerebralparese, Querschnitt- oder andere Lähmung, Muskelschwund, (multiple) Sklerose, arterielle Durchblutungsstörungen in Beinen oder Armen, Beeinträchtigung des Bewegungssystems als Folge eines Schlaganfalls), Personen mit erheblichen Spaltbildungen des Gesichts oder des Rumpfes oder abstossend wirkende Entstellungen vor allem des Gesichts (Beispiele: Lippenspalten (Hasenscharte), Kiefer- und Gaumenspalten (Wolfsrachen, Hängelippen)), Personen, deren körperliches Leistungsvermögen infolge Erkrankung, Schädigung oder Fehlfunktion eines inneren Organs oder der Haut in erheblichem Umfang eingeschränkt ist (Beispiele: Herz-, Kreislauf-, Asthma-, Nieren-, Leber-, Darm-, fortgeschrittene Krebs-, Zucker-, Blut- und Stoffwechselkrankheiten), Blinde bzw. Sehbehinderte, bei denen mit Gläserkorrektur ohne besondere optische Hilfsmittel auf dem besseren Auge oder beidäugig im Nahbereich bei einem Abstand von mindestens 30 Zentimeter oder im Fernbereich eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,3 besteht oder hierdurch nicht erfasste Störungen der Sehfunktion von entsprechendem Schweregrad vorliegen, Personen, die gehörlos sind oder denen eine sprachliche Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen möglich ist (Beispiele: Taubstumme, Ertaubte), Personen, die nicht sprechen können, Seelentaube und Hör- stumme, Personen mit erheblichen Stimmstörungen sowie Personen, die stark stammeln, stark stottern oder deren Sprache stark unartikuliert ist. Seelentaube sind Personen, die die Lautsprache zwar hören, aber nicht verstehen können. Hörstumme sind Personen, die die Lautsprache verstehen, aber nicht sprechen können. Geistig wesentlich behinderte Menschen sind Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfang in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind (§2 der Eingliederungshilfe-Verordnung). Hiervon geht man bei einem IQ von unter 50 aus. Seelisch wesentlich behindert sind Menschen, bei denen seelische Störungen vorliegen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit zur Folge haben können (§3 Eingliederungshilfe-Verordnung). Seelische Störungen i.d.S. sind körperlich nicht begründbare Psychosen (Beispiele: Schizophrenie, manisch-depressive Erkrankungen), seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen (Beispiele: seelische Störungen auf Grund von Gehirnhautentzündungen, Epilepsie, endokrine Erkrankungen, Entstellungen des Körpers, Legasthenie), Suchtkrankheiten (Beispiele: Alkohol-, Drogen-, Tablettenabhängigkeit), Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (Beispiele: willensschwache, selbstunsichere, zwanghafte Personen). Andere Per- sonen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen können (Ermessen) Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten. Zu diesem Personenkreis gehören einerseits Menschen, die nicht wesentlich behindert sind oder bei denen die Behinderung nur vorübergehend ist. Leistungen der Eingliederungshilfe werden nur gewährt, wenn nach Art oder Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass deren Aufgabe erfüllt werden kann (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII besteht nicht, wenn der Berechtigte einen Anspruch gegenüber einem Rehabilitationsträger nach § 6 Nr. 1-6 SGB IX, also der gesetzlichen Krankenkasse, der Bundesagentur für Arbeit, einem gesetzlichen Unfallversicherungsträger, einem gesetzlichen Rentenversicherungsträger und einem Träger der Alterssicherung für Landwirte, dem Träger der Kriegsopferversorgung oder der Kriegsopferfürsorge sowie einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden nur geleistet, wenn dem Leistungsberechtigten und bestimmten Angehörigen nicht zugemutet werden kann, die erforderlichen Mittel aus eigenen Mitteln aufzubringen (§19 Abs. 3 SGB XII). Grundsätzlich beurteilt sich der Einsatz von Einkommen nach den §§82 ff. SGB XII und die Berücksichtigung des Vermögens nach den §§90f. SGB XII. Diese allgemeinen Grundsätze werden durch § 92 SGB XII aber erheblich modifiziert. Die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen werden in den §§54ff. SGB XII näher umschrieben. Ergänzt werden diese Regelungen durch die § § 6 ff. EhVO. Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen Leistungen der medizinischen Rehabilitation, der Teilhabe am Arbeitsleben, der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen (§54 Abs. 1 SGB
XI) . Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation ergeben sich zunächst aus §26 SGB IX; medizinische Rehabilitation). Zu den Leistungen nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII zählt ferner der ärztlich verordnete Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (vgl. §6 EhVO). Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergeben sich zunächst aus § 33 SGB IX; Teilhabe am Arbeitsleben). Ferner umfasst die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 54 SGB XII i.V.m. § 41 SGB und die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (§ 8 Abs. 1 S. 1 EhVO). Zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehören die in §55 SGB IX aufgezählten Leistungen (§54 Abs. 1 SGB XII; Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ferner beinhaltet die Hilfe andere Hilfsmittel. Dies sind (§9 Abs. 2 EhVO): Schreibmaschinen für Blinde, Ohnhänder oder solche behinderte Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf eine Schreibmaschine angewiesen sind, Verständigungsgeräte für Taubblinde, Blindenschrift-Bogenmaschine, Blindenuh- ren mit Zubehör, Blindenweckuhren, Tonbandgeräte mit Zubehör für Blinde, Blindenführhunde mit Zubehör, besondere optische Hilfsmittel, vor allem Fernrohrlupenbrillen, Hörgeräte, Hörtrainer, Weckuhren für behinderte Menschen, Sprachübungsgeräte für sprachbehinderte Menschen, besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist, Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und zur nichtberuflichen Verwendung bestimmte Hilfsgeräte für behinderte Menschen, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf diese Gegenstände angewiesen ist. Zusätzlich zu den allgemeinen Rehabilitationsleistungen sieht § 54 folgende Leistungen der Eingliederungshilfe vor: Hilfe für eine angemessene Schulausbildung, Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit (§54 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB XII) Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten (§54 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XII) und nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit ärztlicher und ärztlich verordneter Massnahmen und zur Sicherung der behinderten Menschen an der Teilhabe am Arbeitsleben (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB XII).
Körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behinderte Menschen erhalten, wenn sie nicht gleichartige Ansprüche gegen andere haben, Leistungen zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (Sozialhilfe). Diese Leistungen umfassen insbes. Hilfen zu einer angemessenen Schulausbildung, Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit und nachgehende Hilfen zur Sicherung der Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben (§§ 53 ff. SGB XII).
Medizinische und berufliche E. obliegt ferner der Rentenversicherung (§§ 9-32 SGB VI), der Unfallversicherung (§§ 35 ff. SGB VII), der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge (§§ 10 ff., §§ 25 ff. BVG), berufliche E. auch der Bundesagentur für Arbeit (§§ 97 ff. SGB III). S. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, schwerbehinderte Menschen.
Nach § 10 SGB I gehört die Eingliederung Behinderter in Arbeit und Gesellschaft zu den sozialen Rechten nach dem Sozialgesetzbuch. Dafür steht ein breit gefächertes System von persönlichen und finanziellen Hilfen zur Verfügung. An erster Stelle ist die berufliche Teilhabe, oftmals auch als berufliche Rehabilitation bezeichnet, zu nennen, denn diese bewirkt im Allgemeinen auch die soziale Integration. Die persönlichen und finanziellen Hilfen werden von dem zuständigen Träger der Rehabilitation nach dem ab 1.7. 2001 geltenden SGB IX bei Einschaltung sog. Servicestellen, §§ 22, 23 SGB IX, koordiniert. Grundsatz ist danach, wie bereits bei dem früher geltenden Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAngiG), dass die Rehabilitation der Rente vorgeht, § 8 SGB IX, wonach ausdrücklich die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben Vorrang vor Rentenleistungen hat. Im Übrigen werden begleitende Hilfen im Arbeits- und Berufsleben durch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, § 55 SGB IX, auch unter Einschaltung der sog. Integrationsfachdienste, § 109 SGB IX, für Menschen mit Behinderungen angeboten.
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