Gläubigerverzug (Annahmeverzug)

1.
Auch der Gläubiger eines Schuldverhältnisses kann - wie der Schuldner (Schuldnerverzug) - in Verzug geraten, wenn er die ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt (§§ 293 ff. BGB). Voraussetzung ist, dass die Leistung dem Schuldner nicht unmöglich ist (Unmöglichkeit der Leistung) und dem Gläubiger so angeboten wird, wie sie tatsächlich zu bewirken ist (§ 294 BGB, Leistungsort; sog. Realangebot). Ein wörtliches Angebot (Verbalangebot) genügt nur, wenn der Gläubiger bereits erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen (z. B. Freistellung nach der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses) oder wenn die Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist, z. B. der Gläubiger die Sachen abzuholen hat (Holschuld, § 295 BGB). Ist hierfür eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es auch des wörtlichen Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB).

2.
Der G. setzt - anders als der Schuldnerverzug - ein Verschulden des Gläubigers nicht voraus, tritt jedoch bei einer vorübergehenden Behinderung nur dann ein, wenn der Schuldner die Leistung rechtzeitig vorher angekündigt hat. Trotz Annahmebereitschaft tritt Annahmeverzug ein, wenn der Gläubiger eine fällige Gegenleistung (Zug um Zug) nicht zu entrichten bereit ist. Die Annahme ist an sich keine „Pflicht“ (Obliegenheit); wird im Einzelfall jedoch mehr verlangt (z. B. die Abnahme bei Kauf- und Werkvertrag), so gelangt der Käufer bei Nichtabnahme der Kaufsache sowohl in G. wie in Schuldnerverzug; die Voraussetzungen sind streng zu unterscheiden.

3.
Wirkungen: Der Schuldner hat während des G. hinsichtlich des Leistungsgegenstandes nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Verschulden, 2 a) zu vertreten (§ 300 I BGB); eine Zinspflicht bei einer Geldschuld erlischt (§ 301 BGB). Die Verpflichtung zur Herausgabe etwaiger Nutzungen beschränkt sich während des G. auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen (§ 302 BGB). Hat der Schuldner bewegliche Sachen zu leisten, so kann er sich durch Hinterlegung von seiner Schuld befreien (§§ 372 ff. BGB); bei einem Grundstück kann er nach Androhung den Besitz aufgeben (§ 303 BGB). Bei einem Dienst- oder Arbeitsvertrag besteht die Vergütungspflicht des Dienstherrn (Arbeitgebers) - bei Anrechnung anderweitigen Erwerbs oder ersparter Aufwendungen - fort (§ 615 BGB); anderes gilt i. d. R. im Falle der Freistellung. Schließlich geht bei einer Gattungsschuld die Gefahr des zufälligen Untergangs, sofern nicht bereits vorher eine Konkretisierung durch Auswahl eingetreten ist, auf den Gläubiger über (§ 300 II BGB). Über die Folge des G. beim gegenseitigen Vertrag s. dort.

Siehe auch: Verzug

(§§ 293 ff. BGB) liegt vor, wenn der Gläubiger seine Pflicht zur Mitwirkung bei der Erfüllung (Annahme der Leistung) nicht oder nur verspätet erbringt. Dabei handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Obliegenheitsverletzung durch den Gläubiger. Erforderlich ist grds. ein tatsächliches Angebot (§ 294 BGB) des Schuldners, wovon allerdings nach §§ 295, 296 BGB Ausnahmen zulässig sind. Entscheidend ist die Norm des § 297 BGB, nach der sich Unmöglichkeit beim Schuldner und G. gegenseitig ausschließen. Die Rechtsfolgen des G. sind in §§ 300 ff. BGB geregelt. Wichtig ist insbesondere § 300 I BGB, nach welchem der Schuldner während des G. nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet. Im G. kann der Schuldner gem. § 372 I BGB die Sache für den Gläubiger hinterlegen. Schließt er damit gleichzeitig die Rücknahme der Sache aus, hat die Hinterlegung Erfüllungswirkung, §§ 378; 376 II BGB. Auch im Arbeitsrecht ist Annahmeverzug möglich, wenn der AG nicht rechtzeitig die angebotene Arbeitsleistung des AN annimmt. Ansprüche des AN ergeben sich dann aus §§611, 615 S.1, 293 ff. BGB. Umstritten war v.a. immer wieder, in welcher Form der AN seine Arbeitsleistung anbieten muß, damit ein Annahmeverzug des AG bejaht werden kann. Während das BAG früher die Ansicht vertrat, der AN müßte bei gekündigten Arbeitsverhältnissen seine Arbeitsleistung noch tatsächlich anbieten, hat es später ein wörtliches Angebot i.S.v. § 295 BGB genügen lassen. Mittlerweile hält das BAG im Arbeitsrecht auch § 296 BAG für anwendbar. Denn der AG muß dem AN grundsätzlich einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, darin liegt seine erforderliche Mitwirkungshandlung. Indem der AG dem AN kündigt, bringt er zum Ausdruck, daß er dieser Verpflichtung nicht nachkommen will. Handelt es sich bei der Annahme nicht nur um eine Obliegenheit des Gläubigers, sondern um eine synallagmatische Hauptleistungspflicht, kommt der Gläubiger nicht nur in Gläubiger-, sondern gleichzeitig auch in Schuldnerverzug, mit der Folge, daß auch die §§ 320 ff. BGB anwendbar sind.

Verzug.

(§ 293 BGB) oder Annahmeverzug ist die Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens des Gläubigers, insbesondere der Annahme der Leistung. G. ist ein Fall der Leistungsstörung. Der G. erfordert eine Leistungspflicht des Schuldners, die Erfüllbarkeit der Schuld, die Möglichkeit der Leistung, das Angebot der Leistung oder dessen Entbehrlichkeit (§ 296 BGB) und die Nichtannahme bzw. Nichtmitwirkung seitens des Gläubigers. Seine Rechtsfolgen (§§ 300 ff. BGB) können Einschränkung des Vertretenmüs- sens, Gefahrübergang, Wegfall einer Zinspflicht, Einschränkung einer Nutzungsherausgabepflicht, Hinterlegungsrecht, Besitzaufgaberecht und Aufwendungserstattungsrecht sein. Lit.: Lammich, K., Gläubiger- und Schuldnerverzug, 2003

Annahmeverzug; Leistungsstörungen im Arbeitsrecht.




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