Versammlungsgesetz
regelt Einzelheiten des nach Art. 8 GG gewährten Grundrechts der Versammlungsfreiheit und beschränkt dieses teilweise, z.B. durch die Pflicht zu vorheriger Anmeldung (von Versammlungen und Aufzügen unter freiem Himmel).
Schränkt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein. Versammlungen unter freiem Himmel sind anzeigepflichtig. Behörde kann Auflagen machen oder Versammlung untersagen, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Menschenmenge.
ist das das Recht der — Versammlung betreffende Gesetz. Lit.: Ott, S./Waechtler, H., Gesetz über Versammlungen, 7. A. 2004
Das (Bundes-) Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz; VersG) bestimmt die Schranken des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) näher.
Gesetzgebungskompetenz: Das Versammlungsgesetz wurde aufgrund des Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG a. F. erlassen. Seit der Änderung des GG im Zuge der Föderalismusreform fällt das Versammlungsrecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Vorschriften des Versammlungsgesetzes gelten aber als Bundesrecht so lange fort, wie sie nicht durch Landesrecht ersetzt werden, Art. 125 a Abs. 1 GG. Bislang hat lediglich Bayern ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen (BayVersG). In Baden-Württemberg und Sachsen sind Landesgesetze in Vorbereitung.
Versammlungsbegriff: Für das Versammlungsgesetz ist nach h. M. der Versammlungsbegriff des Art. 8 GG zugrunde zu legen (Versammlungsfreiheit). Zu beachten ist, dass das Versammlungsgesetz weitergehend als Art. 8 GG auch Ausländern das Versammlungsrecht gewährt (§ 1 Abs. 1 VersG: „jedermann”) und als Gefahrenabwehrgesetz auch für unfriedliche Versammlungen gilt, die vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nicht erfasst sind.
Systematik: Das Versammlungsgesetz gilt gem. § 1 VersG nur für öffentliche Versammlungen. Regelungen für nicht öffentliche Versammlungen enthalten nur die §§ 3, 28 VersG (Uniformverbot), § 21 VersG (Strafbarkeit einer Versammlungssprengung) und § 23 VersG (Aufruf zur Teilnahme an einer verbotenen oder aufgelösten Versammlung). Eine Versammlung ist öffentlich, wenn der Zutritt zur Versammlung nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt ist. Der Ausschluss bestimmter Personen („alle, außer ...”, vgl. § 6 Abs. 1 VersG.) führt nicht zum Wegfall des Merkmals der Öffentlichkeit. Wenn der Kreis der Teilnehmer durch Mitgliedschaft in einer Partei oder einem Verein abgegrenzt ist, ist die Versammlung grundsätzlich nicht öffentlich. Entscheidend sind aber die tatsächlichen Umstände. Werden wahllos Gäste zugelassen, ist die Versammlung auch dann öffentlich, wenn der Veranstalter zunächst zu einer nicht öffentlichen Versammlung eingeladen hatte.
Das Versammlungsgesetz unterscheidet im weiteren wegen der unterschiedlichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit und der unterschiedlichen Einschränkungsmöglichkeiten der Versammlungsfreiheit zwischen öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen (§§5-13 VersG) und öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel (§§ 14-20 VersG). Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung des zeitlichen, persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs des Versammlungsgesetzes. Das Versammlungsgesetz hat zum einen Konzentrationswirkung. Das bedeutet, dass für Verhaltensweisen, die typischerweise mit der Durchführung einer Versammlung verbunden sind, ansonsten nach anderen Gesetzen erforderliche Erlaubnisse nicht eingeholt werden müssen. Für die Durchführung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel bedarf es trotz der damit verbundenen unüblichen Benutzung von Straßen daher weder einer straßen- oder wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis noch einer Erlaubnis nach der Straßenverkehrsordnung. Etwas anderes gilt für Straßenbenutzungen, die mit der Durchführung der Versammlung nicht zwingend verbunden sind (was in der Regel bei der Aufstellung von Imbissund Verkaufsständen der Fall sein wird).
Zum anderen ist im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ausgeschlossen. Aufgrund dieser Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes wird von der Polizeifestigkeit — besser Polizeirechtsfestigkeit — der Versammlung gesprochen. In zeitlicher Hinsicht gilt für Maßnahmen gegen (potenzielle) Versammlungsteilnehmer: Das Versammlungsgesetz gilt grundsätzlich nur dann, wenn eine Versammlung (schon oder noch) vorliegt. Deswegen gilt das Versammlungsgesetz grundsätzlich nicht für Maßnahmen gegen potenzielle Versammlungsteilnehmer im Vorfeld der Versammlung (vgl. aber § 17 a VersG). Für Anreisekontrollen etwa ist das allgemeine Polizeirecht anwendbar, es sei denn, die Anreise selbst stellt bereits eine Versammlung in Form eines Aufzuges dar (z.B. Sternfahrt). Unabhängig davon ist die Anreise zu einer Versammlung durch Art. 8 GG geschützt. Entsprechendes gilt für Maßnahmen gegen Versammlungsteilnehmer nach Ende der Versammlung. Die Auflösung einer Versammlung ist ein rechtsgestaltender Akt, der zur Folge hat, dass eine Versammlung nicht mehr besteht. Sie begründet versammlungsrechtlich nur noch die Pflicht, sich zu entfernen (§ 13 Abs. 2, § 18 Abs. 1 VersG). Mangels Versammlung ist die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes erloschen. Die Durchsetzung der Pflicht, sich zu entfernen, erfolgt auf Grundlage des allgemeinen Polizeirechts, in der Regel durch Platzverweis. Die Pflicht zur Beseitigung von Straßenverunreinigungen (vgl. z. B. § 7 Abs. 3 FStrG) wird durch das Versammlungsgesetz nicht verdrängt, da sie nicht die Durchführung der Versammlung, sondern die Beseitigung ihrer Folgen betrifft. Der Versammlungsveranstalter, nicht der Versammlungsleiter, haftet aber nur dann, wenn ihm die Verunreinigung zuzurechnen ist. Dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein, weil der Veranstalter die Verunreinigungen nicht selbst herbeigeführt hat. Im Übrigen sind die Auswirkungen einer etwaigen Reinigungspflicht auf Art. 8 GG zu beachten.
In persönlicher Hinsicht gilt die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes nur für Maßnahmen gegen die Versammlung oder die Versammlungsteilnehmer. Maßnahmen gegen Nichtteilnehmer sind aufgrund des allgemeinen Polizeirechts möglich (Störungsverbot).
In sachlicher Hinsicht gilt die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes nur für öffentliche Versammlungen. Eine analoge Anwendung des Versammlungsgesetzes auf nicht öffentliche Versammlungen scheidet nach h. M. wegen der ausdrücklichen Regelung in § 1 VersG aus. Gegen nicht öffentliche Versammlungen kann daher (nur) auf Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts eingeschritten werden. Da nicht öffentliche Versammlungen regelmäßig nicht unter freiem Himmel, sondern in geschlossenen Räumen stattfinden werden, ist auch hier bei der Anwendung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zu berücksichtigen, dass Versammlungen in geschlossenen Räumen grundsätzlich nur zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts beschränkt werden dürfen. Im Übrigen ist zu beachten, dass das Versammlungsgesetz nur auf die Abwehr versammlungstypischer Gefahren ausgerichtet ist. Die Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes entfällt und ein Rückgriff auf andere Gefahrenabwehrgesetze ist zulässig, wenn es um ein Einschreiten wegen versammlungsuntypischer Gefahren geht, wie z.B. wegen Feuer- oder Einsturzgefahr im Versammlungsgebäude oder Ansteckungsgefahr bei Seuchenverdacht.
1.
Durch das G über Versammlungen und Aufzüge v. 15. 11. 1978 (BGBl. I 1789) m. Änd. (Versammlungsgesetz-VersG) werden die Schranken des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) näher bestimmt. Nach § 1 VersG hat jedermann das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Dieses Recht besitzt nicht, wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verwirkt hat (Verwirkung von Grundrechten), wer die Ziele einer für verfassungswidrig erklärten Partei fördern will, ferner nicht eine für verfassungswidrig erklärte Partei oder nach Art. 9 II GG verbotene Vereinigung. Rechtsradikale Organisationen, die nicht verboten sind, können sich aber wie jedermann auf die Versammlungsfreiheit berufen (OVG Berlin B. v. 11. 3. 2000, NJW 2000, 3586). Der Veranstalter muss in der Einladung seinen Namen angeben. Störungen von Vers. und Aufzügen sind untersagt. Niemand darf ohne behördliche Ermächtigung Waffen bei sich tragen. Das Uniformverbot (§ 3 VersG) untersagt, öffentlich oder in Versammlungen Uniformen, Uniformteile oder ihnen gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung zu tragen; Jugendverbänden kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden.
2.
Das V. unterscheidet öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge. Demonstrationen fallen unter den Begriff der Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge. Der Begriff Demonstration ist kein Gesetzesbegriff.
a) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge (§§ 14 ff. VersG) sind der zuständigen Behörde mindestens 48 Stunden vorher anzuzeigen (Erlaubnis nicht erforderlich); sie dürfen verboten oder von entsprechenden Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den Umständen die öffentliche Ordnung und Sicherheit unmittelbar gefährdet ist. Eine Versammlung kann insbes. verboten oder von besonderen Auflagen abhängig gemacht werden, wenn die Versammlung an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender u. überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert; das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist kraft Gesetzes ein solcher Ort (vgl. i. E. § 15 VersG); der Landesgesetzgeber kann weitere Orte bestimmen, auf die die o. g. Kriterien kraft Gesetzesbefehl zutreffen. Innerhalb der Befriedeten Bezirke können sie nur unter besonderen Voraussetzungen genehmigt werden (§ 16 VersG). Schutzbewaffnung und Vermummung sind für ihre Teilnehmer verboten (§ 17 a VersG). Noch nicht abschließend geklärt ist die Problematik der im V. nicht erwähnten Spontandemonstration (vgl. dazu BVerwG NJW 1967, 1191), d. h. von Versammlungen oder Aufzügen, die ohne Vorbereitung aus aktuellem Anlass spontan entstehen. Die h. M. bejaht ihre Zulässigkeit, wenn der mit der Versammlung verfolgte Zweck bei Einhaltung der Anmeldefrist nicht mehr erreicht werden kann und wenn Gemeinschaftsinteressen (deren Schutz die Anzeigepflicht dient) nicht unzumutbar beeinträchtigt werden.
b) Versammlungen in geschlossenen Räumen (§§ 5 ff. VersG) dürfen nur im Einzelfall verboten werden und nur dann, wenn dem Veranstalter das Versammlungsrecht nicht zusteht, wenn bewaffneten Teilnehmern Zutritt gewährt oder wenn ein gewalttätiger oder aufrührerischer Verlauf angestrebt wird. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine bereits stattfindende Versammlung von der Polizei aufgelöst werden.
3.
Strafbar oder ordnungswidrig sind die unzulässige Durchführung von Versammlungen oder Aufzügen, die öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an ihnen, die Verwendung bewaffneter Ordner, die Teilnahme unter Mitführen von Waffen oder Schutzwaffen, Verstoß gegen das Uniformverbot und das Vermummungsverbot oder gegen Ordnungsvorschriften (§§ 23 ff. VersG). Dem Schutz des Versammlungsrechts dienen Straf- oder Bußgeldvorschriften gegen die Störung von Versammlungen und Aufzügen (§§ 21, 22 I Nr. 4 VersG). Bei Versammlungen darf die Polizei nur unter bestimmten Voraussetzungen Bild- und Tonaufnahmen anfertigen (§ 12 a VersG). S. a. Demonstrationsdelikte, Landfriedensbruch.
Vorheriger Fachbegriff: Versammlungsfreiheit | Nächster Fachbegriff: Versammlungsleiter