Opferschutz
Die Rechtsstellung des Opfers einer Straftat wird im Rahmen eines Strafverfahrens durch zahlreiche Regelungen bestimmt. Zunächst kann das Opfer eine Strafanzeige erstatten und so veranlassen, dass die Strafverfolgung gegen den Täter aufgenommen wird. Sofern der Täter ermittelt wird, kann das Opfer sich auch am weiteren Strafverfahren beteiligen. Es kann gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen und gegebenenfalls über ein Klageerzwingungsverfahren die Staatsanwaltschaft dazu zwingen, Anklage gegen den Beschuldigten zu erheben.
* Kommt es nach dem Abschluss der Ermittlungen zu einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft, dann kann sich das Opfer bei bestimmten Straftaten, z. B. bei Sexualdelikten oder Verstößen gegen das Urheberrechtsgesetz, dem Strafverfahren als Nebenkläger anschließen. In dieser Position hat es ein Fragerecht bei Zeugenvernehmungen und darf auch dann an der Hauptverhandlung teilnehmen, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.
* Wird der Angeklagte wegen der den Nebenkläger betreffenden Tat verurteilt, so muss er grundsätzlich die Kosten des Nebenklägers tragen. Wurde das Opfer von der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen, so kann es selbstständig Privatklage erheben, um die Verurteilung des Täters zu erreichen. Siehe auch Nebenklage
Das Opfer als Zeuge
Auch wenn das Opfer als Zeuge vernommen wird, sind seine Interessen weitgehend zu schützen. So dürfen ihm Fragen, die ihm oder einem seiner Angehörigen "zur Unehre gereichen", nur dann gestellt werden, wenn sie zur Wahrheitsfindung unerlässlich sind. Dies gilt ebenso für Fragen, die den persönlichen
Lebensbereich des Zeugen oder seiner Angehörigen betreffen. Damit will man vor allem bei Straftaten mit sexuellem Hintergrund verhindern, dass das Intimleben des Opfers im Rahmen der Zeugenaussage in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird.
Wird ein Opfer unter 16 Jahren als Zeuge vernommen, dann hat die Befragung ausschließlich durch den Vorsitzenden zu erfolgen, sofern dieser nicht eine Befragung durch andere Beteiligte zulässt. So soll vermieden werden, dass der Jugendliche bloßstellenden und aggressiven Fragen, etwa durch den Verteidiger des Angeklagten, ausgesetzt wird.
Rückgabe von beschlagnahmten Sachen
Dem Schutz des Opfers einer Straftat dient auch die Vorschrift, nach der bewegliche Sachen, wie etwa Diebesgut, das beschlagnahmt worden ist, dem Verletzten herausgegeben werden müssen, wenn nicht Ansprüche Dritter dem entgegenstehen und diese Dinge nicht mehr im Strafverfahren benötigt werden.
§ 111k StPO
Entschädigungsansprüche des Opfers
Im so genannten Adhäsionsverfahren kann das Opfer bereits innerhalb eines Strafprozesses Entschädigungsansprüche geltend machen. Gibt der Strafrichter dem Antrag nicht statt, muss ein Zivilprozess angestrengt werden.
Kann der Täter nicht ermittelt werden oder ist der gefasste Täter mittellos, so hat das Opfer gegebenenfalls Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz.
Das Opfer einer Gewalttat kann für einen erlittenen Gesundheitsschaden Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz beanspruchen, beispielsweise die notwendige Heilbehandlung oder Rehabilitationsmaßnahmen. Entschädigungsleistungen gewähren auch gemeinnützige Organisationen wie etwa der "Weiße Ring" (Opfernotruf: 0130-3499).
Wenn jemand durch ein Kraftfahrzeug verletzt wird, das nicht versichert ist, zahlt die Verkehrsopferhilfe Entschädigungen. Das gilt unter Umständen auch bei Fahrerflucht, wenn der Schadensverursacher nicht zu ermitteln ist.
Durch das Opferschutzgesetz, das zahlreiche Vorschriften der StPO (Strafprozess), aber auch Bestimmungen anderer Gesetze (z. B. GVG, StGB) geändert hat, sind die Rechte der durch eine Straftat Verletzten, namentlich der Opfer schwerer Straftaten (z.B. Vergewaltigung, Geiselnahme, schwere Körperverletzung), erweitert worden. Der Verletzte kann sich im Strafverfahren des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen. Der Anwalt hat ein Akteneinsichtsrecht, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten u. anderer Personen nicht entgegenstehen u. erhebliche Verfahrensverzögerungen vermieden werden. Wird der Verletzte als Zeuge vernommen, so kann einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit gestattet werden. Bei bestimmten Straftaten kann sich der Verletzte der Anklage der Staatsanwaltschaft als Nebenkläger anschliessen (Nebenklage) und schon vor Erhebung der öffentlichen Klage einen Anwalt in Anspruch nehmen (mit der Folge, dass dem Beschuldigten zur Wahrung der Gleichbehandlung ein Verteidiger zu bestellen ist). Er erhält Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der ZPO, wenn die Sach- u. Rechtslage schwierig und wenn ihm die selbständige Wahrnehmung seiner Interessen nicht möglich oder zumutbar ist. Dem Anwalt ist bei richterlichen Vernehmungen u. bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins die Anwesenheit zu gestatten, falls dadurch nicht der Untersuchungszweck gefährdet wird. Auf die genannten Befugnisse ist der Verletzte hinzuweisen. Im übrigen wird er auf Antrag über den Ausgang des Verfahrens unterrichtet, soweit es ihn betrifft (s.i.e. §§ 406dff., 140 II StPO). Im Interesse des Persönlichkeitsschutzes sollen bei seiner Zeugenvernehmung Fragen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist (§68a I StPO); aus diesem Grunde ist auch die Möglichkeit, in der Hauptverhandlung die Öffentlichkeit auszuschliessen, erleichtert worden (§ 171 b GVG). Dem O. wird ferner dadurch Rechnung getragen, dass das Gericht bei der Strafzumessung auch das Bemühen des Täters berücksichtigt, den Schaden wiedergutzumachen u. einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (§ 46 II StGB); darüber hinaus kann die Vollstreckungsbehörde dem zu einer Geldstrafe verurteilten Straftäter Zahlungserleichterungen gewähren, um die Wiedergutmachung des Schadens zu erleichtern (§ 459 a I StPO).
Der Verletzte oder sein Erbe kann gem. § 403 StPO gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen Ersatzanspruch im Strafverfahren geltend machen (sog. Adhäsionsverfahreri), und zwar vor dem Amtsgericht auch dann, wenn dessen zivilprozessuale Zuständigkeit überschritten ist (also bei einem Streitwert, Zivilprozess).
Das O. Ges. (= Erstes Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren) vom 18. 12. 1986 (BGBl. I 2496) hat das Recht der Nebenklage neu geregelt und dem Verletzten im Strafverfahren weitergehende Befugnisse eingeräumt (§§ 406 d-406 h StPO; §§ 171 b, 175 II 2 GVG), die durch das ZeugenschutzG vom 30. 4. 1998 (BGBl. I 820) noch gestärkt wurden (§§ 58 a, 68 b, 168 e, 247 a, 255 a, 397 a StPO). Durch das OpferanspruchssicherungsG vom 8. 5. 1998 (BGBl. I 905) wurde ein gesetzliches Pfandrecht des Verletzten an einer Forderung begründet, die der Täter oder Teilnehmer im Hinblick auf eine öffentliche Darstellung der Tat erwirbt. Durch das G zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20. 12. 1999 (BGBl. I 2491) wurde der Täter-Opfer- Ausgleich als eigenes strafprozessuales Instrument in §§ 153 a, 155 a und 155 b StPO verankert. Durch das OpferrechtsreformG v. 24. 6. 2004 (BGBl. I 1354) und das 2. OpferrechtsreformG v. 29. 7. 2009 (BGBl. I 2280) wurden die Verfahrens- und Informationsrechte des Verletzten gestärkt, die Belastungen des Verletzten durch Vernehmungen verringert und die Regelung der Schadenswiedergutmachung im Strafprozess verbessert.
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