Unterhaltspflicht unter Verwandten
1.
Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie (Verwandtschaft) verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, also z. B. auch Kinder ihren Eltern. Die folgenden Ausführungen gelten im Grundsatz auch für die U. gegenüber minderjährigen Kindern (über Besonderheiten siehe unten) sowie im Verhältnis zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern und ihrem Kind (über einzelne Sonderregelungen s. hier Unterhaltspflicht bei nicht miteinander verheirateten Eltern); s. a. Adoption. Eine weitergehende Unterhaltspflicht, z. B. unter Geschwistern oder Verschwägerten, besteht nicht. Die gesetzliche Unterhaltspflicht (Grenzen s. u.) ist zwingenden Rechts, kann aber durch eine vertragliche Regelung modifiziert werden. Die u. a. Vorschriften gelten grundsätzlich auch im Gebiet der ehem. DDR (Art. 234 § 1 EGBGB). Haben die Sozialhilfebehörden einen Unterhaltsberechtigten aus öffentlichen Mitteln unterstützt, so können sie dessen Unterhaltsanspruch durch Anzeige an den Unterhaltsverpflichteten auf sich überleiten (§§ 90, 91 BSHG, ab. 1. 1. 2005 §§ 93, 94 SGB XII). S. a. Schaden (Ersatz).
2.
Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs unter V. ist die Bedürftigkeit des Berechtigten (anders Zumutbarkeit) und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (§§ 1602, 1603 BGB). Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, d. h. wer vermögenslos und erwerbsunfähig ist; die freiwillige Leistung eines Dritten befreit von der Unterhaltspflicht nicht. Ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann darüber hinaus Unterhalt von seinen Eltern auch dann verlangen, wenn es Vermögen besitzt, die Einkünfte aus dem Vermögen und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt aber nicht ausreichen. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen nicht in der Lage ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (Selbstbehalt; Eigenbedarf); Eltern müssen aber gegenüber unverheirateten minderjährigen Kindern (ggf. bis zu deren 21. Lebensjahr) alle verfügbaren Mittel einsetzen, sofern nicht andere leistungsfähige Unterhaltspflichtige vorhanden sind. Zur Durchsetzung des Anspruchs kann Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verpflichteten verlangt werden (§ 1605 BGB).
3.
Rangfolge: Die Unterhaltspflicht der Ehegatten oder Lebenspartner geht der U. u. V. vor (§ 1608 BGB); über die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten Scheidungsunterhalt. Unter den V. haften die Abkömmlinge vor den V. der aufsteigenden Linie, unter den Abkömmlingen und den V. der aufsteigenden Linie selbst jeweils die näheren vor den entfernteren (also z. B. der Sohn vor dem Enkel, dieser wieder vor dem Vater des Bedürftigen). Mehrere gleich nahe Verwandte, z. B. die Eltern, haften anteilig - d. h. nicht als Gesamtschuldner (Gesamtschuld) - nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 BGB). Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine U. i. d. R. durch dessen Pflege und Erziehung; i.übr. gelten - auch bei Getrenntleben oder aufgelöster Ehe - weitgehend die Grundsätze der Unterhaltspflicht der Ehegatten. An Stelle eines leistungsunfähigen Verwandten tritt der nächstberufene Verwandte; das Gleiche gilt, soweit die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Unterhaltsanspruch des Verwandten geht dann auf den Unterhalt leistenden Verwandten über (§ 1607 BGB).
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Verpflichtete außerstande allen Unterhalt zu gewähren, so gilt nach § 1609 BGB folgende Rangfolge: 1) Minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder bis zu 21 Jahren, die sich im Haushalt eines Elternteils und in allgemeiner Schulausbildung befinden (gleichgültig, ob diese aus einer früheren oder der jetzigen Beziehung stammen, ehelich oder nicht ehelich sind), 2) Elternteile mit Anspruch auf Betreuungsunterhalt (Scheidungsunterhalt, 3), 3) sonstige Ehegatten, 4) Kinder, die nicht unter Nr. 1 fallen, 5) Enkel und weitere Abkömmlinge, 6) Eltern, 7) weitere Verwandte der aufsteigenden Linie (nähere gehen den entfernteren vor).
4.
Grundsätzlich ist der nach der Lebensstellung des Bedürftigen angemessene Unterhalt in einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente zu gewähren (§§ 1610, 1612 BGB); Eltern können aber gegenüber einem unverheirateten (auch volljährigen) Kind die Art der Unterhaltsgewährung grundsätzlich frei bestimmen, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird (insbes. durch Gewährung von Kost, Unterkunft und Taschengeld); entgegen dieser Bestimmung kann eine Geldrente (Wohnkostenbedarf) nur unter besonderen Voraussetzungen (z. B. unerträgliche Spannungen) verlangt werden (wirksam auch bei Überleitung des Unterhaltsanspruchs auf einen Dritten, z. B. BAföG, BGH NJW 1981, 574). Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf, insbes. die Kosten der Erziehung und Ausbildung, für Bekleidung, Verpflegung, Versicherung, Krankheitskosten, Prozesskostenvorschüsse u. a., nicht jedoch die Befreiung von Schulden (Aufwendungen infolge Körper- oder Gesundheitsschäden grds. in Höhe hierfür in Anspruch genommener Sozialleistungen, § 1610 a BGB).
5.
Ein minderjähriges Kind (gleichgültig, ob ehelich oder nichtehelich) kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, auf jeden Fall den U. als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem steuerlichen Kinderfreibetrag. Er beträgt bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 87%, für die Zeit vom 7.-12. Lebensjahr 100% und ab dem 13. Lebensjahr 117% des doppelten Kinderfreibetrags (je Monat 1/12 hiervon), mindestens aber 279, 322 bzw. 365 EUR (§ 1612 a BGB). Das auf das Kind entfallende Kindergeld und sonstige kindbezogene Leistungen sind zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden (also auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen), und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine U. durch Betreuung des Kindes erfüllt, in allen anderen Fällen in voller Höhe (§§ 1612 b, c BGB). Zum Verfahren (auf Festsetzung und Abänderung) s. Unterhaltssachen; s. a. Unterhaltsvorschuss (bei Säumnis des Verpflichteten).
6.
Der Unterhaltsanspruch erlischt grundsätzlich mit dem Tod des Berechtigten oder des Verpflichteten, an dessen Stelle der Nächstverpflichtete tritt (§ 1615 BGB); im Falle des Todes des Berechtigten hat der Verpflichtete die Beerdigungskosten zu tragen, sofern sie nicht von den Erben zu erlangen sind (Nachlassverbindlichkeiten). Die einzelnen Raten des Unterhaltsanspruchs unterliegen der regelmäßigen Verjährung (1). Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung grdsätzl. nur verlangen, wenn der Verpflichtete in Schuldnerverzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig (Rechtshängigkeit) geworden war (§ 1613 I BGB). Diese Einschränkung gilt nicht für einen unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarf (Sonderbedarf, z. B. Krankheitskosten), sofern er innerhalb eines Jahres seit seiner Entstehung geltend gemacht wird oder für den Zeitraum, in dem der Berechtigte aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fallen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs verhindert war (§ 1613 II BGB). Im Interesse des Berechtigten und zur Vermeidung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel kann auf den Unterhalt für die Zukunft nicht durch Vertrag verzichtet werden (§ 1614 BGB); hierdurch wird jedoch eine angemessene Unterhaltsvereinbarung nicht ausgeschlossen. Für die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf die Höhe des Verfahrenswerts sachlich zuständig. Zur Privilegierung des Unterhaltsanspruchs in der Zwangsvollstreckung s. § 850 d ZPO. Zum Verfahren des Familiengerichts s. Unterhaltssachen. Zur U. eines Soldaten Unterhaltssicherung.
7.
Steuerlich: Belastungen, außergewöhnliche; Kinder, steuerliche Berücksichtigung.
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