Scheidungsunterhalt
Ist ein Ehepartner im Falle der Scheidung der Ehe nicht in der Lage, den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, insbesondere seinen Unterhalt nicht selbst zu verdienen, so hat er einen Anspruch gegen den anderen Ehepartner auf Unterhaltsleistungen. Auszugehen ist allerdings von dem Grundsatz, dass sich jeder Partner nach einer Scheidung selbst unterhalten müsste. Wer kleine Kinder zu versorgen hat, kann üblicherweise den Unterhalt für die verbliebene Familie nicht selbst verdienen, weil er sich um die Erziehung der Kinder kümmern muss. Wer schon zu den älteren Semestern zählt - und das beginnt in unserer Arbeitswelt aufgrund nicht nachvollziehbarer Überlegungen vieler Personalchefs schon reichlich früh - kann ebenfalls oft keine Erwerbstätigkeit mehr aufnehmen, wenn er nicht gerade besonders gesuchte Spezialkenntnisse hat. Wer deshalb bedürftig wird - bedürftig in dem Sinne, dass er selbst seinen Unterhalt nicht bezahlen kann
muss vom Ehepartner Ausgleichszahlungen bekommen - ebenso wie ein Krankgewordener. In diesen zunächst recht einfach und vielen Menschen zugänglich und verständlich erscheinenden Vorschriften verbergen sich natürlich auch viele Sonderfälle und besondere Härten. In einer intakten Ehe kann ein Nettoeinkommen von 2.500,00 EUR, das in etwa dem Durchschnittseinkommen deutscher Haushalte entspricht, ein zufriedenstellendes und angenehmes Leben gewährleisten. Trennen sich die Partner, so muss jeder für eine eigene Wohnung bezahlen. Auch die Lebenshaltungskosten können sich erhöhen, weil es im Schnitt immer noch billiger ist, für eine grössere Familie zu kochen als für zwei kleinere Einheiten.
Auch für die nun entstandenen kleineren Familieneinheiten sind nicht das gleiche, wie für das vorher dagewesene Ehepaar mit Kindern. Erhebliche Streitigkeiten um den Unterhalt sind deshalb oft die Folge.
Zunächst muss das Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten festgestellt werden - eine Angelegenheit, die bei einem normalen Arbeitnehmer oder einem Beamten keine grossen Schwierigkeiten bereitet. Zwar hat jedes Oberlandesgericht und oft noch innerhalb der Gerichte jeder Senat seine eigenen Vorstellungen, was wie in welcher Höhe angerechnet oder abgezogen werden darf, das Ergebnis dessen, was dem Nettoeinkommen abgezogen oder hinzugerchnet wird, liegt jedoch vielfach nicht weit auseinander. Von diesem sich ergebenden »anrechenbaren Nettoeinkommen« sind zunächst die Unterhaltsbeiträge für eventuell vorhandene Kinder nach dem Berechnungsmodus der Düsseldorfer Tabelle abzuziehen. Was dann als noch anrechenbares Einkommen verbleibt, wird zu 3/7 auf den Unterhaltsberechtigten und 4/7 auf den Unterhaltsverpflichteten aufgeteilt. Durch das höhere dem Unterhaltsverpflichteten verbleibende Einkommen soll diesem wenigstens ein gewisser Anreiz gegeben werden, auch weiterhin für sich und die unterhaltsberechtigten Personen zu arbeiten. Soweit eine unterhaltsberechtigte Person durch eigene Leistungen zu ihrem Unterhalt beitragen kann, z. B. weil die zu erziehenden Kinder bereits ein Alter erreicht haben, in dem sie auch wenigstens einige Stunden alleingelassen werden können, besteht auch eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Wer nicht nachweisen kann, dass er alles erdenklich Mögliche getan hat, um dieser Verpflichtung nachzukommen, muss sich eventuell Unterhaltsbeiträge anrechnen lassen, die er hätte verdienen können, auch wenn er sie tatsächlich nicht verdient hat. Auch damit soll ein Unterhaltsberechtigter verpflichtet werden, nach der Scheidung der Ehe alles zu tun, um selbst seinen Unterhalt zu verdienen.
Für die Höhe des Scheidungsunterhalts ist darüber hinaus von den Verhältnissen während der Dauer der Ehe auszugehen. In diesen von den Gerichten immer wieder unterschiedlich interpretierten Tatsachen, stecken ebenfalls viele Probleme des Scheidungsunterhaltsrechts. Als besonders krass wird- einmal andersherum - eine Ehe gesehen, bei der eine gut verdienende Ärztin einen Hilfsarbeiter geheiratet hat. Die gemeinsamen Aufwendungen werden aufgrund der gegebenen Verhältnisse in erster Linie von der Frau getragen. Nach einiger Zeit stellen sich doch aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung und Interessenslage Probleme in der Ehe ein, die schliesslich zur Scheidung führen. Zumindest über einen längeren Zeitraum - der Bundesgerichtshof lässt inzwischen in solchen Fällen Befristungen zu - muss die Ärztin ihrem schlecht ausgebildeten Gatten über Jahre hinweg einen Aufstockungsunterhalt bezahlen, mit dem erreicht werden soll, dass dieser den Lebensstandard während der Dauer der Ehe behalten kann.
1.
Nach der Ehescheidung besteht eine Unterhaltspflicht der Ehegatten nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen. Als Grundsatz gilt die Eigenverantwortung, d. h. jeder Ehegatte hat nach der Scheidung für seinen Unterhalt (anders Kindesunterhalt Unterhaltspflicht unter Verwandten) selbst zu sorgen. Nur wenn er hierzu nicht in der Lage ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf S. (§ 1569 BGB).
2.
Ein geschiedener Ehegatte kann danach von seinem früheren Ehepartner Unterhalt verlangen, wenn, soweit und solange eine eigene Erwerbstätigkeit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes (sog. Betreuungsunterhalt), wegen Alters, Krankheit oder sonstiger Gebrechen nicht erwartet werden kann (§§ 1570-1572 BGB; im letzteren Fall ist aber ggfs. der Versorgungsausgleich zu berücksichtigen). Der Betreuungsunterhalt ist für mindestens 3 Jahre ab der Geburt des Kindes zu zahlen; seine Dauer verlängert sich, soweit dies unter Berücksichtigung der Gestaltung der Kinderbetreuung (z. B. Anspruch auf Kindergartenplatz), der Erwerbstätigkeit in der Ehe und deren Dauer der Billigkeit entspricht (§ 1570 BGB; Entsprechendes gilt für die Unterhaltspflicht bei nicht miteinander verheirateten Eltern). Auch soweit diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, besteht ein Unterhaltsanspruch insoweit, als der geschiedene Ehegatte nach der Ehescheidung eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht zu finden vermag oder eine zunächst gefundene trotz seiner Bemühungen (d. h. unverschuldet) wieder verloren hat; ggfs. ist der Differenzbetrag zum vollen Unterhalt zu zahlen (§ 1573 BGB). Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es (Obliegenheit), soweit möglich eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung - ggfs. nach Fortbildung und Umschulung -, dem Lebensalter, dem Gesundheitszustand des Ehegatten sowie den ehelichen Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und des Vorhandenseins gemeinsamer Kinder entspricht (§ 1574 BGB). Durch diese Regelung soll insbes. der in der Ehe nicht berufstätig gewesene Ehegatte geschützt, ihm die Wiedereingliederung in das Berufsleben erleichtert und der während des Verlaufs der Ehe erlangte soziale Status erhalten werden. Zu diesem Zweck kann ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während dieser eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, Unterhalt verlangen, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, alsbald zu erlangen, sofern der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist; gleiches gilt, wenn er sich fortbilden oder umschulen lässt, um die Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind (§ 1575 BGB). Generell kann darüber hinaus ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen (z. B. frühere Mitarbeit im Geschäft des anderen Ehegatten, langjährige Pflege; nicht aber allein aus Gründen, die zum Scheitern der Ehe geführt haben) eine eigene Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre (§ 1576 BGB). Durch diese sog. positive Billigkeitsklausel soll sichergestellt werden, dass jede ehebedingte Unterhaltsbedürftigkeit erfasst wird.
3.
Der Unterhaltsanspruch setzt - wie stets (s. i. E. Unterhaltspflicht unter Verwandten) - die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und die Bedürftigkeit des Berechtigten voraus. Demgemäß kann Unterhalt nicht verlangt werden, soweit der Berechtigte sich aus seinen Einkünften (aus angemessener Erwerbstätigkeit, Ausbildungsbeihilfen usw.) und aus seinem Vermögen (nicht Verwertung des Stammes, soweit unwirtschaftlich oder unbillig) selbst unterhalten kann (§ 1577 BGB). Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen; es umfasst den gesamten Lebensbedarf (§ 1578 BGB). Hierzu zählt auch der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung (BGH NJW 2001, 2255); Familien- und Erwerbsarbeit sind grundsätzlich gleichwertig (BVerfG NJW 2002, 1185). Umgekehrt braucht der Verpflichtete Unterhalt trotz Bedürftigkeit des Berechtigten nur insoweit zu leisten, als er hierzu ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage ist und dies der Billigkeit entspricht (d. h. ggfs. sind erhöhte Anstrengungen und Opfer zumutbar), § 1581 BGB. Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, (auf den angemessenen Lebensbedarf) herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, z. B. weil die Ehe nur von kurzer Dauer war (Einzelfall entscheidet), der Berechtigte sich einer vorsätzlichen Straftat gegen den Verpflichteten (oder gegen nahe Angehörige) schuldig gemacht hat, seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt oder selbst vor der Trennung seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat oder sonst ein Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt (§§ 1578 a, 1579 BGB). Durch diese negative Härteklausel soll zwar nicht wie früher eine Verschuldensprüfung hinsichtlich der Gründe für die Ehescheidung eingeführt werden; es wird aber verschiedentlich grob unbillig sein, dem Ehegatten, der selbst die Zerrüttung der Ehe verursacht hat oder dem sonst ein eindeutiges Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt, einen Unterhaltsanspruch zuzubilligen.
4.
Der Umfang eines Unterhaltsanspruchs bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB; für Körper- und Gesundheitsschäden Unterhaltspflicht unter Verwandten). Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, einer angemessenen Versicherung für Krankheit sowie bei Bedürftigkeit infolge Kinderbetreuung usw. auch für den Fall des Alters sowie der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (sog. Vorsorgeunterhalt; zur Berechnung vgl. i. E. BGH NJW 1981, 1556). Die Bedürftigkeit kann für Elementar- und Vorsorgeunterhalt nur einheitlich beurteilt werden. Der laufende Unterhalt ist durch Zahlung einer monatlich im Voraus fälligen Geldrente zu gewähren (§ 1585 I BGB); daneben kann ggfs. wegen eines Sonderbedarfs (z. B. infolge Krankheit) Unterhalt auch für die Vergangenheit verlangt werden (§§ 1585 b, 1613 II BGB). Zur Durchsetzung des Anspruchs kann Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1580 BGB) und ggfs. Sicherheitsleistung (§ 1585 a BGB) verlangt werden.
Rangfolge: Der unterhaltspflichtige Ehegatte haftet vor den Verwandten des anderen Ehegatten, soweit er leistungsfähig ist (§ 1584 BGB). Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden, so richtet sich der Rang des geschiedenen Ehegatten nach den Vorschriften über die Unterhaltspflicht unter Verwandten (3), §§ 1582, 1609 BGB. Der Unterhaltsanspruch erlischt mit der Wiederverheiratung oder mit dem Tode des Berechtigten (§ 1586 BGB), nicht aber mit dem Tode des Unterhaltsverpflichteten (§ 1586 b BGB; hier geht die Unterhaltspflicht bis zur Höhe des dem Berechtigten ohne Ehescheidung zustehenden Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit auf die Erben des Verpflichteten über); im letzteren Fall kann bei Vorhandensein waisenrentenberechtigter Kinder, die vom Berechtigten erzogen werden, daneben ein Anspruch auf Erziehungsrente in Betracht kommen.
5.
Die vorstehenden Vorschriften sind dispositiv. Die Ehegatten können deshalb - auch schon vor der Ehescheidung (hier notarielle Beurkundung erforderlich; s. Form, 1 c) - über die Unterhaltspflicht Vereinbarungen treffen (§ 1585 c BGB). Gegenstand eines solchen Unterhaltsvertrags, kann z. B. ein Unterhaltsverzicht oder eine Abfindung sein. Ein Unterhaltsvertrag ist nicht schon deshalb unwirksam, weil er die Ehescheidung ermöglicht oder erleichtert hat; er kann aber im Einzelfall wegen Gesetzesverstoßes oder Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB) nichtig sein (z. B. bei Täuschung des Gerichts über einen in Wirklichkeit nicht vorhandenen Grund für das Scheitern der Ehe).
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