Kirche
Im Arbeitsrecht :
1. Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV ordnet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst. Das Arbeitsrecht gilt nicht für solche Personen, die in einem so engen Verhältnis zur Kirche stehen, dass sie einen Stand der Kirche bilden (Mönche, Nonnen) sowie für die Kirchenbeamten. Für sie ist der Rechtsweg zu den ArbG nicht gegeben (AP 37 zu Art. 140 GG = NJW 90, 2082; Schirlberg ZeVKR 91, 42). Im übrigen gilt grundsätzl. das staatl. Arbeitsrecht. Ausnahmen gelten nur für solche Vorschriften, durch die die Kirche anders und stärker als sonstige AG betroffen wird (BVerfG AP 1, 5 zu Art. 140 GG; BVerfG NJW 86, 367 = DB 85, 2103). Der Arbeitskampf ist nach h. M. im kirchl. Bereich unzulässig. Dagegen steht den kirchl. Mitarbeitern Koalitionsfreiheit zu. Jedoch kann die Kirche nicht zum Abschluss von Tarifverträgen gezwungen werden. 2. Wegen der Regelungen der Arbeitsbedingungen wurden die sog. drei Wege vertreten. Nach dem 1. Weg gilt der Grundsatz, dass die Einzelarbeitsverträge in einer einheitlichen Form abgeschlossen werden, die ihrerseits durch Kirchengesetze bestimmt sind. Nach dem 2. Weg werden die Arbeitsbedingungen durch kollektivrechtliche Vereinbarung geregelt. Wenngleich die Kirche nicht zum Abschluss von Tarifverträgen gezwungen werden kann, kann sie solche abschliessen. Hierzu hat sich nur eine ev. Landeskirche bereit erklärt (vgl. v. 16. 6. 1993 - 4 AZR 446/92 -). Nach dem sog. 3. Weg entspricht die einseitige Festlegung der Arbeitsbedingungen nicht mehr den heutigen Verhältnissen. Zur Herbeiführung einer einheitlichen Vertragsordnung haben die Kirchen anstelle des Tarifsystems auf der Basis des Leitbildes einer christlichen Dienstgemeinschaft ein eigenständiges Beteiligungsmodell mit arbeitsrechtlichen Kommissionen entwickelt (vgl. Richtlinie des Rates der EKD für ein Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, Arbeitsrechts-Regelungsgesetz-ARRG v. 9. 10. 1976 AB1-EKD 398 sowie Arbeitsvertragsrecht in der Kirche und die Beteiligung der Mitarbeiter an der Schaffung u. Fortentwicklung arbeitsvertraglicher Regelungen (KODA), Arbeitshilfen 16 u. 16a v. 1. 5. 1980 (Grethlein Beil. 1 zu NZA 86; ZekR 37, 1 (1992); Pahlke NJW 86, 350; Richardi ZfA 84, 109; Beil. 1 zu NZA 86; Sander Beil. 1 zu NZA 86; Zeuner ZfA 85, 127; Zetl/Bauer ZTR 91, 150). In den K. u. ihren Einrichtungen gelten Mitarbeitervertretungsgesetze u. Mitarbeitervertretungsordnungen (Struck ZRP 92, 290). Das Individualarbeitsrecht ist in Arbeitsvertragsrichtlinien geregelt, die zumeist dem BAT nachgebildet sind. Für die Bediensteten des Diakonischen Werkes gelten Arbeitsvertragsrichtlinien (Stand: Juli 1993). Vergleichbare Richtlinien gelten für die Bediensteten der Caritas (Stand: Dez. 1993). Für die Eingruppierung der Mitarbeiter gelten daher ähnliche Grundsätze wie im öffentl. Dienst (Eder ZTR 93, 319). Die AVR haben nicht die Rechtsnatur eines Tarifvertrages. Sie bedürfen der vertraglichen Inbezugnahme. Es ist umstr., ob sie von tarifdispositivem Recht abweichen können. Nach richtiger Auffassung ist im Laufe der Zeit eine offene Regelungslücke erwachsen, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung dahin zu schliessen ist, dass eine Abweichung wirksam ist. Verneinend für das Verfahrensrecht (AP 9 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; AP 36 = NJW 89, 549 = NZA 88, 842). Für Formvorschriften: AP 1 zu § 7 AVR Caritasverband = NZA 88, 425; unentschieden: AP 1 zu § 20a AVG = DB 87, 1594. In neuen Gesetzen sind sog. Kirchenklauseln vorgesehen (Jurina Beil. 1 zu NZA 86). Nach § 118 II BetrVG gilt das BetrVG nicht für die Kirche und ihre Einrichtungen (AP 10 zu § 118 BetrVG 1972; AP 3 zu § 130 BetrVG 1972 = DB 87, 2658; AP 36 zu § 118 BetrVG 1972 = NJW 88, 3283; BVerfG DB 77, 2379; Presseverband: AP 48 zu § 118 BetrVG = NZA 91, 977; privatrechtliche Einrichtungen v. 10. 12. 1992 - 2 AZR 271/92 - NZA 93, 593). An seiner Stelle gelten Mitarbeitervertretungsordnungen. Die staatlichen Gerichte sind nicht befugt darüber zu entscheiden, welche Wählbarkeitsvoraussetzungen die Kirchen aufstellen (AP 25 zu Art. 140 GG = NJW 86, 2591). Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben (AP 34 zu Art. 104 GG = NJW 89, 2284; v. 9. 9. 1992 - 5 AZR 456/91 - NZA 93, 597).
3. Auf die AN der Kirche ist grundsätzlich das KSchG anzuwenden (AP 2 zu Art. 140 GG). Indes ist eine Kündigung dann sozial gerechtfertigt, wenn sich der AN zur Tendenz der Kirche in Gegensatz setzt (AP 2 zu Art. 140 GG). Als gerechtfertigt wurde eine Kündigung angesehen, wenn eine Kindergärtnerin in einem kath. Kin-
dergarten o. Lehrerin einer Missionsschule einen nicht laisierten kath. Priester o. einen geschiedenen Mann heiratet (AP 2, 3, 7 zu Art. 140 GG; AP 20 = NJW 85, 1855; Britz PersV 90, 338), eine Fachlehrerin für Gymnastik und Textilgestaltung bei ihrer Anstellung an einer kath. Privatschule den Kirchenaustritt verschweigt (AP 4 zu Art. 140 GG), ein Assistenzarzt aus der Kirche austritt (AP 21 zu Art. 140 GG = NJW 85, 2151), ein in der Konfliktberatung eingesetzter AN des diakonischen Werkes sich homosexuell betätigt (AP 15 zu Art. 140 GG = NJW 84, 1917), ein Chefarzt in einem kathol. Krankenhaus sich für die künstl. Insemination ausspricht (v. 7. 10. 93 — 2 AZR 226/93 —), ein an einem kath. Krankenhaus angestellter Arzt sich öffentlich für den Schwangerschaftsabbruch ausspricht (AP 14 zu Art. 140 GG = DB 83, 2778). Jedoch stehen nicht alle AN in einer solchen Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben, dass sie sich voll mit den Lehren der Kirche identifizieren müssen u. deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird, wenn sie sich in ihrer privaten Lebensführung nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre halten (AP 7 zu Art. 140 GG; AP 14 zu Art. 140 GG = DB 83, 2778). So ist eine Kündigung als ungerechtfertigt angesehen worden, wenn ein Buchhalter in einem Jugendheim aus der Kirche austritt (AP 16 zu Art. 140 GG = NJW 84, 2596). Demgegenüber hat das BVerfG (NJW 86, 367 = DB 85, 2103) entschieden, dass sich nach den von den verfassten Kirchen gesetzten Massstäben richtet, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können. In Streitfällen haben die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Massstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde-zulegen, soweit die Verfassung das Recht der Kirche anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Ihnen bleibt danach grundsätzlich überlassen, verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche u. ihre Verkündigung erfordert, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- u. Sittenlehre sind u. was als ggf. schwerer Verstoss gegen diese anzusehen ist (Lit.: Dütz Beil. 1 zu NZA 86; NJW 90, 2025; Krüger ZTR 91, 11; Mummenhoff NZA 90, 585; Rüthers NJW 86, 356; Spengler NZA 87, 833; Struck NJW 91, 249; Zachert, PersR 92, 443). Zu kirchlichen Anstalten haben anstaltsfremde Gewerkschaftsvertreter kein Zutrittsrecht (BVerfG AP 9 zu Art. 140 GG) zum Zwecke der Werbung (AP 10 zu Art. 140 GG). Vor einem kirchlichen Verwaltungsgericht können solche Rechtsanwälte ausgeschlossen sein, die keiner Kirche angehören (BVerwG AP 8 zu Art. 140 GG). Lit.: Richardi NZA 94, 19; Vogler RdA 93, 257; zur Altersgrenze Jacobs ZeVKR 93, 307.
(Art. 140 GG, 137 WRV) ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie ist eine Religionsgesellschaft. Die Zugehörigkeit zu den Kirchen beginnt mit der Taufe und endet mit dem Tod oder dem Austritt. Die römisch-katholische K. ist nach ihrem Selbstverständnis die alleinige, wahre K., die von Christus zum Wohle der Menschheit gestiftet worden ist und dem Papst als Stellvertreter Christi und Nachfolger Petri als sichtbare Organisation untersteht. Die evangelische K. (Landeskirche) sieht sich als Gemeinschaft der Gläubigen, in deren Mittelpunkt das E- vangelium Jesu Christi steht, wie es in der Bibel bezeugt und in den Bekenntnissen der von Martin Luther 1517 ausgelösten Reformation verbindlich ausgelegt ist. Lit.: Heintzen, M., Die Kirchen im Recht der Europäischen Union, in: Dem Staate was des Staates ist, hg. v. Isensee, J. u.a., 1999; Klostermann, G., Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, 2000; Schliemann, H., Die neue Ordnung der Kirchengerichtsbarkeit in der evangelischen Kirche in Deutschland, NJW 2005, 392
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