Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)
1.
Das „Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz - EALG)“ v. 27. 9. 1994 (BGBl. I 2624) ist das Ergebnis eines langen, außergewöhnlich komplizierten und kontroversen Gesetzgebungsverfahrens. Es enthält in 13 Artikeln (Artikelgesetz) insgesamt 10 neue bzw. Änderungsgesetze. Von besonderer Bedeutung sind das Entschädigungsgesetz (Art. 1 EALG; unten 2.), das Ausgleichsleistungsgesetz (Art. 2 EALG; unten 3.), das NS- Verfolgtenentschädigungsgesetz (Art. 3 EALG; unten 5.), das Schuldbuchbereinigungsgesetz (Art. 8 EALG) und das Vertriebenenzuwendungsgesetz (Art. 9 EALG; unten 5.); im Übrigen ändert das EALG mehrere andere Gesetze (Steuerrecht Art. 4, 5 EALG).
Über Wiedergutmachung für DDR-Unrecht s. weiter Offene Vermögensfragen, Rehabilitierungsgesetze (strafrechtliches, verwaltungsrechtliches und berufliches Rehabilitierungsgesetz).
2.
Das „Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz - EntschG)“ v. 27. 9. 1994 (BGBl. I 2624) m. Änd. ergänzt das Vermögensgesetz (Offene Vermögensfragen). Letzteres zielt grundsätzlich auf Rückübertragung der in der DDR rechtswidrig entzogenen Vermögensgegenstände (Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“, wenn auch mit verschiedenen Ausnahmen). Das EntschG regelt nun die Fälle, in denen Rückgabe nach dem VermG ausgeschlossen ist (§§ 4 I und II, 6 I 1 und 11 V EntschGgen Unmöglichkeit oder redlichen Erwerbs Dritter) oder der Berechtigte statt Rückgabe Entschädigung gewählt hat (§§ 6 VII, 8 I und 11 I 2 VermG); weitere Fälle von Ansprüchen auf Entschädigung s. §§ 1, 2 EntschG. In mehreren Fällen wird Entschädigung ausgeschlossen, z. B. wenn Grundstücke auf Grund nicht kostendeckender Mieten durch Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden. Außerdem wird keine Entschädigung gewährt bei bestimmten Ansprüchen, die schon im Lastenausgleich befriedigt wurden, bei Vermögensverlusten bis 1000 DM und Verlusten, die schon Gegenstand von Entschädigungsabkommen waren (Einzelheiten vgl. § 1 IV EntschG). Der Entschädigungsanspruch wird durch Zuteilung von übertragbaren Schuldverschreibungen des Entschädigungsfonds erfüllt, die mit dem vollen Betrag am 1. 1. 2004 fällig werden, von da an in 5 gleichen Jahresraten durch Auslosung getilgt und ebenfalls von da an mit 6 v. H. nachträglich verzinst werden (erste Zinsfälligkeit also am 1. 1. 2005); zu Einzelheiten vgl. § 1 I EntschG. Gemäß § 2 EntschG bestimmt sich die Höhe der Entschädigung nach der Bemessungsgrundlage, von welcher Verbindlichkeiten, erhaltene Gegenleistungen oder Entschädigungen, zurückgegebene Vermögensgegenstände (§ 6 EntschG) und Kürzungsbeträge abgezogen werden. In den §§ 3-5 EntschG werden die Bemessungsgrundlagen für Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen, für Unternehmen und für Forderungen und Schutzrechte eingehend geregelt. Die Kürzungsbeträge nach § 7 EntschG bedeuten, dass Entschädigungen über 10 000 DM nach einer Tabelle progressiv gekürzt werden (von 30 v. H. bis zu 95 v. H. des 3 Millionen übersteigenden Betrages). Die Entschädigungen werden aus einem nicht rechtsfähigen (gleichwohl aber klageberechtigten und verklagbaren) Sondervermögen des Bundes (Entschädigungsfonds) erbracht, das vom Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen auf Weisung und unter Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen verwaltet wird (§ 9 EntschG). § 10 EntschG behandelt die Einnahmen des Fonds. Für die Durchführung des EntschG gelten die Bestimmungen des VermG entsprechend (vgl. dort §§ 30-38). Ist ein Anspruch auf Rückübertragung aus den Gründen des § 3 III VermG unanfechtbar abgewiesen, so entscheidet das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen über einen Antrag des Betroffenen auf Entschädigung; dieser Antrag muss binnen einer Ausschlussfrist von 6 Monaten gestellt werden. Vgl. auch IV.
3.
a) Das „Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz - AusglLeistG) v. 27. 9. 1994 (BGBl. I 2624) m. Änd. regelt Ausgleichsleistungen für Personen, die Vermögenswerte im Sinne von § 2 II VermG durch entschädigungslose Enteignung im Beitrittsgebiet verloren haben (natürliche Personen, auch Erben und Erbeserben). In diesen Fällen (Enteignungen 1945-1949, insbes. auch Zerschlagung des Großgrundbesitzes) ist nach dem Einigungsvertrag (vgl. Art. 41 I EinigV) eine Rückgabe ausgeschlossen (zur Verfassungsmäßigkeit BVerfGE 84, 90). Im Gegensatz zu Enteignungen nach 1949 musste der Gesetzgeber hier die Voraussetzungen für Ausgleichsleistungen (das „Ob“) auch dem Grunde nach festlegen, was er im AusglLeistG getan hat. Für verschiedene Fälle von Vermögensverlusten in diesem Zeitraum werden nach § 1 III AusglLeistG keine Leistungen gewährt (z. B. Reparationsschäden, Restitutionsschäden, Zerstörungsschäden u. a.). Die Ausgleichsleistungen werden grundsätzlich entsprechend den §§ 1-8 EntschG (s. oben II) gewährt (§ 2 I 2 AusglLeistG). Eine Restitutions-(Rückgabe-)regelung trifft § 5 I AusglLeistG für bewegliche Sachen (Ausnahmen entsprechend dem VermG bei Unmöglichkeit, redlichem Erwerb). Kulturgut, das zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt ist (auch Ausstattung denkmalgeschützter, der Öffentlichkeit zugänglicher Gebäude), bleibt auf die Dauer von 20 Jahren dem öffentlichen Gebrauch gewidmet (§ 5 II, III AusglLeistG).
b) Im voluminösen und gesetzestechnisch schwierigen § 3 AusglLeistG wird der Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen geregelt (Privatisierung des auf die Treuhandanstalt übergegangenen Landwirtschafts- und Forstvermögens). Grundsätzlich erwerbsberechtigt sind die sog. Wiedereinrichter, Neueinrichter, u. U. auch juristische Personen (Nachfolgegesellschaften der früheren Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften - LPG) sowie nach 1949 Enteignete, die ihr Eigentum nicht zurückerhalten können, sowie zwischen 1945 und 1949 Enteignete. Zu Einzelheiten vgl. § 3 AusglLeistG. In dieser Vorschrift ist auch das Ausmaß des Erwerbsrechts detailliert geregelt.
4.
Eine gute Übersicht über Grundsätze, Einzelheiten und verfassungsrechtliche Probleme des EntschG und des AusglLeistG (z. B. die „Wertschere“, die dadurch entsteht, dass der nach dem VermG Restitutionsberechtigte mit der Rückgabe den Verkehrswert erlangt, während die Entschädigung i. d. R. nur einen Bruchteil hiervon beträgt) gibt Schmidt-Preuß, NJW 1994, 3249.
5.
Das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz (Art. 3 EALG) gibt Verfolgten des NS-Regimes Wiedergutmachung in Geld nach den Grundsätzen des alliierten Rückerstattungsrechts. Das Vertriebenenzuwendungsgesetz (Art. 9 EALG) sieht die einmalige Zahlung von 4000 DM an Vertriebene vor, die ihren Wohnsitz in den neuen Ländern genommen haben. Die Fälligkeit ist nach dem Lebensalter gestaffelt.
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