Kartellrecht
Allgemein gebräuchliche Bezeichnung für diejenigen Rechtsvorschriften, die eine Verzerrung des Wettbewerbs durch die Bildung von Monopolen und durch Absprachen der Anbieter untereinander zum Nachteil der Verbraucher (Kartelle) verhindern sollen. Sie sind im wesentlichen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das im Jahre 1990 neu gefaßt worden ist, zusammengefaßt, das neuerdings zunehmend durch Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) ergänzt wird. Das GWB enthält in seinem ersten Abschnitt das grundsätzliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Kartelle), läßt jedoch Ausnahmen für sogenannte Konditionen-, Rabatt-, Strukturkrisen-, Rationalisierungs- und Außenhandelskartelle zu. Diese müssen aber der Kartellbehörde gemeldet und von ihr registriert und genehmigt werden. Im zweiten Abschnitt wird die früher übliche Preisbindung für den Zwischen- und Einzelhandel aufgehoben (Preisempfehlung). Der dritte Abschnitt unterstellt marktbeherrschende Unternehmen (Monopole) einer Kontrolle durch die Kartellbehörde, insbesondere einer Kontrolle neuer Zusammenschlüsse (Fusionen). Im vierten Abschnitt werden zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung von und Schadensersatz bei wirtschaftlicher Diskriminierung (Boykott) gegeben. Im zweiten Teil wird ein Katalog von Ordnungswidrigkeiten aufgestellt, wobei die Geldbuße bis zum Dreifachen der verbotenermaßen erzielten Erlöse gehen und damit auch für größere Unternehmen empfindlich sein kann. Im dritten Teil wird die Einrichtung von Kartellbehörden vorgeschrieben, an der Spitze das Bundeskartellamt mit Sitz in Berlin. Der vierte Teil regelt das Verfahren in Kartellsachen (Beschwerde an das für den Sitz der jeweils entscheidenden Kartellbehörde zuständige Oberlandesgericht, bei Entscheidungen des Bundeskartellamtes also an das Kammergericht in Berlin; Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof).
. Das K. umfasst die Rechtsnormen, die den freien wirtschaftlichen Wettbewerb vor Beeinträchtigungen durch Kartelle, d. h. Abreden von Unternehmen über gemeinsames Marktverhalten, schützen sollen. Von besonderer Bedeutung ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz). Wettbewerbsrecht.
ist die Gesamtheit der den Schutz der Entscheidungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet - insbesondere gegenüber Kartellen - betreffenden Rechtssätze. Das K. enthält u.a. Schuldrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht. Es ist vor allem im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) geregelt. Lit.: Emmerich, V., Kartellrecht, 10. A. 2006; WettbR/ KartR, 24. A. 2003; Schultz, K./Wagemann, M., Kartell- rechtspraxis und Kartellrechtsprechung, 21. A. 2006; Langen, E./Bunte, H., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. A. 2006; EG-Kartellrecht (Lbl.), hg.v. Ensthaler, J./Stopper, M., 2001; Bunte, H., Kartellrecht, 2003; Dietze, v./Janssen, Kartellrecht in der anwaltlichen Praxis, 3. A. 2007; Loewenheim, U./Meessen, K./Riesenkampff, A., Kartellrecht, 2005; Bechtold/Bosch/Brinker u.a., EG-Kartellrecht, 2005; Lettl, /., Kartellrecht, 2005; Bechtold, R. u.a., Die 7. GWB-Novelle und die Entwicklung des deutschen Kartellrechts, NJW 2005, 2966; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007
Das Kartellrecht beinhaltet das GWB und die Wettbewerbsregeln in den Europäischen Verträgen und den zu ihrer Durchführung ergangenen Verordnungen (insbes. VO/EG 1/2003). Es ist abzugrenzen vom Wettbewerbsrecht, das in erster Linie das UWG umfasst. Das GWB sichert die Freiheit des Marktzugangs, also das „Ob” von Wettbewerb, während das UWG die Lauterkeit des Wettbewerbs schützt, also das „Wie” des Wettbewerbs. Allerdings bestehen teilweise Überschneidungen, da der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. §§ 19f. GWB auch eine unlautere Wettbewerbshandlung i. S. v. § 3 UWG sein kann.
Das nationale Kartellrecht des GWB besteht in seinem materiellrechtlichen Kern aus drei Säulen: Dem Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 1 GWB), dem Missbrauchsverbot (§§ 19-21 GWB) und der Zusammenschlusskontrolle (§§35-43 GWB). Während die §§ 1 GWB Wettbewerbsbeschränkungen durch mehrere Parteien regulieren, findet das Missbrauchsverbot auf einseitige Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung. Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle sind hingegen auf Fusionen oder andere gesellschaftsrechtliche Kooperationen anwendbar und sollen eine übermäßige Unternehmenskonzentration verhindern.
Das materielle europäische Kartellrecht findet sich im Wesentlichen in den Art. 81 u. 82 EG, der zu ihrer Durchführung ergangenen Verordnung VO/EG 1/2003 und den einzelnen Gruppenfreistellungsverordnungen. Art. 81 EG verbietet Verhaltensweisen, die den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes behindern und Art. 82 EG den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt.
Damit besteht inhaltlich eine Konkurrenz zwischen nationalem und europäischem Kartellrecht. Durch die am 1.7. 2005 in Kraft getretene 7. GWB-Novelle (BGBl. I 2005, 2114) hat der nationale Gesetzgeber die Vorschriften des GWB den europäischen Vorschriften weitgehend angepasst. Er war dazu durch Art. 3 Abs. 2 VO/EG 1/2003 verpflichtet, der für alle Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigen können\', einen uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts anordnet. Damit hätte der Gesetzgeber für rein innerstaatliche Sachverhalte zwar abweichende Regelungen treffen können, hat darauf aber bewusst verzichtet, um die schwierige Abgrenzung, ob eine Verhaltensweise geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen oder nicht, entbehrlich zu machen (vgl. BT-Drucks. 15/3640, S. 22). Im Hinblick auf das Verbot einseitiger wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen gem. Art. 82 EG bleiben den Mitgliedsstaaten jedoch größere Gestaltungsspielräume. Gem. Art. 3 Abs. 2 S.2 VO/EG 1/2003 dürfen die Mitgliedsstaaten in ihrem Hoheitsgebiet ausdrücklich strengere nationale Vorschriften erlassen. Der nationale Gesetzgeber hat davon Gebrauch gemacht und die Missbrauchsaufsicht der §§ 19-21 GWB im Wesentlichen unverändert gelassen. § 22 GWB regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen nationalem und europäischem Kartellrecht aus Sicht des GWB und ist somit ein „Spiegelbild” zu Art. 3 VO/EG 1/2003.
Gern. § 22 Abs. 1 S. 1 GWB kann das nationale Kartellrecht auch auf mehrseitige Wettbewerbsbeschränkungen mit zwischenstaatlichen Auswirkungen angewendet werden. Allerdings darf dies gem. § 22 Abs. 2 S. 1 GWB nicht dazu führen, dass eine nach europäischem Kartellrecht erlaubte Verhaltensweise verboten wird. Dem europäischen Kartellrecht kommt damit Anwendungs- nicht aber Geltungsvorrang zu. § 22 Abs. 3 GWB trifft eine ähnliche Regelung für einseitige Wettbewerbsbeschränkungen, wobei hier gern. § 22 Abs. 3 S.3 GWB die Anwendung weitergehender Vorschriften des GWB unberührt bleibt.
1. Das K. dient dem Schutz des Wettbewerbs als zentralen Strukturelements der Wirtschaftsordnung nicht nur vor Kartellen, sondern auch sonstigen Beschränkungen; dagegen wird der Leistungswettbewerb zwischen einzelnen Konkurrenten durch das Lauterkeitsrecht, insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, geschützt. Regelungen des Marktverhaltens (Vereinbarungen zwischen Marktteilnehmern, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen) können den Wettbewerb beeinträchtigen; dann sind sie sowohl als Horizontalvereinbarungen als auch als Vertikalvereinbarungen verboten, wenn sie nicht freigestellt sind (Freistellung im K.). Der Wettbewerb kann auch durch die Marktbeherrschung eines Marktteilnehmers beeinträchtigt werden; hat ein Marktteilnehmer eine marktbeherrschende Stellung, so trifft ihn ein Missbrauchsverbot (Ausbeutungsmissbrauch, Behinderungsmissbrauch, Diskriminierungsverbot im K.). Im Rahmen der Fusionskontrolle wirkt das K. dem Entstehen oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung entgegen.
2. Das europäische K. ist auf Verhaltensweisen anwendbar, die geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu berühren. Art. 101 AEUV regelt das grundsätzliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und die Voraussetzungen für dessen Ausnahmen; verschiedene Gruppenfreistellungsverordnungen konkretisieren die Freistellungsvoraussetzungen für bestimmte Gruppen von Vereinbarungen und einige Branchen. Art. 102 AEUV enthält ein Verbot des Missbrauchs von Marktmacht. Die Durchsetzung der Art. 101 u. 102 AEUV ist in der Kartellverfahrensverordnung geregelt. Die europäische Fusionskontrolle ist in der Fusionskontrollverordnung geregelt.
3. Das deutsche K. ist seit 1958 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt. Seine Verbote finden wegen des Vorrangs des europäischen Kartellrechts (europäisches Recht) nur noch in Fällen ohne Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel Anwendung, sind aber seit dem 1. 7. 2005 auch insoweit dem europäischen K. weitgehend angeglichen. Eigenständige Regelungen betreffen noch Mittelstandskartelle, die Landwirtschaft (vgl. § 28 GWB) und die Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften (vgl. § 30 GWB).
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