Verwaltungsgerichtsbarkeit
Gerichtsbarkeit, die unabhängig von der Verwaltung deren Entscheidungen auf Verlangen des Bürgers nachprüft. Sie ist zuständig für alle öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit nicht bundesgesetzlich eine Sonderregelung (z.B. bei vermögensrechtlichen Ansprüchen aus Aufopferung, für die die Zivilgerichte zuständig sind) besteht. Als V. wird nur die allgemeine V. bezeichnet, nicht jedoch die besondere V., wie z.B. Sozialgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit. Die V. wird durch Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte (in einigen Bundesländern als Verwaltungsgerichtshöfe bezeichnet) und das Bundesverwaltungsgericht (mit Sitz in Berlin) ausgeübt.
ist die für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (allgemeine, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, § 40 I VwGO) zuständige Gerichtsbarkeit. Sie dient der gerichtlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns. Sie wird durch Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe und das Bundesverwaltungsgericht ausgeübt. Voraussetzung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist regelmäßig die Durchführung eines Vorverfahrens (WiderspruchsVerfahrens, §§ 68 ff. VwGO). In der V. gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz (Offizialmaxime). Rechtsgeschichtlich hat sich die V. in der Mitte des 19. Jh.s (Rechtsstaat) entwickelt (Baden 1863). Lit.: Schoch, F., Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000; Kaufmann, M., Untersuchungsgrundsatz und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2002; Kussel, S., Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2003
Bezeichnung der Rechtsprechung in öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art. Neben der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, die durch Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte und vom Bundesverwaltungsgericht wahrgenommen wird, bestehen besondere Verwaltungsgericht Finanzgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit).
ist die Rechtsprechung in Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung. Der Begriff beschränkt sich heute auf die allgemeine V. im Gegensatz zur Gerichtsbarkeit in besonderen Zweigen der öffentlichen Verwaltung (Finanzgerichtsbarkeit; Sozialgerichtsbarkeit; zusammenfassend „besondere Verwaltungsgerichtsbarkeiten“ genannt).
1.
In Deutschland entwickelte sich eine V. im 19. Jh. mit Beschränkung auf gesetzlich enumerativ festgelegte Streitgegenstände und in personeller und organisatorischer Verbindung mit den Verwaltungsbehörden (sog. „interne Rechtskontrolle“) und nur zum Teil durch in Form selbständiger Gerichte („externe Rechtskontrolle“). Art. 107 WV verpflichtete die Länder zur Einrichtung von allgemeinen Verwaltungsgerichten. Ein Reichsverwaltungsgericht wurde erst 1941 mit sehr begrenzter Zuständigkeit geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in allen Ländern der künftigen Bundesrepublik Deutschland die V. von den Besatzungsbehörden neu aufgebaut. An Stelle der früheren enumerativen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte trat eine Generalklausel (s. u. 3). Nach Errichtung der BRep. wurden entsprechend Art. 96 GG durch besondere Gesetze das Bundesverwaltungsgericht in Berlin als allgemeines Verwaltungsgericht des Bundes (G v. 23. 9. 1952, BGBl. I 625) sowie als besondere Verwaltungsgerichte des Bundes der Bundesfinanzhof, das Bundessozialgericht und Bundesdisziplinargerichte errichtet. Die 1960 ergangene Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. d. F. v. 19. 3. 1991 (BGBl. I 686) m. Änd. begründete auf dem Gebiet der allgemeinen V. die Einheit der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens im Bund und in den Ländern. Die VwGO wird durch Ausführungsgesetze der Länder ergänzt (z. B. Baden-Württemberg, G i. d. F. v. 16. 8. 1994, GBl. 485; Nordrhein-Westfalen, G v. 26. 3. 1960, GV NW 47; Thüringen, G v. 15. 12. 1992, GVBl. 576).
2.
Die V. wird durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte Gerichte ausgeübt; diese werden in den Ländern als Verwaltungsgerichte (VG) und Oberverwaltungsgerichte (OVG) errichtet, im Bund das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG; §§ 1, 2 VwGO) Richter werden grundsätzlich auf Lebenszeit ernannt. Bei dem OVG und dem VG können auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte und ordentliche Professoren des Rechts als Richter auf Zeit zu Richtern im Nebenamt ernannt werden. Bei dem VG können Richter auf Probe oder Richter kraft Auftrags verwendet werden. Ehrenamtliche Richter wirken bei dem VG und nach Maßgabe des Landesrechts beim OVG mit (über die Berufung vgl. §§ 20 ff. VwGO). Bei dem BVerwG wird ein Oberbundesanwalt zur Wahrung des öffentlichen Interesses bestellt. Ein Vertreter des öffentl. Interesses kann auch bei dem OVG und dem Verwaltungsgericht durch RechtsVO der LdReg. zur allgemeinen Vertretung des Landes oder von Landesbehörden oder für bestimmte Fälle bestellt werden (§§ 35-37 VwGO; Landesanwaltschaft). Die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter der Verwaltungsgerichte wird vom Präsidenten ausgeübt. Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das VG ist der Präsident des OVG. Oberste Dienstaufsichtsbehörden sind z. T. die Justizministerien (Rechtspflegeministerium), z. T. die Innenministerien, in Baden-Württemberg der Ministerpräsident. Dem Gericht dürfen keine Verwaltungsgeschäfte außerhalb der Gerichtsverwaltung übertragen werden.
3.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit nicht eine bundesgesetzliche Sonderregelung besteht (verwaltungsgerichtliche Generalklausel). Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiete des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden. Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferungfür das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentl.-rechtl. Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 40 II VwGO). Ferner ist bei Streitigkeiten über die Höhe der Enteignungsentschädigung (nicht über die Enteignung selbst) der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gegeben. Die Generalklausel gewährleistet einen umfassenden Rechtsschutz auf allen Gebieten der öff. Verwaltung und trägt damit dem Art. 19 IV GG Rechnung, wonach jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offensteht; die subsidiäre Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Art. 19 IV 2 GG) ist angesichts der Generalklausel ohne Bedeutung. Weitere Zuständigkeiten der V. erfassen bestimmte Fälle der Normenkontrolle (§ 47 VwGO; betr. im Rang unter dem Gesetz stehende Rechtsvorschriften) sowie die in § 48 VwGO (Vereinsverbote) und § 50 VwGO (erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG) geregelten Fälle.
4.
Über das Verfahren der V. s. Verwaltungsstreitverfahren; Bundesverwaltungsgericht. Besondere Vorschriften gelten für die von den Verwaltungsgerichten wahrgenommene Disziplinargerichtsbarkeit.
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