Anhörung

Gelegenheit zur Äußerung. In Verfahren vor Gerichten und Behörden Ausprägung des Verfassungsgrundsatzes des rechtlichen Gehörs. A. (von Sachverständigen) auch in Ausschüssen und Fraktionen des Parlaments (Hearing).

in einem behördlichen (z. B. gerichtlichen, staatsanwaltlichen) Verfahren bedeutet, dass dem Anzuhörenden (Beschuldigten, Betroffenen, Zeugen) Gelegenheit gegeben wird, sich zu einem bestimmten Vorgangzu äussern; z. B. Strafbefehl. Bei Anhörung nimmt der Beamte (Angestellte) die Erklärung entgegen, ohne wie bei der Vernehmung durch Frage und Antwort einen Sachverhalt festzustellen. Durch Anhörung wird Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewahrt.

ist die Gewährung der Möglichkeit zur Äußerung der eigenen Vorstellungen über das tatsächliche Geschehen und bzw. oder die rechtliche Beurteilung in einer bestimmten Angelegenheit. Das Recht auf A. in einem Verfahren ist eine Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG). Seit 1.1. 2005 enthalten alle deutschen Verfahrensordnungen eine (eher skeptisch beurteilte) fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrüge §§ 321 a, 544 ZPO, 33 a, 356a StPO, 29a FGG, 78a ArbGG, 152a VwGO, 133a FGO, 178a SGG). Lit.: Leitzke, K., Die Anhörung beteiligter Kreise, 1999; Huber, M., Anhörungsrüge, JuS 2005, 109

, OWi-Recht: Im Rahmen der Aufklärung einer möglichen Ordnungswidrigkeit wird dem Betroffenen gem. § 55 OWiG in Form der Anhörung die Möglichkeit gegeben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Die Anhörung soll insb. dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) Rechnung tragen. In der Praxis kommt ihr insbesondere entscheidende Bedeutung als Unterbrechung der laufenden Verjährung von Verfolgungsfristen zu (vgl. § 33 Nr. 1 OWiG).
In der Belehrung ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich zur Sache selbst nicht äußern muss. Er ist lediglich verpflichtet, seine Personalien anzugeben. Unterbleibt diese Belehrung, so besteht ein Verwertungsverbot für die Aussage des Betroffenen. In der Praxis erfolgt die Anhörung entweder vor Ort durch die Polizei, wenn diese den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhält. Kommt es bei der Tatfeststellung nicht zu einem persönlichen Kontakt, sondern liegt nur eine Kennzeichenanzeige vor, so erhält der Betroffene einen Anhörungsbogen. In diesem Schriftstück ist die Mitteilung des Sachverhalts und rechtlichen Vorwurfs sowie die Belehrung über die Auskunftspflicht zur Person enthalten. Der Betroffene kann dann freiwillig Angaben zum Sachverhalt machen bzw. wird aufgefordert ggf. einen abweichenden tatsächlich verantwortlichen Fahrzeugführer zu benennen.
Sozialrecht: Sozialrechtlich ist die Anhörungspflicht strenger ausgestaltet als im allgemeinen Verwaltungsrecht. Gem. § 24 SGB X ist einem Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift, die Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Bestimmte Ausnahmen sind in §24 Abs. 2 SGB X insb. wegen Eilbedürftigkeit, Ablauf gesetzlicher Fristen und - praktisch bedeutsam - bei Erteilung von Verwaltungsakten in größerer Zahl, mit denen einkommensabhängige Leistungen an veränderte Verhältnisse angepasst werden, vorgesehen. Die Anhörungspflicht nach § 24 Abs. 1 SGB X wird beispielsweise dann relevant, wenn der Grad der Behinderung angesichts wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (gesundheitliche Verbesserung oder etwa Heilungsbewährung im Schwerbehindertenrecht) reduziert werden soll. Nach neuerer Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG) müssen dem Betroffenen dabei die Ergebnisse aller ärztlichen Befunde, auch des zuletzt eingeholten Befundberichts des behandelnden Arz tes, vor Erteilung einer abschließenden Entscheidung in Form des Herabsetzungsbescheides bzw. im Widerspruchsverfahren vor Erteilung des Widerspruchsbescheides mitgeteilt werden. Darüber hinaus sind anhörungspflichtig z.B. die Entziehung vorläufiger Unfallrenten bzw. die Umwandlung in eine niedrigere Dauerrente, die Änderung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente (Reduzierung von einer Vollrente auf eine halbe Rente), die Ablehnung weiterer Krankenhauspflege mit der Begründung, es sei ein Dauerpflegefall eingetreten, und schließlich die Feststellung der Versicherungspflicht. Ist die Anhörung vor Erteilung des Änderungsbescheides unterblieben, so kann sie im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Unterbleibt eine rechtsgültige Anhörung auch im Widerspruchsverfahren, so ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, wobei gern. § 42 SGB X seit 1.1.2001 die Anhörung auch nicht mehr im Sozialgerichtsprozess nachgeholt werden kann. Nach der Rspr. des BSG ist dann durch Zwischenurteil über die unterbliebene wirksame Anhörung, als vorweggenommener unselbstständiger Teil des Endurteils, zu entscheiden, §202 SGG i. V. m. §303 ZPO.
Wallerath, Maximilian, in: Sozialrechtshandbuch. Baden-Baden, 42008.
Verwaltungsverfahren: Gelegenheit für den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens, sich vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift, zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern, § 28 Abs. 1 VwVfG.
Nach h. M. gilt dies nur vor dem Erlass von Verwaltungsakten, die ein bereits bestehendes Recht des Beteiligten beeinträchtigen, nicht dann, wenn der Beteiligte in dem Verfahren das Recht erst erlangen will (daher ist nach h. M. keine Anhörung vor der Ablehnung eines Antrages erforderlich).
Von der Anhörung kann gern. §28 Abs. 2 VwVfG abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist. Dies wird durch die beispielhafte Aufzählung in §28 Abs. 2 Nr. 1-5 VwVfG näher konkretisiert. So kann die Anhörung unterbleiben, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Anhörungsverfahren als Teil des Verwaltungsverfahrens nicht förmlich ist (§10 VwVfG), also auch eine telefonische Anhörung möglich ist, sodass an das Absehen von der Anhörung insoweit strenge Anforderungen zu stellen sind.
Daneben unterbleibt die Anhörung gern. § 28 Abs. 3 VwVfG, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
Ist die erforderliche Anhörung unterblieben, so besteht gern. § 45 Abs. 1 Nr.3 VwVfG die Möglichkeit, diesen Fehler durch Nachholung zu heilen Heilung von Verfahrens- und Formfehlern). Nach heute h. M. tritt die Heilung einer fehlenden Anhörung allerdings bereits durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens ein, wenn der Betroffene ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hat und die Behörde sich mit dessen Vorbringen auseinander setzt. Dies wird damit begründet, dass der Sinn und Zweck der Anhörung (Gelegenheit zur Äußerung) durch die Einlegung des Widerspruchs ebenfalls erfüllt wird, wenn sich die Ausgangsbehörde dann im Rahmen des Abhilfeverfahrens mit den Argumenten auseinander setzt. Einer ausdrücklichen Nachholung durch die Ausgangsbehörde bedarf es dann nicht mehr.

in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren bedeutet, dass dem Anzuhörenden Gelegenheit zur Äußerung über die zur Entscheidung stehende Angelegenheit gegeben wird, und zwar zum Sachverhalt wie auch zur rechtlichen Beurteilung (s. a. Parteianhörung). Die A. ist eine Auswirkung des Verfassungsgrundsatzes des rechtlichen Gehörs, der nach Art. 103 I GG vor Gericht, nach § 28 VwVfG im Verwaltungsverfahren sowie in jedem anderen geordneten Rechtsverfahren gilt, auch soweit die A. nicht ausdrücklich gesetzlich (wie z. B. in §§ 34, 159 f. FamFG) vorgeschrieben ist. Zum Unterschied von der A. wird bei der Vernehmung der Sachverhalt durch Frage und Antwort festgestellt; hierbei können weitere zur Entscheidung stehende Gesichtspunkte, z. B. rechtliche, in gleicher Weise erörtert werden. Besonders geregelt ist das förmliche A.verfahren bei der Planfeststellung (§ 73 VwVfG); s. a. § 24 SGB X. Zum A.recht des Betriebsrats bei einer Kündigung Kündigungsschutz für Arbeitnehmer.




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