Koalition

(lat.: coalitio = Vereinigung, Zusammenkunft);

I. Zusammenschluß zweier oder mehrerer in einem Parlament vertretener Parteien zu einer Regierung.

II. Zur K. i. S. des Arbeitsrechts Koalitionsfreiheit.

Im Arbeitsrecht:

I. Nach Art. 9 III GG ist für jedermann, also für Deutsche, Ausländer u. für alle Berufsgruppen, das Recht gewährleistet, zur Wahrung u. Förderung der Arbeits- u. Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Dieser Verfassungsgrundsatz ist Ausdruck einer allgem. Rechtsüberzeugung (vgl. Art. 23 I der UN-Erklärung der Menschenrechte v. 10. 12. 1948, Art. 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte u. Grundfreiheiten v. 4. 11. 1950, Art. 5 der Europäischen Sozial-Charta v. 18. 10. 1961, Übereinkommen Nr. 87 der IAO [IL0] v. 9. 7. 1948). Lit.: v. Hoyningen-Huene AR-Blattei SD 1650.1. K. (Tarifverband) ist jede freie, privatrechtl., korporative, gegnerfreie, kirchl. unabhängige durchsetzungsfähige (AP 6 zu § 118 BetrVG 1972; anders bei Arbeitgeberverband AP 40 zu § 2 TVG), zahlenmässig nicht unerhebliche (AP 25, 30 zu § 2 TVG, AP 2 zu § 97 ArbGG; AP 24 zu Art. 9 GG; AP 34 zu § 2 TVG = DB 85, 2056; AP 36 a. a. 0. = NZA 87, 492; BVerfG NJW 82, 815) Vereinigung von AN o. AG auf— vor allem von der Gegenseite — unabhängiger, überbetrieblicher demokratischer Grundlage zur Wahrnehmung kollektiver AN- o. AG-Interes- sen, insbes. durch Abschluss von Tarifverträgen, äusserstenfalls durch Arbeitskämpfe. Die Koalitionsfreiheit hat vier Inhalte. Art. 9I11 GG schützt als Individualgrundrecht für jedermann das Recht, zur Wahrung u. Förderung der Arbeits- u. Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Sie gewährt dem Einzelnen das Recht, sich am Koalitionsleben zu beteiligen o. ihm fernzubleiben (BVerfG AP 16 zu Art. 9 GG; AP 49 = NJW 87, 2893); damit dürften Tarifausschlussklauseln unzulässig sein (AP 13 zu Art. 9 GG). Sie sichert aber auch den Bestand der Koalition (z. B. BVerfG AP 1, 16 zu Art. 9
GG) u. deren Recht zur spezifisch koalitionsmässigen Betätigung. Insoweit handelt es sich um eine Institutsgarantie, so dass das Betätigungsrecht durch sachgemässes Gesetz eingeschränkt werden kann (AP 16 a. a. 0.); eine allgemein-politische Betätigung der Gewerkschaften wird nur im Rahmen der Handlungsfreiheit (Art. 2I GG) geschützt sein. Abreden (Verträge) o. Massnahmen, die das positive o. negative K.-Recht (Neumann RdA 89, 243) einschränken o. zu behindern suchen, sind nichtig (§ 134 BGB). Rechtswidrig sind vor allem Kündigungen, Strafversetzungen, Zuweisung minderwertiger Arbeit aus Anlass des Gewerkschaftsbeitritts o. -austritts. Aufgrund der institutionellen Garantie der K. haben diese auch das Recht, im Betr. zu werben (AP 7, 10, 26, 30, 35 zu Art. 9 GG); in kirchl. Einrichtungen: BVerfG AP 10 zu Art. 140 GG; zur Verbreitung von Zeitungen (AP 29 zu Art. 9 GG), zu Aufklebern auf Schutzhelmen (AP 30, 30a zu Art. 9 GG). Sie können sich gegen Beschränkungen wehren, die den Mitgliedern ihrer Organisation auferlegt werden (AP 49 zu Art. 9 GG = NJW 87, 2893). Die K. haben keinen gesetzlichen Anspruch gegenüber dem AG, die Wahlen der gewerkschaftlichen Vertrauensleute im Betrieb durchführen zu lassen (AP 28 zu Art. 9 GG). Stellt ein AG einer Gewerkschaft sog. schwarze Bretter zur Verfügung, so darf er ihm unliebsame Anschläge nicht einfach entfernen. Zum Anspruch auf Verbandsbeitritt vgl. AP 1 zu § 27 GWB; NJW 75, 771; BGH BB 85, 397; zum Anspruch auf Tarifverhandlungen: AP 1 zu § 1 TVG Verhandlungspflicht; AP 52 zu Art. 9 GG = NZA 89, 601; zur Kündigungsfrist bei Austritt (BGH AP 33 zu Art. 9 GG). Zum Ehrenschutz der K. untereinander BGH AP 6 zu Art. 5 I GG Meinungsfreiheit.
II. Der Aufgabenkreis der K. lässt sich nicht fest umschreiben; sie sind zu einem integrierenden Bestandteil der Wirtschafts- u. Sozialpolitik der BRD geworden u. treten mit zahlreichen Forderungen u. Anregungen, sogar im kulturellen Bereich (Festspiele in Recklinghausen), an die Öffentlichkeit. Kraft Gesetzes sind ihnen drei Aufgabenkreise übertragen: a) Sie nehmen selbständig ausserhalb staatl. Verwaltung Aufgaben wahr, wie Abschluss von Tarifverträgen, Durchführung von Arbeitskämpfen u. Schlichtung, Mitwirkung in betriebsverfassungsrechtl. Fragen (Betriebsratswahl), Mitbestimmung in wirtschaftl. Angelegenheiten, Verlängerung u. Verkürzung der Arbeitszeit usw. b) Daneben haben sie Anhörungs- u. Antragsrechte gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung u. Rechtspr. Sie können die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen beantragen; zahlreiche Durchführungsvorschriften zu Gesetzen arbeitsrechtl. o. verwandten Inhalts können nur nach ihrer Anhörung o. der ihrer Spitzenorganisation erlassen werden; sie sind bei der
Durchführung Organisator. Massnahmen der Arbeits- u.
Landesarbeitsgerichte sowie bei der Berufung ihrer Vorsitzenden zu hören; schliesslich wirken sie im —) Betriebsverfassungsrecht mit. c) Darüber hinaus haben sie zahlreiche Benennungs- u. Entsendungsrechte gegenüber staatl. Gerichtsbarkeit u. Verwaltung. In den ArbG aller Instanzen wirken ehrenamtl. Richter mit; die Vertreter der AN u. der AG in den Organen der BAnstArb setzen sich zu je 1/3 aus Vertretern der AN, der AG und der öffentl. Körperschaften zusammen. Ferner bestehen Entsendungsrechte auf arbeitsrechtl. Gebiet zum Tarifausschuss zwecks Mitwirkung bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, zum Hauptausschuss u. Fachausschuss für die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen, zu den beratenden Ausschüssen u. Beschwerdeausschüssen in Schwerbehindertenangelegenheiten (Schwerbehinderte), zu den Heimarbeitsausschüssen u. Entgeltausschüssen (Heimarbeiter), zu den Ausschüssen bei den Landes- u. Arbeitsämtern zur Prüfung der Erforderlichkeit einer Massenentlassung, zu den Prüfungsausschüssen im Rahmen der Berufsbildung u. zu den Ausschüssen des Bundesinstituts für Berufsbildung; auf sozialversicherungsrechtl. Gebiet zu den Organen der Soz.-Vers. u. den Spruchkörpern der Sozialgerichte. Auf wirtschaftsrechtl. Gebiet haben schliessl. die Gewerkschaften neben den Unternehmensvereinigungen Repräsentationsrechte in zahlreichen Verwaltungsräten (Einfuhr- u. Vorratsstelle für Getreide- u. Futtermittel, für Zucker, Fette usw.).

ist der Zusammenschluss mehrerer im Parlament vertretener Parteien zu einer Regierung. Im Arbeitsrecht ist K. die freiwillige und überbetriebliche Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zur Wahrung oder Förderung ihrer Interessen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen. Lit.: Rosteck, C., Koalitionsmanagement unter der Kanzlerschaft Kohl, 2003

Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen bei der Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Die Bestimmung des Begriffs der Koalition ist von Bedeutung für die Festlegung des Schutzbereichs des Grundrechts der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
Zur Annahme einer Koalition müssen folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sein:
— Es muss sich um einen freiwilligen Zusammenschluss von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern
handeln, der auf Dauer angelegt und demokratisch organisiert ist. Aus diesem Grund sind Zwangsverbände wie die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern keine Koalitionen.
Die Tariffähigkeit ist den Innungen und Innungsverbänden aus diesem Grunde ausdrücklich gesetzlich zugewiesen (vgl. §§ 54 Abs. 3 S.1, 82 Nr. 3, 85 Abs. 2 HandwO). Es ist fraglich, ob Koalitionen stets auch auf eine gewisse Dauer angelegt sein müssen.
Teilweise wird angedacht, auch solchen Vereinigungen die Koalitionseigenschaft zuzubilligen, die sich erst ad hoc bilden (Ad-hoc-Koalition). Die Anforderungen an eine Koalition müssen an der Aufgabe von Koalitionen ausgerichtet werden. Koalitionen sollen die Arbeits- und Wirtschaftsverfassung mitgestalten. Einer solchen weit reichenden Aufgabe können sie nur dann gerecht werden, wenn sie in ihrer Struktur auf eine gewisse Dauer angelegt und auf eine fortwährende Arbeit ausgerichtet sind. Daher müssen Koalitionen auch auf Dauer angelegt sein.
Weitere Voraussetzung einer Koalition ist die Gewährleistung der Gegnerfreiheit und Gegnerunabhängigkeit in personeller, finanzieller und organisatorischer Hinsicht. Anderenfalls wäre die Koalition nicht in der Lage, die eigenen Zielvorstellungen ohne Einflussnahme des sozialen Gegenspielers zu verwirklichen (sog. Gegenmachtprinzip)
— Der Zusammenschluss muss ein privatrechtlicher Zusammenschluss sein, der unabhängig von
Staat, Kirche und Parteien ist. Denn der Zweck einer wirksamen Vertretung kann auch dann nicht erreicht werden, wenn Dritte bestimmenden Einfluss
auf die Zielsetzungen und Zieldurchsetzung haben. Koalitionen sind jedoch nicht zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet.
— Die Koalitionseigenschaft setzt weiterhin eine körperschaftliche Verfassung voraus. Dies bedeutet,
dass die Vereinigung eine vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängige Binnenorganisation haben muss. Sie muss zudem Organe besitzen, die ihre Geschäfte leiten. Letztlich ist für eine körperschaftliche Verfassung einer Vereinigung ein Gesamtname erforderlich. Eine Koalition muss weiterhin die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG) als satzungsmäßiges Hauptziel verfolgen. Letztlich müssen Koalitionen grundsätzlich überbetrieblich organisiert sein (kein Closed-Shop-System). Sie sollen nicht nur auf einen Betrieb begrenzt sein. Andernfalls könnte ein Arbeitgeber durch gezielte Entlassungen oder Einstellungen Einfluss auf die Zusammensetzung einer Koalition und auf deren Politik nehmen. Ausnahmen von dieser Regel hat es bis zur Privatisierung von Bundesvermögen bei der ehemaligen Deutschen Bundespost und bei der Deutschen Bundesbahn gegeben.
Die Tarifwilligkeit und die Arbeitskampfbereitschaft sind nach h. M. keine zwingenden Begriffsmerkmale einer Koalition. Auch die sog. Mächtigkeit ist gleichfalls kein Koalitionsmerkmal. Diese Merkmale sind aber zusätzliche Voraussetzungen zu den Merkmalen für die Tariffähigkeit einer Koalition.
Koalitionsverbandsrecht Koalition

nennt man den Zusammenschluss zweier oder mehrerer in einem Parlament vertretener Parteien (Parteien, politische) zwecks gemeinsamer Regierungsbildung (K.sregierung). Eine K. wird zumeist dann eingegangen, wenn das Kräfteverhältnis der Parteien dazu zwingt, insbes. wenn keine Partei über die absolute Mehrheit verfügt, eine von ihr allein gebildete Regierung demnach stets auf die Unterstützung oder Tolerierung durch Abgeordnete einer nicht regierungsbeteiligten Partei angewiesen wäre. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen eine Partei mit absoluter Mehrheit im Parlament aus politischen oder taktischen Erwägungen eine K. eingeht. Möglich ist auch eine Allparteienk., an der alle im Parlament vertretenen Parteien beteiligt sind; es fehlt dann eine organisierte parlamentarische Opposition. Bei Bildung einer K. wird i. d. R. eine Koalitionsvereinbarung getroffen (K.svertrag).




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