Schuld
Eine Schuld liegt im strafrechtlichen Sinne vor, wenn man jemandem ein mit Strafe bedrohtes Handeln vorwerfen kann. Dieses Handeln ist dabei entweder vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden.
Als vorsätzlich wird es bezeichnet, wenn der Täter bewusst und zielgerichtet vorgeht oder zumindest den Schaden billigend in Kauf nimmt, und Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter die im Rechtsleben erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. Außerdem muss der Täter bei der Begehung der Tat schuldfähig gewesen sein, denn wer schuldunfähig ist, kann nicht bestraft werden.
Im Schuldrecht versteht man darunter das, was ein Schuldner seinem Gläubiger zu leisten hat (ihm schuldet), also zum Beispiel eine bestimmte Geldsumme, eine Arbeitsleistung, die Lieferung oder zeitweilige Überlassung einer Sache. Allgemein versteht man unter Schuld (oder Verschulden) aber auch, daß jemand für eine Vertragsverletzung, eine unerlaubte Handlung oder eine Straftat, die er begangen hat, einstehen und deren Folgen tragen muß (sie «vertreten muß»), also Schadensersatz leisten muß und zu einer Strafe verurteilt werden kann. Dies setzt verschiedenes voraus:1. Man muß schuld- oder deliktsfähig sein (früher auch als zurechnungsfähig bezeichnet). Hierfür gilt:Im Zivilrecht ist man grundsätzlich schuld- oder deliktsfähig, wenn man volljährig (Volljährigkeit) ist. Wer bewußtlos oder geisteskrank ist, ist auch danach nicht schuldfähig (§ 827 Satz 1 BGB). Er muß aber dennoch einen von ihm angerichteten Schaden ersetzen, wenn er sich selbst in den Zustand der Bewußtlosigkeit versetzt hat, zum Beispiel durch Alkoholgenuß oder Einnahme von Rauschgift (§ 827 Satz 2 BGB). - Wer beschränkt geschäftsfähig oder taubstumm ist, insbesondere Kinder und Jugendliche zwischen der Vollendung des 7. und des 18. Lebensjahres, muß einen von ihm angerichteten Schaden grundsätzlich auch ersetzen, muß es aber ausnahmsweise dann nicht, «wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht (gehabt) hat» (§ 828 Abs. 2 BGB). Auch wenn er kein eigenes Einkommen hat, kann der Minderjährige verurteilt werden und muß dann später zahlen, wenn er ein eigenes Einkommen erzielt. Die Eltern haften für einen solchen Schaden nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn ihnen eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht nachgewiesen werden kann (§ 832 BGB). - Kinder unter sieben Jahren müssen einen von ihnen angerichteten Schaden nur ersetzen, wenn sie reich sind (§§ 828 Abs. 1, 829 BGB).Im Strafrecht kann man für eine Straftat verurteilt werden, sobald man das 14. Lebensjahr vollendet hat. Bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gelten allerdings Sonderregelungen (Jugendgerichte, Jugendliche, Heranwachsende). Nach Vollendung des 21. Lebensjahres ist man nur ausnahmsweise für eine Straftat nicht verantwortlich (schuldunfähig), nämlich dann, wenn man «bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln» (§ 20 StGB). In diesem Falle wird man grundsätzlich nicht bestraft, kann aber in einem psychiatrischen Krankenhaus (bei Geisteskranken, §63 StGB) oder einer Entziehungsanstalt (bei Suchtkranken, §64 StGB) untergebracht werden. Wer sich durch Alkoholgenuß oder Einnahme von Rauschgift selbst in den Zustand der Schuldunfähigkeit versetzt hat und dann eine Straftat begeht, kann wegen «Vollrausches» mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden (§ 323 a StGB). - Wenn die Schuldfähigkeit aus den erwähnten Gründen nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur erheblich vermindert war, wird der Betreffende zwar bestraft, jedoch kann die Strafe gemildert werden (§§21, 49 Abs. 1 StGB). Weitere Entschuldigungsgründe sind der Irrtum (§§ 16f StGB) und der Notstand (§35 StGB).Ist jemand grundsätzlich für einen von ihm angerichteten Schaden oder eine von ihm begangene Straftat verantwortlich, muß weiterhin geprüft werden, ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (im Zivilrecht wird manchmal auch noch zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit unterschieden). Näheres Fahrlässigkeit, Vorsatz. In einigen Fällen muß man auch für fremde Schuld einstehen. So muß ein Arbeitgeber zum Beispiel seinen Vertragspartnern den Schaden ersetzen, der diesen durch seine Arbeitnehmer zugefügt wird (»Erfüllungsgehilfen, §278 BGB).4. Im Zivilrecht muß man manchmal auch Schadensersatz leisten, wenn man keine Schuld an der Entstehung des Schadens hat (sogenannte Gefährdungshaftung, Atomrecht, Straßenverkehr, Tierhaltung).
1) Im Zivilrecht: Verpflichtung des Schuldners zur Leistung an den Gläubiger. Sch. als Verschulden: Vorsatz und Fahrlässigkeit. - 2) Im Straf recht ist Sch. Vorwerfbarkeit. Mit dem Unwerturteil der Sch. wird dem Täter vorgeworfen, dass er sich nicht rechtmässig verhalten, sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich für das Recht hätte entscheiden können. Sch. ist Voraussetzung jeder Bestrafung. Schuldausschliessungsgründe. Auch im Strafrecht unterscheidet man als Schuldformen Vorsatz (direkten und indirekten) und Fahrlässigkeit (bewusste und unbewusste). Daneben spricht das Gesetz (z. B. beim Betrug, § 263 StGB) auch von der "Absicht", einer gesteigerten, in besonderer Weise auf den Erfolg gerichteten Form des Vorsatzes. a. Lebensführungsschuld, Schuldstrafrecht.
Nulla poena sine culpa
1 Im Strafrecht bedeutet S. die Vorwerfbarkeit des mit Strafe bedrohten Handelns. Sie setzt voraus, dass der Täter einen strafrechtlichen Tatbestand (z. B. Totschlag) in rechtswidriger Weise (Rechtswidrigkeit) erfüllt hat. Schuldhaftes Handeln kann vorsätzlich oder fahrlässig sein. Vorsatz heisst Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Doch ist unmittelbarer Vorsatz (dolus directus) nicht erforderlich; es genügt, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung nur für möglich hält, sofern er sie billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz, dolus eventuahs). Vom Vorsatz ist die auf einen bestimmten Erfolg gerichtete Absicht zu unterscheiden (z.B. die Bereicherungsabsicht beim Betrug). Anders als die Vorsatztheorie des Schuldrechts (Verschulden) erachtet die im Strafrecht geltende Schuldtheorie das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nicht als Bestandteil des Vorsatzes, sondern als ein davon zu trennendes selbständiges Schuldelement. Diese Unterscheidung ist für die Fälle des Verbotsirrtums bedeutsam (s.u.). Fahrlässig handelt, wer einen Tatbestand rechtswidrig und vorwerfbar verwirklicht, ohne die Verwirklichung zu erkennen oder zu wollen. Unbewusste FahrlässigkeitMegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen u. nach seinen persönlichen Fähigkeiten u. Kenntnissen imstande u. verpflichtet ist, ausser acht lässt u. infolgedessen den strafrechtlichen Erfolg nicht voraussieht; es wird also - anders als nach dem privatrechtlichen Verschuldensbegriff - nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Massstab zugrunde gelegt. Bei der bewussten Fahrlässigkeit erkennt der Täter die Möglichkeit des Erfolgs, vertraut aber pflichtwidrig darauf, dass er nicht eintritt. (Die Abgrenzung zum dolus eventualis ist in der Praxis vielfach schwierig.) Vorsätzliches Handeln ist stets, fahrlässiges hingegen nur dann strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich mit Strafe bedroht. Im übrigen ist die Unterscheidung zwischen Vorsatz u. Fahrlässigkeit wie auch zwischen den verschiedenen Graden der Fahrlässigkeit für die Strafzumessung bedeutsam. - Es gibt mehrere Gründe, die die Schuld u. damit die Strafbarkeit ausschliessen (Schuldausschliessungsgründe). Allgemein schuldunfähig u. damit strafunmündig ist das Kind (bis zu 14 Jahren), bedingt schuldfähig u. daher bedingt strafmündig sind der Jugendliche und u.U. der Heranwachsende (Strafmündigkeit). Schuldunfähig ist ferner, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 20 StGB); verminderte Schuldfähigkeit liegt vor, wenn aus diesen Gründen die Einsichts- oder Handlungsfähigkeit erheblich vermindert ist (§21 StGB). Schuldunfähig ist somit (wegen tiefgreifender Bewusstseinsstörung) auch der Volltrunkene. Doch bleiben Rauschtaten deshalb nicht straffrei. Vielmehr wird bestraft, wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen die Schuldfähigkeit ausschliessenden Rausch versetzt u. in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht; die Strafe darf allerdings nicht schwerer sein, als sie für die im Rausch begangene Tat angedroht ist (§ 330a StGB). Schuldausschliessungsgrund kann auch der Irrtum sein. Der Irrtum über Tatumstände (Tatbestandsirrtum) schliesst nach § 16 StGB den Vorsatz, nicht jedoch die Fahrlässigkeit aus; wer z.B. vor Gericht eine objektiv falsche Aussage im irrigen GJauben beschwört, sie sei richtig, begeht zwar keinen Meineid, möglicherweise nicht strafbar), so ist die Tat nach der strafrechtlichen Schuldtheorie gleichwohl vorsätzlich begangen. Der Täter handelt nur dann ohne Schuld, wenn der Irrtum unvermeidbar war; allerdings kann die Strafe bei einem vermeidbaren Irrtum gemildert werden (§ 17 StGB).
2. Im Privatrecht (Schuldrecht) ist S. die sich aus einem Schuldverhältnis ergebende Verpflichtung (Verbindlichkeit, Obligation) des Schuldners gegenüber dem Gläubiger. Schuldverhältnis.
ist im Privatrecht einerseits die Verpflichtung (Schuldverhältnis z.B. Gattungsschuld, Geldschuld) einer Person und andererseits überhaupt die Bewertung eines Verhaltens eines Menschen als vorwerfbar (Verschulden). Schuldformen sind dabei Vorsatz und Fahrlässigkeit. Im Strafrecht ist S. die rechtliche Vorwerfbarkeit. Dem Täter wird vorgeworfen, dass er rechtswidrig gehandelt hat, obwohl er unter den konkreten Umständen fähig war, sich von der Rechtspflicht zu normgemäßem Verhalten bestimmen zu lassen. Elemente der S. sind im Strafrecht (nach der finalen Handlungslehre) Schuldfähigkeit, Unrechtsbewusstsein (eventuell erforderliches spezielles Schuldmerkmal) und Schuldaus- schließungsgründe (Entschuldigungsgründe). Nach § 46 StGB ist die S. des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die S. ist um so schwerer, je einfacher für den Täter ein rechtstreues Verhalten gewesen wäre. Lit.: Kaufmann, A., Das Schuldprinzip, 2. A. 1976; Frisier, H., Die Struktur des voluntativen Schuldelements, 1993; Christmann, R., Strafrechtliche Schuld und gesellschaftliche Wirklichkeit, 2002; Rödl, J., Die Spannung der Schuld, 2002; Rau, P., Schweigen als Indiz der Schuld, 2004
, Strafrecht: die persönliche Vorwerfbarkeit des verwirklichten Unrechts. Strafe setzt Schuld voraus (nulla poena sine culpa). Dieser Grundsatz hat alsAusprägung des echtsstaatsprinzips gern. Art.20 Abs. 3 GG Verfassungsrang. Dagegen können Maßregeln der Besserung und Sicherung überwiegend auch bei nicht schuldhaftem Handeln verhängt werden. Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, Art. 6 Abs. 2 MRK. Darüber hinaus ist die Schuld Grundlage und Grenze der Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 StGB). Das Ordnungswidrigkeitenrecht spricht insoweit von der Vorwerfbarkeit der Tat (§§ 1,12 OWiG).
Grundlage des Schuldvorwurfs ist nach dem normativen Schuldbegriff die Freiheit des Menschen,
sich für das Recht und gegen das Unrecht entscheiden
zu können. Demgegenüber sah der frühere psychologische Schuldbegriff in der Schuld die Summe
der subjektiven Merkmale der Straftat, also die subjektiv-psychologische Beziehung des Täters zu dem nur durch objektive Merkmale zu bestimmenden Unrecht.
Nach dem normativen Schuldbegriff setzt Schuld zunächst die Schuldfähigkeit voraus. Darüber hinaus enthalten einige Tatbestände an die Person des Täters
knöpfende Strafbarkeitsvoraussetzungen, die z. T. als
spezielle Schuldmerkmale angesehen werden. Weiterhin haben nach h. M. auch Vorsatz und Fahrlässigkeit als Schuldform eine Bedeutung. Schließlich setzt Schuld das Fehlen von Entschuldigungsgründen und das potenzielle Unrechtsbewusstsein voraus.
1.
Im Strafrecht ist S. Voraussetzung der Strafbarkeit. Der Begriff der S. bestimmt sich nicht nach psychologischen oder ethischen Maßstäben, ergibt sich vielmehr aus der gesetzlichen Mißbilligung eines bestimmten Handelns (normativer Begriff der S.). S. im strafrechtlichen Sinne ist demnach Vorwerfbarkeit des mit Strafe bedrohten Handelns (entspr. für Ordnungswidrigkeiten, §§ 1, 11, 14, 122 OWiG). Das schuldhafte Handeln kann vorsätzlich oder fahrlässig sein.
Der unmittelbare Vorsatz (dolus directus) ist gegeben, wenn der Täter den mit Strafe bedrohten Tatbestand kennt und ihn verwirklichen will, insbes. bei wissentlichem Handeln; dagegen genügt nicht früheres, nicht mehr vorhandenes Wissen (dolus antecedens) oder die nach der Tat erlangte Kenntnis (dolus subsequens). Mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) handelt, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht, und diese Folge billigend in Kauf nimmt (z. B. der flüchtende Einbrecher versucht, die Verfolger durch Schüsse abzuschrecken, auf die Gefahr der Körperverletzung oder Tötung hin). Eine besondere Form des Vorsatzes ist die Absicht, d. h. der auf den Erfolg gerichtete Wille des Täters; der Begriff wird im Strafrecht aber auch i. S. des schlichten oder des bestimmten Vorsatzes verwendet, seltener i. S. der Motivierung durch den Erfolg.
Fahrlässig handelt, wer einen Tatbestand rechtswidrig verwirklicht, ohne dies zu wollen oder zu erkennen, wenn ihm dies vorzuwerfen ist. Bewußte Fahrlässigkeit (luxuria) liegt vor, wenn der Täter zwar erkennt, dass er den Tatbestand möglicherweise verwirklicht, aber pflichtwidrig darauf vertraut, der Erfolg werde nicht eintreten. (Die Abgrenzung zum bedingten Vorsatz ist oft schwierig; z. B. der Jäger schießt trotz schlechter Sicht und trifft einen Menschen.) Unbewusst fahrlässig handelt, wer nicht voraussieht, dass er den Tatbestand verwirklicht (so häufig bei Tötung oder Körperverletzung im Straßenverkehr), dies aber nach den Umständen und nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen hätte erkennen müssen (subjektiver Maßstab, insofern abweichend vom bürgerl. Recht, wo die im Verkehr erforderliche Sorgfalt entscheidet). Manche Tatbestände stellen auch leichtfertiges Handeln unter Strafe (z. B. bei Nichtanzeige von Verbrechen, § 138 III StGB); es ist erhöhte Fahrlässigkeit (entsprechend der groben Fahrlässigkeit im bürgerlichen Recht).
Zur Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen der finalen Handlungslehre vgl. dort. Von der (im Einzelfall festzustellenden) S. ist die (allgemeine) Schuldfähigkeit zu unterscheiden. Über Schuldausschließungsgründe s. dort; wegen der Schuldgrade im bürgerlichen Recht Verschulden.
2. Bei Ordnungswidrigkeiten wird statt S. der Begriff Vorwerfbarkeit verwendet, um die mit einer Strafdrohung verbundene sozialethische Mißbilligung zu vermeiden (vgl. § 1 I OWiG).
3. Zur S. im Zivilrecht Schuldverhältnis, Verschulden.
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