Zeuge
Das Erinnerungsvermögen trügt den Menschen in Detailfragen meist wesentlich mehr, als er vermutet. Gleichwohl bieten Zeugen in Prozessen wichtige Hilfestellungen, weshalb ihre Vernehmung das häufigste Beweismittel darstellt. Sobald sich ein Zeuge nicht mehr genau erinnert, muss er dies verdeutlichen, denn er darf ausschließlich die Wahrheit
sagen.
Bei einer Beweisführung kommt es nicht auf die Anzahl der Aussagewilligen an. Das Gericht muss sich vielmehr ein Urteil darüber bilden, welchen Personen es am meisten traut. Bekräftigt ein einzelner Zeuge die Behauptungen einer Partei, während vier andere Zeugen die Gegenpartei unterstützen, kann das Gericht ohne weiteres dem allein auftretenden Zeugen eher Glauben schenken. Wer als Zeuge benannt und vom Gericht vorgeladen wird, muss dem Folge leisten.
Siehe auch Beweismittel
Zeugnisverweigerungsrecht
Unter gewissen Voraussetzungen darf man die Aussage verweigern. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Auskunfts- und dem Zeugnisverweigerungsrecht. Das Auskunftsverweigerungsrecht steht Prozessbeteiligten und Zeugen zu, die sich selbst oder einen nahen Angehörigen durch eine Aussage dem Verdacht aussetzen würden, eine Straftat begangen zu haben. Zeugen dagegen können aus persönlichen oder beruflichen Gründen ihr Zeugnisverweigerungsrecht geltend machen.
Dazu sind u. a. berechtigt:
* Verlobte, Ehegatten und geschiedene Partner des Beschuldigten;
* Verwandte und Verschwägerte des Angeklagten, wobei das Gesetz festlegt, bis zu welchem Verwandtschaftsgrad dies gilt;
* Geistliche in ihrer Eigenschaft als Seelsorger des Betroffenen;
* Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Apotheker und Hebammen einer Prozesspartei bzw. eines Beschuldigten sowie die Mitarbeiter dieser Personen.
Der Richter ist verpflichtet, alle Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, darüber in Kenntnis zu setzen. Jemand, der sich darauf beruft, muss das glaubhaft machen, etwa durch Dokumente oder eine eidesstattliche Versicherung. Das Ausbleiben der Zeugenaussage hat selbstverständlich nicht zur Folge, dass automatisch irgendeine Behauptung der anderen Prozessbeteiligten Gültigkeit erlangt. Dennoch darf das Gericht die Tatsache der Zeugnisverweigerung frei würdigen.
Siehe auch Aussageverweigerung
Vereidigung des Zeugen
Im Zivilprozess kann das Gericht ermessen, ob es eine Zeugenvereidigung für erforderlich hält.
Das bedeutet, es braucht nicht unbedingt auf den diesbezüglichen Antrag einer Prozesspartei einzugehen.
Im Strafprozess muss eine Vereidigung stattfinden, wenn entweder die Staatsanwaltschaft oder die Verteidigung den Antrag darauf stellt.
In gewissen Fällen kann das Gericht jedoch auch hier davon absehen, z. B.
* beim Verletzten,
* bei minderjährigen Zeugen über 16 Jahren,
* falls es einer Aussage keine wesentliche Bedeutung beimisst,
* wenn der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte auf die Vereidigung verzichten.
Prinzipiell verboten ist die Vereidigung von Zeugen,
* die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
* die entweder einer Tatbeteiligung oder aber der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind.
Beteuerungsformeln
Der Eid kann in unterschiedlicher Form geleistet werden. Beim Eid mit religiöser Beteuerung sagt der Richter zum Zeugen: "Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben." Der Angesprochene antwortet darauf: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."
Beim Eid ohne religiöse Beteuerung entfällt in den Worten des Richters der christliche Bezug und der Zeuge erwidert schlicht: "Ich schwöre es." Möchte ein Zeuge eine Beteuerungsformel einer bestimmten Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft verwenden, deren Mitglied er ist, so kann er diese dem vorgeschriebenen Eid hinzufügen. Beim Schwur ist die rechte Hand zu erheben.
Gibt ein Zeuge an, er wolle aus Glaubens- oder Gewissensgründen überhaupt keinen Eid leisten;
so muss er die Wahrheit seiner Aussage bekräftigen. Dies kommt einem Eid gleich.
§§ 48 ff, 61, 66f StPO;
373 ff. ZPO
Verdeckter Ermittler liefert Zeugenaussage
Sachverhalt: Gelegentlich setzt man bei polizeilichen Ermittlungen so genannte V-Leute ein, die unter Vorgabe einer falschen Identität versuchen, ein Vertrauensverhältnis zum Tatverdächtigen aufzubauen. Im Fall des Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr hatte eine mit ihm verwandte Zeugin von ihrem Zeugnis-verweigerungsrecht im Strafverfahren Gebrauch gemacht. Das warf die Frage auf, ob das Gericht nun einen V-Mann vernehmen dürfe, um Äußerungen der betreffenden Zeugin in Erfahrung zu bringen.
Urteil und Begründung Der Bundesgerichtshof befand, dass ein V-Mann, der zur Aufklärung eines Mordes im Umfeld des Angeklagten eingesetzt wird, durchaus eine verwertbare Zeugenaussage über Äußerungen von Angehörigen des Beschuldigten liefern kann, wenn diese in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
BGH, 1 StR 83/94, NJW 1994, S. 2904
Person, die über Tatsachen, die sie selbst wahrgenommen hat, aussagen soll. Z. kann nicht sein, wer Partei, Beteiligter oder Beschuldigter ist; auf Alter und Geisteszustand hingegen kommt es nicht an; diese sind nur bei der Bewertung der Aussage zu berücksichtigen. Z. ist zum Erscheinen, zur Aussage und zur Beeidigung vor Gericht verpflichtet; andernfalls können Beugestrafen ausgesprochen oder Vorführung angeordnet werden. Z. erhält Entschädigung (z.B. Fahrtkosten und Verdienstausfall). Bestimmte Personen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht.
ist eine Person, die vor Gericht od. einer anderen Behörde ihr Wissen über Tatsachen bekunden soll. Im Zivilverf. kann eine Partei, im Strafverf. der Angeklagte (OWiG-Verf. der Betroffene) kein Zeuge sein; wohl aber Verteidiger, Staatsanwalt. Für Zeuge besteht Pflicht zum Erscheinen, anderenfalls können Beugestrafen ausgesprochen od. Vorführung (Vorführungsrecht) angeordnet werden. Zeugnispflicht, Zeugenaussage, Gedächtnis. Im Strafverf. werden Zeugen grundsätzlich vereidigt, im Zivilverf. nur ausnahmsweise (vgl. Vereidigung).
(z. B. §§ 373 ff. ZPO) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen (z. B. gesehen, gehört, gerochen, getastet, gespürt) hat (z. B. Verkehrsunfall, Telefongespräch, Druckwelle, Struktur, Geruch), aussagen soll (und der zum Zweck der späteren Aussage vielfach zu einem Geschäft besonders hingezogen wird). Der Z. ist ein Beweismittel. Er ist grundsätzlich zum Erscheinen, zur Aussage und zur Beeidigung der Aussage vor Gericht verpflichtet. Notfalls möglich ist auch eine Einvernahme mit Hilfe eines Videogeräts (§ 247 a StPO). Der Z. hat für seine Aussage das Recht auf Unterstützung durch einen Rechtsanwalt. Eine falsche Aussage eines Zeugen bedrohen die §§ 153 ff. StGB mit Strafe. Lit.: Meyer, P./Höver, A., Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 22. A. 2002; Rose, F. , Der Auslandszeuge, 1999; Eisenberg, U. u. a., Der Zeugenbeweis im Strafverfahren, NJW 2003, 3676; Foerste, U., Lauschzeugen im Zivilprozess, NJW 2004, 262; Nevermann-Jaskolla, U., Das Kind als Opferzeuge, 2004
Person, die im Gerichtsverfahren im Rahmen der Beweisaufnahme über von ihm wahrgenommene vergangene Tatsachen oder Zustände (vgl. § 414 ZPO) berichtet. Der Zeuge ist abzugrenzen vom Sachverständigen, der nicht über eigene Wahrnehmungen berichtet, sondern dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermittelt (der sachverständige Zeuge, vgl. § 414 ZPO, ist demgegenüber ein Zeuge, der für seine Wahrnehmungen besonderer Sachkunde bedarf).
Der Zeuge hat gern. § 401 ZPO (ggf. i. V. m. § 98 VwGO, § 118 SGG, § 82 FGO), § 71 StPO Anspruch auf Entschädigung nach dem JVEG für seinen Verdienstausfall (§§20-22 JVEG, 3 €-17 € pro Stunde) sowie für Fahrtkosten (§§ 19 Nr. 1, 5 JVEG), Abwesenheits-Mehraufwand (§§ 19 Nr.2, 6 JVEG, insbes. Ubernachtungskosten) und sonstige notwendige Aufwendungen (§§ 19 Nr. 3, 7 JVEG).
Zivilprozessrecht: Mittel des Strengbeweises
(§§373 ff. ZPO). Zeuge kann jeder sein, der nicht Partei ist (anderenfalls kommt nur eine Parteivernehmung nach den §§ 445 ff. ZPO in Betracht). Der Zeuge wird nur auf Antrag der beweisbelasteten Partei gehört (vgl. § 373 ZPO, §§ 141 ff. ZPO, § 273 Abs.2 Nr. 4 ZPO). Der nach § 377 ZPO vom Gericht geladene Zeuge ist verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen.
Ausnahmen: §§375 Abs. 2, 382 ZPO und die Möglichkeit der schriftlichen Zeugenaussage nach § 377 Abs.3 ZPO, wenn das Gericht dies im Hinblick auf Beweisthema und Person des Zeugen für ausreichend erachtet; Sanktion: § 380 ZPO, Auferlegung der verursachten Mehrkosten durch zugunsten der Parteien vollstreckbaren Beschluss und Anordnung eines Ordnungsgeldes, soweit keine genügende Entgehuldigung vorliegt (§ 381 ZPO).
Weiter ist er verpflichtet, über das (ihm mit der Ladung mitgeteilte, § 377 Abs. 2 Nr.2 ZPO) Beweisthema auszusagen (Ausnahmen: Zeugnisverweigerungsrechte nach §§376, 383 ff. ZPO) sowie seine Aussage ggf. eidlich zu versichern (§§391 ff. ZPO, Vereidigung).
Strafprozessrecht: Nicht als Zeuge kommt in Betracht, wer durch eine andere Verfahrensrolle - insbesondere als Beschuldigter - von dieser Position ausgeschlossen ist. Zeugnisfähig ist jedermann; auch Kinder und Geisteskranke können Zeugen sein, ebenso Angehörige des Beschuldigten, Letzteren steht jedoch ggf. ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Pflichten des Zeugen sind
* Erscheinenspflicht auf Ladung durch Richter oder Staatsanwaltschaft; das Nichtbefolgen kann mit Ordnungsmitteln geahndet werden (§§ 51, 161 a StPO);
* Aussagepflicht, sofern nicht ausnahmsweise ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Die Absicherung im materiellen Recht erfolgt durch die Aussagedelikte des StGB (§§ 153 ff StGB);
Eidespflicht; die Vereidigung ist in den einzelnen Verfahrensstadien unterschiedlich geregelt. Zeuge ist auch der sachverständige Zeuge, der aufgrund besonderer Sachkunde gemachte Wahrnehmungen bezeugt, aber im Gegensatz zum Sachverständigen keine Schlussfolgerungen im Sinne eines Gutachtens zieht. Zeugenvernehmung, Zeugenschutz
ist eine Person, die über Tatsachen, die sie wahrgenommen hat, aussagen soll (darin liegt der Unterschied zum Sachverständigen). Der Beweis durch Z. ist in jeder Verfahrensordnung vorgesehen (§§ 48-71 StPO, §§ 373-401 ZPO, § 96 I VwGO, § 81 FGO, § 118 I SGG, §§ 29 I, 30 FamFG). Zeuge kann nicht sein, wer Partei, Beteiligter oder Beschuldigter ist; wohl aber der Prozessbevollmächtigte, Verteidiger, StA und andere Verhandlungsbeteiligte, deren weitere Mitwirkung nur im Kollisionsfalle ausgeschlossen ist. Die Fähigkeit, Zeuge zu sein, ist sonst nicht beschränkt; es können auch Kinder und Geisteskranke als Z. vernommen werden (die Wertung ihrer Aussage ist Sache des Gerichts). Für jeden, der deutscher Gerichtshoheit unterliegt, besteht die öffentlich-rechtliche Zeugnispflicht (Pflicht zum Erscheinen, zur Aussage und zur Beeidigung). Bei Verstoß gegen diese Pflichten können dem Z. Ordnungsmittel und Kosten auferlegt, auch kann er zwangsweise vorgeführt werden (§§ 380, 390 ZPO, §§ 51, 70 StPO; Beugemittel); das Gericht kann aber auch, soweit dies ausreichend erscheint, eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage (insbes. anhand der Unterlagen des Z.) anordnen (§§ 377 f. ZPO). Die Pflicht zur Aussage kann durch Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht, auch durch Verschwiegenheitspflicht entfallen oder eingeschränkt sein (Berufsgeheimnis). S. a. Zeugenschutz (4, 5).
Je nach Sachlage kann oder muss das Gericht von der Beeidigung der Aussage absehen (§§ 391, 393 ZPO, §§ 59 ff. StPO). Auch im Strafprozess werden Z. nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Ein Z. wird erst zur Person und dann zur Sache vernommen (§§ 395, 396 ZPO, §§ 68, 69 StPO). Er darf sich bei der Vernehmung eines Rechtsbeistandes - z. B. zur Beratung über ein Zeugnisverweigerungsrecht - bedienen, wenn dies nicht die Durchführung des Verfahrens beeinträchtigt (BVerfG NJW 1975, 103). Im Strafprozess kann ihm für die Vernehmung ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet werden, wenn er seine Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann (§ 68 b StPO). Ist er Nebenkläger oder Verletzter, kann er einen Beistand auch hinzuziehen oder erhalten nach §§ 397 a, 406 f StGB. Der Z. ist verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, und darf nichts verschweigen, was zu seiner wahrheitsgemäßen Aussage gehören würde. Eine schuldhaft unrichtige Aussage ist strafbar (Falschaussage, Meineid). Der Z. wird nach dem JVEG (Sachverständiger) für Aufwendungen (z. B. Kilometerpauschale von 0,25 EUR), Zeitversäumnis (3 EUR pro Stunde) und Verdienstausfall entschädigt.
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