Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Die Einkünfte i. S. d. § 21 EStG gehören zu den Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr.2 EStG, Einkunftsarten) und werden durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten für jede Einkunftsquelle ermittelt. Es gilt somit der Grundsatz, dass positive oder negative Einkünfte nur erzielt werden können, wenn für das einzelne Objekt Überschusserzielungsabsicht vorliegt (BFH BStB1.II 1995, 102 und 116). Entscheidend ist dabei, ob sich innerhalb der voraussichtlichen Vermögensnutzung ein Totalüberschuss aus den voraussichtlichen Einnahmen abzüglich der Werbungskosten ergibt (jedoch ohne Berücksichtigung zukünftiger Veräußerungsgewinne, da diese bei Veräußerung von Privatvermögen nicht erfasst werden). Eine Einkunftserzielungsabsicht ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich zu bejahen (BFH BStBl. II 1998, 771; bei sog. Mietkaufmodellen spricht der Beweis des ersten Anscheins jedoch für die fehlende Absicht, einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, BFH BStB1.II 1993, 658).
Die Aufzählung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in § 21 EStG ist abschließend und erfasst nur die aufgeführten Gegenstände. Soweit diese Einkünfte zu einer anderen Einkunftsart gehören, sind sie diesen Einkünften zuzurechnen (§ 21 Abs. 3 EStG, z.B. als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei Betriebsverpachtung oder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn besondere Umstände hinzutreten, die Leistungen über eine bloße Vermietungstätigkeit hinausgehend erfordern, BFH BStB1.II 1989, 291; 1990, 385; 1997, 569).
Der Begriff der Vermietung und Verpachtung im steuerlichen Sinne deckt sich nicht mit der bürgerlich-rechtlichen Begriffsbestimmung (§§ 535, 581 BGB). Für die steuerliche Subsumierung reicht jede Überlassung eines Gegenstandes zum Gebrauch oder zur Nutzung gegen Entgelt (BFH BStBl. II 1992, 1009), egal ob als obligatorisches Nutzungsverhältnis, als dingliches Recht (z. B. Nießbrauch) oder als Nutzungsentschädigung der öffentlichen Hand.
Mietverhältnisse mit Angehörigen sind nur unter strengen Voraussetzungen steuerlich anzuerkennen. Nur wenn die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien klar und eindeutig vereinbart sind und die Vereinbarungen durchgeführt werden, liegt kein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vor (BFH BSt81. II 2000, 361; Anerkennung des Mietverhältnisses selbst dann, wenn das unterhaltsberechtigte Kind die Miete aus dem Barunterhalt der Eltern zahlt).
Einnahmen i. S. d. § 21 EStG sind alle Vermögenswerte, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des Mietobjekts anzusehen sind und dem Vermieter zufließen (BFH BStBl. II 1991, 76; abzugrenzen von den Einnahmen sind Schadensersatzleistungen aufgrund von Vermögensschäden, BFH BStB1.II 1969, 184). Neben den Miet- und Pachtzinsen gehören zu den Einnahmen umlagefähige Nebenleistungen (z. B. Müllabfuhr, Wassergeld) sowie Schadensersatzleistungen für entgehende oder entgangene Einnahmen.
Bei teilentgeltlicher Nutzungsüberlassung einer Wohnung ist darauf abzustellen, ob die vereinbarte Miete mindestens 56% der ortsüblichen Marktmiete beträgt (§ 20 Abs. 2 EStG). Bei Erreichen dieser Grenze ist die Wohnungsüberlassung wie eine vollentgeltliche Vermietung oder Verpachtung zu beurteilen, sodass der Vermieter für sämtliche Aufwendungen den vollen Werbungskostenabzug geltend machen kann. Ist bei den Mieteinnahmen die 56%-Grenze unterschritten, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen mit der Maßgabe, dass die Aufwendungen nur im Verhältnis (z.B. der Flächen) zum Werbungskostenabzug führen. Dies gilt nicht nur bei Mietverhältnissen mit nahen Angehörigen, sondern auch bei Nutzungsüberlassungen an fremde Dritte, wenn der Vermieter aus vertraglichen oder rechtlichen Gründen gehindert ist, das vereinbarte Entgelt zu erhöhen (BFH BStBl. II 1997, 605).
Abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung steuerpflichtiger Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S.1 EStG). Heizungskosten, Kosten der Hausverwaltung oder Aufwendungen für die Strom-, Wasser- und Gasversorgung sind typische Werbungskosten i. S. d. Generalklausel. Grundsteuer, Müllabfuhr, Kanalbenutzungs- und Straßenreinigungsgebühren oder Versicherungsaufwendungen sind Werbungskosten i. S. d. §9 Abs. 1 S. 3 Nr.2 EStG. Beiträge zu Haus- und Grundbesitzervereinen sind für den Werbungskostenabzug unter § 9 Abs. 1 S. 3 Nr.3 EStG einzuordnen.
Besonderes wirtschaftliches Gewicht kommt dem Werbungskostenabzug der Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 S.3 Nr.1 EStG zu. Der Schuldzinsenbegriff ist weit auszulegen, sodass nicht nur laufende Zinsleistungen, sondern auch
* Nebenkosten der Darlehensaufnahme wie Bereitstellungszinsen oder das Daninum/Disagio, BFH BStB1. 11 1990, 460,
* Vermittlungsprovisionen zur Geldbeschaffung oder Notar- und Grundbuchkosten zur Gläubigersicherung (BFH BStB1. III 1960, 347; 1967, 655) oder
* Abschlussgebühren eines Bauspardarlehens, wenn alleiniger Zweck des Bausparvertragsabschlusses die Erlangung des Bauspardarlehens zur Verwendung der Kreditmittel im Einkunftsbereich des § 21 EStG ist (BFH BStB1. 11 1983, 355).
Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung und erhöhte Absetzungen gehören nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr.7 EStG ebenfalls zu den Werbungskosten (Gebäude-AfA, Erhaltungs- und Herstellungsaufwand, Aufwendungen, anschaffungsnahe, AfA-Methoden, Wirtschaftsgüter, geringwertige).
Einkünfte i. S. d. § 21 EStG umfassen die Vermietung und Verpachtung von vier Gruppen von Gegenständen, und zwar
* unbewegliches Vermögen (§ 21 Abs. 1 Nr.1 EStG, z. B. bebaute oder unbebaute Grundstücke; Grundstücksteile, insb. Wohnungen; Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte), insb. Erbbaurechte, Mineralgewinnungsrechte und Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind),
* Sachinbegriffe, insb. von beweglichem Betriebsvermögen (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 EStG; zwar ist der Begriff des Betriebsvermögens bei den Einkünften
i. S. d. § 21 EStG nicht relevant, einzuordnen ist hier jedoch z. B. nach Betriebsaufgabe die Verpachtung
des landwirtschaftlichen Inventars, (Einkünfte aus
Land- und Forstwirtschaft); die Vermietung und Verpachtung einzelner beweglicher Gegenstände ist
dagegen nicht unter § 21 EStG einzuordnen, die Einkommensteuerpflicht ergibt sich aber aus § 22 Nr.3 EStG mit dem Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs (sonstige Einkünfte),
* die zeitlich begrenzte Überlassung von Gegenständen, insb. von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten (§ 21 Abs. 1 Nr.3 EStG); in der Praxis insb. abzugrenzen von den Einkunftsarten freiberuflicher oder gewerblicher Art, sodass sich der Anwendungsbereich hauptsächlich auf im Privatbereich erworbene Urheberrechte beschränkt sowie
* die Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG); gilt insb. bei Abtretung rückständiger Miet- und Pachtzinsforderungen im Zusammenhang mit einer Grundstücksveräußerung; bei einheitlichem Gesamtkaufpreis muss eine Herausrechnung der anteiligen Mietund Pachtzinsforderungen als Einkünfte i. S. d. § 21 EStG erfolgen.
Als grundstücksgleiche Rechte i. S. d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind insb. zu nennen:
* Erbbaurecht, bei dem der Grundstückseigentümer steuerpflichtige Einnahmen mit dem Zufluss der Erbbauzinsen erzielt (bei Einmalzahlung gewährt die Finanzverwaltung eine Verteilung der Einnahmen auf zehn Jahre). Die Vermietung des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes führt beim Erbbauberechtigten ebenfalls zu Einkünften i. S. d. § 21 Abs. 1 Nr.1 EStG, die von ihm gezahlten Erbbau-zinsen sind Werbungskosten. Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts sind Anschaffungskosten und als Absetzungen für Abnutzung (§ 9 Abs. 1 Nr.7 EStG) auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen.
* Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch, bei dem der Nießbrauchsberechtigte kraft Gesetzes (§§ 577, 571 BGB) in die Vermieterstellung eintreten und damit Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters geworden ist und insoweit nach außen auftritt (BFH BStB1.II 1981, 295). Die Zuordnung von in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Nießbrauch stehenden Einnahmen und Werbungskosten ist unzweifelhaft, nicht abzugsfähig als Werbungskosten des Nießbrauchers ist dagegen nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH die Gebäude-AfA (sog. Drittaufwand), da insoweit der Nießbraucher weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ist (BFH BSt131. II 1988, 764; 1990, 888; 1991, 82; 1992, 375).
* Unentgeltliches obligatorisches Nutzungsrecht (keine dingliche Sicherung) wird steuerlich
wie ein Nießbrauchsrecht behandelt, wenn der Nutzende eine gesicherte Rechtsposition besitzt (BFH BStBl. II 1984, 366; nach Auffassung der Finanzverwaltung ist Voraussetzung für die Annahme einer gesicherten Rechtsposition Schriftform des Überlassungsvertrages und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr). Bei Fremdvermietung erzielt der obligatorisch Nutzungsberechtigte Einnahmen i. S. d. § 21 Abs. 1 Nr.1 EStG. Der Werbungskostenabzug der Gebäude-AfA geht im Falle der Selbstnutzung durch den Nutzungsberechtigten (wie beim unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch) wegen fehlender Einnahmen des Grundstückseigentümers verloren.
— Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch führt beim Grundstückseigentümer zu Einnahmen, hinsichtlich der mit dem Grundstück in Zusammenhang stehenden Aufwendungen zu Werbungskosten (einschließlich Gebäude-AfA). Bei Weitervermietung durch den Nießbrauchsberechtigten ergibt sich für die Einnahmen dieselbe steuerrechtliche Würdigung (mit Ausnahme der Gebäude-AfA). Das für die Nießbrauchsbestellung gezahlte Entgelt sind Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsgutes (Nießbrauch), die abgeschriebenen werden können (BFH BStBl. II 1979, 38).
— Vorbehaltsnießbrauch ändert die steuerliche Beurteilung für den bisherigen Grundstückseigentümer und jetzigen Nießbrauchsberechtigten nicht. Er erzielt wie bisher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und kann seine Aufwendungen sowie die Gebäude-AfA als Werbungskosten abziehen (BFH BStBl. II 1982, 380; 1983, 6; 1997, 121; BFH GrS BStBl. II 1995, 181). Der neue Grundstückseigentümer hat mangels Einnahmen keine Einkünfte i. S. d. § 21 Abs. 1 Nr.1 EStG.
— Vermächtnisnießbrauch versetzt den Vermächtnisnehmer nicht in die Position, die Gebäude-AfA des Rechtsvorgängers in Anspruch zu nehmen, da die Aufwendungen des Erblassers auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen (BFH BStBl. II 1998, 319).
— Dingliches Wohnrecht unterliegt ebenfalls den Grundsätzen des Nießbrauchs (BFH BStB1.11 1983, 660). Bei einem nur an einem Gebäudeteil eingeräumten unentgeltlichen dinglichen Wohnrecht ist insoweit der anteilige Werbungskostenabzug (einschließlich der anteiligen Gebäude-AfA) nicht möglich.
Bei unentgeltlichem Erwerb von Gebäuden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, tritt der Erwerber als Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger nach § 11 d EStDV in die Rechtsstellung seines Rechtsvorgängers, insb. hinsichtlich der Absetzungen für Abnutzung (Bemessungsgrundlage, Satz und Volumen) ein und führt diese fort (z. B. Erbfall, Realteilung ohne Ausgleichzahlung). Bei Erbauseinandersetzung kann es zu Anschaffungskosten kommen. Eine Realteilung mit Ausgleichzahlung führt in Höhe der Abfindungszahlung zu Anschaffungskosten des übernommenen Wirtschaftsgutes (vgl. BFH GrS BStBl. II 1990, 837; BMF vom 5. 12.2002, BStBl. I 2002, 1392; auch zum Ausgleich aus liquiden Mitteln des Nachlasses, zur Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten, zur Teilauseinandersetzung und zur Erbauseinandersetzung über Mischnachlass).
Die selbst genutzte Wohnung im eigenen Haus gehört seit dem 1.1.1987 nicht mehr zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (mit Ausnahme der großen Übergangsregelung bis zum 31.12. 1998
für selbst genutzte sog. „unechte” Zweifamilienhäuser). Dennoch wurde die Anschaffung oder Herstellung selbst genutzten Wohnraums steuerlich gefördert (Eigenheimzulage). Für die Besteuerung von Ferienwohnungen wurden durch die Rechtsprechung besondere Grundsätze aufgestellt (BFH BStBl. II 2002,726; BMF vom 20.11.2003, BStBI. I 2003, 640).
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