Prozessvoraussetzungen
Zivilprozess; verwaltungsgerichtliches Verfahren.
(Sachurteilsvoraussetzungen), Zivilprozessrecht:Allgerneine Prozessvoraussetzungen für alle Verfahrensarten sind:
1) ordnungsgemäße und wirksame Klageerhebung (§ 253 Abs. 2 ZPO),
z.13. bestimmter Antrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), bestimmter Klagegrund (§ 253 Abs. 2 Nr.2 ZPO), Vorliegen aller Prozesshandlungsvoraussetzungen.
2) gerichtsbezogene Prozessvoraussetzungen,
z. B. deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18-20 GVG, keine Prozessvoraussetzung im technischen Sinne), Zulässigkeit des Rechtsweges (§ 13 GVG), internationale, örtliche (§§ 12-40 ZPO), sachliche Zuständigkeit (§§ 1, 23 ff., 71 ff. GVG).
3) parteibezogene Prozessvoraussetzungen, z.B. Parteifähigkeit (§ 50 ZPO), Prozessfähigkeit (§§ 51, 52 ZPO), gesetzliche Vertretung prozessunfähiger Parteien (§ 51 Abs. 1 ZPO), Prozessführungsbefugnis (§ 51 Abs. 1 ZPO).
4) streitgegenstandsbezogene Prozessvoraussetzungen, z. B. keine entgegenstehende Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO), keine entgegenstehende Rechtskraft (§ 322 ZPO), Klagbarkeit des Anspruchs (str.).
5) Rechtsschutzbedürfnis.
Besondere Prozessvoraussetzungen für bestimmte Verfahrensarten sind z. B.:
— Zulässigkeit einer etwaigen Klageänderung (§§ 263 ff. ZPO),
— Rechtsmittelvoraussetzungen,
— Voraussetzungen der Widerklage (§§ 33, 595 Abs. 1, 610, 611, 641 Abs. 2 ZPO),
— Voraussetzungen der Feststellungsklage (§ 256 ZPO),
— Voraussetzungen der Abänderungsklage (§ 323 ZPO),
— Voraussetzungen der Klage auf künftige Leistung (§§ 257-259 ZPO),
— Voraussetzung der Klage im Urkundenprozess (§§ 592, 597 Abs. 2 ZPO),
— ggf. erfolgloser Versuch eines vom Landesgesetzgeber vorgeschriebenen außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens (§ 15 a EGZPO).
, Strafprozessrecht: Zu unterscheiden sind positive Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen erforderlich ist, und negative Prozessvoraussetzungen, die nicht vorliegen dürfen. Wichtigste Prozessvoraussetzungen sind:
— Strafmündigkeit des Beschuldigten (Mindestalter 14 Jahre; § 19 StGB); bei Privatklage keine Minderjährigkeit des Beschuldigten (§ 80 JGG); kein Tod des Beschuldigten;
— keine Exterritorialität des Beschuldigten (§§ 18-20 GVG) oder Nichtanwendbarkeit des deutschen Strafrechts (§§ 3 ff. StGB);
— kein Eintritt der Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 S.1 StGB);
— Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten;
— Genehmigung des Parlaments bei Immunität von Abgeordneten;
— keine anderweitige Rechtshängigkeit bzgl. der Tat im prozessualen Sinn;
— Vorliegen eines Strafantrags bei Antragsdelikten; schlüssige Erklärung der Staatsanwaltschaft über die gesetzlich vorgeschriebene Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung;
— keine entgegenstehende Rechtskraft oder Teilrechtskraft.
Fehlt eine Prozessvoraussetzung und erhebt die Staatsanwaltschaft gleichwohl Anklage, wird das Verfahren vom Gericht durch Beschluss gemäß § 206 a StPO oder in der Hauptverhandlung durch Urteil gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Verwaltungsprozessrecht: Neben der Grundvoraussetzung, der Eröffnung des jeweiligen Rechtsweges, unterscheidet man die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen, die für alle Verfahrensarten gelten, und die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen, die von der jeweiligen Verfahrensart abhängig sind und unterschiedlich sein können.
Allgemeine S achentscheidungsvoraussetzungen sind die deutsche Gerichtsbarkeit (§ § 18 ff GVG), die Gerichtszuständigkeit (§§ 45 ff VwG0), die ordnungsgemäße Klageerhebung (Klageantrag), die Beteiligtenfähigkeit, die Prozessfähigkeit und die Postulationsfähigkeit, keine entgegenstehende Rechtskraft sowie das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses.
Die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen sind klageartabhängig und werden bei den einzelnen Klagearten behandelt.
1.
P. (Sachurteilsvoraussetzungen, Verfahrensvoraussetzungen) sind die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit eine Sachentscheidung ergehen kann (anders Prozesshandlungsvoraussetzungen); sie sind nicht Voraussetzungen dafür, dass ein Rechtsstreit entsteht oder ein Verfahren anhängig wird und dass überhaupt eine Entscheidung ergehen kann. P. bestehen in jeder Verfahrensordnung; sie sind jedoch in den Gesetzen verstreut und unsystematisch geregelt. Die P. müssen vorliegen, damit die Klage oder der Antrag zulässig ist (für höhere Instanz Rechtszugvoraussetzungen). Man unterscheidet: positive P. (solche, die vorhanden sein müssen) und negative (solche, die fehlen müssen, sog. Prozesshindernisse); allgemeine P. (für alle Klagen oder Anträge erforderliche) und besondere (nur für bestimmte oder bestimmte Arten von Klagen oder Anträgen erforderliche). Tatsachen, aus denen sich die P. ergeben, werden im Freibeweis festgestellt. Fehlt eine P. oder liegt ein Prozesshindernis vor, so ist die Klage (durch Prozessurteil) abzuweisen, der Antrag zurückzuweisen, im Strafprozess das Verfahren einzustellen (§§ 170 II, 206 a, 260 III StPO).
2.
Im Zivilprozess sind allgemeine P.: ordnungsgemäße Klageerhebung, örtliche und sachliche gerichtliche Zuständigkeit, deutsche Gerichtsbarkeit, Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit oder ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung, Prozessführungsbefugnis, Fehlen entgegenstehender Rechtskraft oder anderweitiger Rechtshängigkeit, Zulässigkeit des Rechtswegs, Rechtsschutzbedürfnis, ggf. auch der vorherige Versuch einer Schlichtung; bei entspr. Rüge das Fehlen einer Schiedsklausel oder der nicht ausreichenden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten bei Klage einer ausländischen Partei (§§ 110 ff. ZPO). Zu den besonderen P. gehören z. B. die Zulässigkeit der Klageänderung und der Widerklage, die Beweisbarkeit durch Urkunden im Urkundenprozess. Im Verwaltungs-, Finanz- und Sozialstreitverfahren sind die allgemeinen P. die gleichen wie im Zivilprozess; jedoch tritt an Stelle der Parteifähigkeit die Beteiligtenfähigkeit und es kommen hinzu: die Durchführung des Vorverfahrens und als besondere P. die Klagefrist, die Klagebefugnis und die Statthaftigkeit der Klageart.
3.
Auch im Strafprozess sind P. in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (mit Ausnahmen, vgl. § 16 StPO). Zu den P. zählen insbes. die Gerichtsbarkeit, die örtliche und sachliche Zuständigkeit, bei Antragsdelikten das Vorliegen des Strafantrags. Prozesshindernisse sind im Strafverfahren insbes.: die Verjährung der Strafverfolgung, die Immunität, der Strafklageverbrauch, eine Amnestie. Stellt sich das Fehlen einer P. oder ein Prozesshindernis im gerichtlichen Verfahren heraus, so ist, wenn der Mangel behebbar ist - z. B. der Strafantrag noch nachgeholt werden kann -, vorläufige Einstellung geboten (§ 205 StPO), andernfalls die endgültige, die außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss, in dieser durch Urteil ergeht (§§ 206 a, 260 III StPO).
sind nicht Voraussetzungen, damit ein Prozeß überhaupt beginnen kann, sondern Voraussetzungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen, damit das Klagebegehren zulässig ist. Bei Vorliegen aller P. wird in der Sache selbst darüber entschieden, ob die Klage begründet ist oder nicht. Allgemeine P., die für jedes Streitverfahren vorliegen müssen, sind im Zivilprozeß: Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, örtliche und sachliche Zuständigkeit, deutsche Gerichtsbarkeit, Parteifähigkeit, Prozeßfähigkeit bzw. wirksame gesetzliche Vertretung Prozeßunfähiger, Prozeßführungsbefugnis, keine entgegenstehende Rechtskraft, keine anderweitige Rechtshängigkeit, Zulässigkeit des Rechtsweges, Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus gibt es besondere P., die nur für bestimmte zivilrechtliche Verfahren zusätzlich vorliegen müssen und weitere P. im Straf-und Verwaltungsprozeß.
Bevor ein Zivilgericht über den erhobenen Anspruch (z.B. Kaufpreisanspruch) entscheidet, prüft es, ob es verhandeln und entscheiden darf. P.en sind nicht Voraussetzungen des Prozesses, sondern die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Sache selbst. Deshalb wären sie besser als "Voraussetzungen einer Sachentscheidung" zu bezeichnen. P.en sind insbes. die deutsche Gerichtsbarkeit, die Zulässigkeit des Rechtsweges, die örtliche und sachliche Zuständigkeit, Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Rechtsschutzbedürfnis. Diese P.en sind durch das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Andere P.en sind nur auf Einrede hin zu berücksichtigen (prozesshindernde Einrede). Für andere Prozessarten (z.B. Straf- oder Verwaltungsprozess) gilt der Begriff der P.en mit entsprechenden Abweichungen.
ist die Voraussetzung, die gegeben sein muss, damit ein Sachurteil ergehen kann. Ihr Vorliegen ergibt die Zulässigkeit des Begehrens. Die wichtigsten Prozessvoraussetzungen des Zivilprozessrechts sind Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, Wirksamkeit der Klageerhebung als Prozesshandlung, örtliche und sachliche Zuständigkeit, deutsche Gerichtsbarkeit, Existenz der Partei, Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit oder Vertretung, Prozessführungsbe- fugnis, Fehlen der Rechtskraft, Fehlen der Rechtshängigkeit, Rechtswegzulässigkeit und Rechtsschutzbedürfnis. Lit.: Harms, W., Die Reihenfolge der Prüfung von Prozessvoraussetzungen, ZZP 83, 167; Hinrichsen, A., Zuständigkeitsfragen im Strafprozess, 1993
Vorheriger Fachbegriff: Prozessvoraussetzung | Nächster Fachbegriff: Prozesszinsen