Betriebsnachfolge
ist gegeben, wenn ein Betrieb auf eine andere (auch juristische) Person übergeht, bes. durch Betriebsübernahme (z. B. Kauf, Betriebspachtvertrag) oder Erbfolge. Dabei gehen mit allen Rechten und Pflichten des bisherigen Betriebsinhabers insbes. auch die Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern automatisch (auch gegen den Willen des Nachfolgers) über, so dass diese arbeitsrechtlich wie bisher geschützt sind.
Im Arbeitsrecht:
I. Die B. kann sich durch Gesamt- o. Einzelrechtsnachfolge vollziehen (Moll AnwB1. 91, 282; NJW 93, 2016; Willemsen RdA 91, 204). Eine GRN liegt vor, wenn der Rechtsnachfolger, ohne dass es einzelner Übertragungsakte bedarf, unmittelbar in die gesamte Rechtsposition des Rechtsvorgängers einrückt (Erbfall, Fusion von Kapitalgesellschaften u. deren Umwandlung usw.). Diese Fälle sind im Gesetz enumerativ aufgezählt. Eine ERN ist gegeben, wenn ein Betrieb o. Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber übertragen wird u. die zum Betriebsvermögen gehörenden materiellen oder immateriellen Rechte nicht automatisch, sondern durch besondere Übertragungsakte übergehen (§ 613a I 1 BGB). In welchem Umfang § 613a BGB gilt, wenn ein Betrieb (Seeschiff) ins Ausland veräussert wird, ist noch nicht abschliessend geklärt (AP 25 zu § 613a BGB; AP 9 zu § 42 ZPO; Richter ArbuR 92, 65; Wollenschläger/Frölich ArbuR 90, 314). II. 1. Das BGB enthielt zunächst keine Regelung der ERN. Es kannte grundsätzlich nur die Übertragung einzelner Forderungen (§ 398 BGB; Abtretung) und die Übernahme einzelner Verpflichtungen (§ 414 BGB). Das neuere zivilrechtliche Schrifttum hielt eine gewillkürte Auswechslung des Partners eines Schuldverhältnisses für zulässig. Das BAG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Übertragung eines Arbeitsverhältnisses durch dreiseitiges Rechtsgeschäft zugelassen (AP 31 zu § 74 HGB). Erforderlich ist die Übertragung eines Arbeitsverhältnisses vom 1. auf den 2. AG als Ganzes. Hierbei muss abgesehen vom Parteiwechsel das Arbeitsverhältnis unverändert bleiben und der AN der Übertragung zustimmen. Rechtsgeschäftliche Konstruktionen des Betriebsinhaberwechsels sind auch nach Einführung von § 613a BGB noch von Bedeutung. Indes dürfen sie den mit § 613a BGB bezweckten Sozialschutz nicht zum Nachteil des AN abbedingen.
2. § 613a BGB ist durch das BetrVG 1972 in das Gesetz eingeführt und durch das EG AnpassungsG v. 13. 8. 1980 (BGBl. I 1308) geän-
dert worden. In den neuen BL gelten einige Besonderheiten. § 613a BGB verfolgt drei Ziele: a) Den AN ihre Arbeitsplätze zu erhalten und dem Betriebsnachfolger die eingearbeiteten Arbeitskräfte zu bewahren; b) die Kontinuität des Betriebsrates aufrecht zu erhalten; c) Das Haftungssystem zwischen altem und neuem AG zu regeln (AP 18 zu § 613a BGB).
III. Voraussetzung der Betriebsnachfolge ist, dass ein Betrieb o. Betriebsteil kraft Gesetzes auf den Erwerber übergeht.
1. Gegenstand des Rechtsgeschäftes ist ein Betrieb o. Betriebsteil.
a) Der Begriff eines Betriebes stimmt nicht genau mit dem allgemein rechtlichen überein. Zum allgemeinen Begriff gehören die AN. Dagegen gehen diese im Rahmen der ERN als Rechtsfolge auf den Erwerber über. Betrieb ist mithin eine organisatorische Einheit mit einer eigenen arbeitstechnischen Zwecksetzung. Dies kann auch ein fremdgenutztes Miethaus sein, in dem ein Hausmeister beschäftigt wird (AP 69 zu § 613 a BGB = DB 88, 712). Nicht erforderlich ist, dass alle Wirtschaftsgüter übergehen o. einzelne ausgetauscht werden (AP 53 zu § 613a BGB = DB 87, 99 = NZA 87, 123). Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben ausser Betracht (AP 2, 11, 42 = DB 85, 2409 = NJW 86, 451). Zu unterscheiden ist zwischen Produktions- u. Handels- bzw. Dienstleistungsunternehmen. In Produktionsbetrieben ist notwendig, dass solche Produktionsmittel übergehen, dass eine sinnvolle Produktion noch möglich ist. Unzureichend ist, wenn nur Büromaterial o. Maschinen für die Hauswerkstatt übergehen (AP 42 = NJW 86, 451; AP 53 =
DB 87, 99 = NZA 87, 123; AP 23 zu § 7 BetrAVG = NJW 86, 450). Zureichend ist, wenn der technische Produktionsapparat übernommen wird, auch wenn der Firmennamen nicht mit übergeht o. gewerbliche Schutzrechte nicht übernommen werden (AP 43 = DB 85, 2409 = NJW 86, 451). Bei Handels- u. Dienstleistungsunternehmen ist weniger auf die Übernahme materieller Betriebsgüter abzustellen, sondern in welchem Umfang in die Kundenbeziehungen, Lieferquellen eingetreten wird u. das bisherige Warensortiment weitergeführt wird (AP 58 zu § 613a BGB = DB 87, 992 = NZA 87, 382; AP 63 zu § 613a BGB = NZA 87, 589). Ein Betriebsübergang ist angenommen worden, wenn ein Bezirksvertreter seinen Handelsvertretervertrag kündigt u. der Unternehmer die Vertretung fortsetzt (AP 72 =
DB 88, 2155 = NZA 88, 838), nicht dagegen bei Kündigung eines Bewachungsvertrages u. Übergang der Bewachungsaufgaben auf einen anderen (AP 76 = NZA 89, 799; AP 88 = NZA 91, 305). Eine ERN erfolgt auch, wenn sie fiduziarisch vorgenommen wird (AP 38 = DB 85, 1135 = NJW 85, 1574; AP 7 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 89, 425).
b) Eine ERN ist gegeben, wenn nur ein Betriebsteil o. eine Betriebsabteilung übergeht. Je nachdem, ob der Betrieb o. nur ein Betriebsteil übergeht, gehen alle o. die hierauf bezogenen Arbeitsverhältnisse über (AP 14 zu § 613a BGB = DB 79, 702; BGH NJW 81, 1364).
c) Keine B. findet im Falle der vorherigen Betriebsstillegung statt. Dies ist die auf einem ernstlichen u. endgültigen Beschluss des Betriebsinhabers beruhende Auflösung der Betriebs- u. Produktionsgemeinschaft auf Dauer (AP 39 = NJW 86, 91; AP 59 = NZA 87, 419; AP 67 = NZA 88, 170; AP 18 zu § 111 BetrVG 1972 = NZA 87, 523; AP 81 = NZA 90, 32).
d) Keine B. ist gegeben, wenn ein Wechsel der Gesellschafter stattfindet (AP 87 zu § 613a BGB = NJW 91, 247 = NZA 91, 63).
2. Dem Betriebsübergang muss ein Rechtsgeschäft zugrunde liegen (AP 13 zu § 613a BGB). a) Indes ist § 613a BGB Auffangtatbestand für alle Betriebsübergänge, die sich nicht kraft Gesamtrechts-nachfolge vollziehen. Das Rechtsgeschäft braucht mithin nicht zwischen dem letzten Betriebsinhaber u. dem neuen Betriebsinhaber stattgefunden haben, wenngleich dies den Regelfall darstellt (AP 24 = NJW 81, 2212; AP 36 = DB 84, 1306; AP 43 = NJW 86, 448; AP 53 zu § 613a BGB = NZA 87, 123). Möglich ist auch eine ERN, wenn ein verpachteter Betrieb vom 1. auf den 2. Pächter übergeht o. der Erwerber von mehreren Sicherungsnehmern (AP 43 = NJW 86, 448) die Betriebsmittel erwirbt. Rechtsgeschäft kann die Besitzeinweisung in die Betriebsmittel sein (AP 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 89, 679). Für das Vorliegen des Rechtsgeschäftes ist der AN darlegungs- und beweispflichtig; für es spricht aber der Anscheinsbeweis, wenn ein Betrieb übergeht (AP 41 = NJW 86, 454).
b) Als Rechtsgeschäft kommen in Betracht Betriebsveräusserung, Verpachtung oder die Bestellung eines Niessbrauches. Betriebsveräusserung ist die Rechtsübertragung an den zum Betrieb gehörenden sächlichen und immateriellen Gegenständen. Sie kann auf Kauf, Schenkung, Vermächtnis o. einer Sicherungsabrede (AP 38 = NJW 85, 1574) beruhen. Unerheblich ist, ob der zugrundeliegende schuldrechtliche Vertrag wirksam ist (AP 44 = NJW 86, 453). Während Gegenstand des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes der Betrieb als solcher ist, bedarf es zum Verfügungsgeschäft der Übertragung der einzelnen Gegenstände. § 613 a I 1 gilt auch für eine Betriebsveräusserung im Konkurs (vgl. EuGH NZA 93, 137). Der Erwerber muss in die Arbeitsverhältnisse eintreten, der Betriebsrat bleibt im Amt (II 2); jedoch gilt wegen der haftungsrechtlichen Seite eine teleologisehe Reduktion; d. h., die AN müssen sich wegen der Rückstände
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der Arbeitsvergütung wegen der Gleichbehandlung aller Gläubiger am Konkursverfahren beteiligen (AP 57 zu § 613a BGB = NZA 87, 458; AP 13 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NJW 93, 157 = NZA 93, 20). Jedoch werden sie auch insoweit weitgehend abgesichert. Wegen rückständiger Vergütungsansprüche kann Konkursausfallgeld bezogen werden (AP 71 = NJW 88, 3035 = NZA 88, 655). Anspruch auf Ruhegeld bereits ausgeschiedener AN u. un-
verfallbare Versorgungsanwartschaften werden durch den PSV
abgesichert. Wird dagegen der Betrieb bereits vor Konkurseröffnung veräussert, so muss der Erwerber auch für die bereits erwachsenen Ruhegelder u. Anwartschaften haften (AP 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 88, 198; AP 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 89, 679). Wird nach Konkurseröffung ein Betrieb veräussert, so tritt der Erwerber in alle Masseforderungen (AP 56 zu § 613a BGB = DB 87, 745) sowie in alle verfallbaren Versorgungsanwartschaften (AP 4 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = DB 86, 1779) ein (AP 11 = NJW 92, 708 = NZA 92, 217; AP 15 = NZA 93, 643). Anders ist dagegen die Rechtslage, wenn das Konkursverfahren mangels Masse abgelehnt wurde; alsdann haftet der Erwerber für alle Forderungen (AP 38 = NJW 85, 1574). Lit.: Pietzko ZIP 90, 1105. Anzuwenden ist § 613a im Vergleichsverfahren (AP 26; AP 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = DB 89, 2541
NZA 90, 188), in Zwangsverwaltung u. Zwangsversteigerung, wenn der Betrieb fortgeführt wird (AP 19; 36 = DB 84, 1306). Lit.: Göpfert DB 92, 1727.
3. Der Übergang ist vollzogen, wenn der Erwerber in der Lage ist, den arbeitstechnischen (Teil) Zweck weiter zu verfolgen, also wenn er in die betriebliche Organisation eintritt (AP 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 88, 198; AP 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 89, 679).
4. Die Arbeitsverhältnisse gehen als Rechtsfolge des Betriebsübergangs auf den Erwerber über.
a) Unerheblich ist, ob es sich um Arbeitsverhältnisse von Arbeitern, Angestellten o. leitenden Angestellten (AP 11) handelt, der Betrieb betriebsratspflichtig ist, zu Tendenzbetrieben gehört. Es gehen nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen AN über, die zum übergehenden Betriebsteil gehören (Kreitner NZA 90, 429). Dagegen tritt der Erwerber nicht in die Versorgungsansprüche o. unverfallbaren Versorgungsanwartschaften bereits ausgeschiedener AN ein (AP 6, 12, 15; AP 61 zu § 613a BGB = NZA 87, 559). Etwas anderes kann gelten, wenn er die Firma des Veräusserers übernimmt (AP 1 zu § 26 HGB = NZA 88, 246). Dasselbe gilt für rückständige Provisionen ausgeschiedener AN (AP 60 zu § 613a BGB = NZA
87, 597). Ob der Erwerber in Wettbewerbsverbote ausgeschiedener eintritt, ist zweifelhaft, aber zu bejahen (AP 18 zu § 74 HGB; AP 1 zu § 74a HGB). Lit.: Gaul NZA 89, 697; Nägele BB 89, 1480.
b) Dagegen tritt der Erwerber nicht in die Dienstverhältnisse von Organmitgliedern o. in die Rechtsverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen, insbesondere von Heimarbeitern (AP 23 zu § 613a BGB) ein.
c) Der Übergang von Arbeitsverhältnissen kann nicht durch Umgehungsgeschäfte verhindert werden. Eine Kündigung aus Anlass des Betriebsübergangs ist unwirksam (§ 613a IV BGB). Aus Anlass des Betriebsübergangs ist sie ausgesprochen, wenn er der äussere Anlass ist (AP 33 = DB 83, 2690). Hierfür ist auf die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung abzustellen (AP 74 = BB 89, 75 = NZA 89, 265). Damit ist keine Kündigung aus Anlass des Betriebsübergangs gegeben, wenn eine Stillegung geplant, aber später der Betrieb veräussert wird. Andererseits ist sie gegeben, wenn sich die Betriebsveräusserung zerschlägt (AP 75 zu § 613a BGB = NZA 89, 461). Für die Kündigung aus Anlass des Betriebsübergangs trägt der AN die Darlegungs- u. Beweislast (AP 47 zu § 613a BGB = NJW 86, 2008). § 613a IV BGB enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot, das unabhängig von der Anwendung des KSchG gilt (AP 40 = NJW 86, 87). Unwirksam ist auch eine Kündigung der AN selbst, wenn sie angeregt worden ist u. der Erwerber mit allen o. einzelnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stellt (AP 5 zu § 1 Betr-AVG Betriebsveräusserung = NZA 88, 198; AP 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 89, 679). Da § 613a IV BGB einen eigenen Unwirksamkeitsgrund enthält, braucht die Klagefrist der Kündigungsschutzklage nicht eingehalten werden. Das Klagerecht kann verwirken (AP 5 zu § 242 BGB Prozessverwirkung = NZA 89, 16). Hat der AN gegenüber dem Veräusserer eine Kündigungsschutzklage erhoben, so bleibt der Annahmeverzug gegenüber dem Betriebserwerber bestehen (AP 49 zu § 615 BGB = 91, 726). Lit.: Hillebrecht NZA 89, Beil. 4.
IV. Der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein; umgekehrt erlischt mit dem Übergang das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Betriebsinhaber.
1. Zum Übergang des Arbeitsverhältnisses ist weder die Zustimmung des Betriebsveräusserers noch die des Erwerbers notwendig. Der AN kann jedoch bis zum Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen (AP 1, 10, 21, 37 = DB 84, 1403; AP 55 zu § 613a BGB = DB 87, 942). Dies ist vorübergehend nach der Rspr. des EuGH (NZA 90, 885) wieder streitig geworden. Das BAG ist aber nach einer weiteren Entscheidung des EuGH bei
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seiner Rspr. verblieben (AP 96 zu § 613a BGB = DB 92, 2034; vom 7. 4. 1993 — 2 AZR 449/91 (B) — NZA 93, 795; EuGH DB 93, 230 = BB 93, 860. Vgl. Bauer NZA 90, 881; 91, 139; Däubler/Heither/ Oetker NZA 91, 134, 136, 137; Ehrich NZA 93, 635; bei Betriebsrat: Gerauer BB 90, 1127. Wird der Betriebsübergang nicht rechtzeitig angekündigt, kann der AN den Widerspruch noch nachholen. Im allgemeinen muss der Widerspruch binnen 3 Wochen seit Information erfolgen (v. 22. 4. 1993 — 2 AZR 313/92 —; 2 AZR 50/92). Er bleibt alsdann AN des bisherigen Betriebsinhabers, riskiert aber u. U. eine Kündigung. Ein Widerspruch ist nicht mehr möglich, wenn er bereits mit dem Erwerber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart hat (AP 37 = DB 84, 1403).
2. Der Erwerber tritt in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Er muss sie in dem Zustand übernehmen, in dem sie sich bei dem früheren Betriebsinhaber befunden haben (AP 4 zu § 613a BGB). Er erlangt mithin ausstehende Forderungen, wie umgekehrt wird er Schuldner bestehender Forderungen, insbesondere der Versorgungsansprüche und Anwartschaften der noch aktiven Belegschaft (AP 12, 15 zu § 613a BGB). Zu besonderen Rechtsfragen bei Betriebsunterstützungskassen AP 7, 15 a. a. 0. Er muss dieselben Löhne einschl. aller Nebenleistungen an die Belegschaft weiterzahlen; Urlaub gewähren (AP 33 zu § 613a BGB; Leinemann/Lipke DB 88, 1217). Zurückgelegte Dienstzeiten muss er anrechnen. Dies gilt auch für Ansprüche auf betriebl. Altersversorgung (AP 35 zu § 613a BGB = DB 84, 301). Erworbene gewerbl. Schutzrechte muss er anerkennen (Gaul GRUR 87, 590; 90, 163; 94, 1). Gegenüber den übernommenen AN muss er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahren. Besitzt der Erwerber schon einen Betrieb, so kann seine Stammbelegschaft nicht die Anpassung an die Arbeitsbedingungen der übernommenen verlangen und umgekehrt (AP 41 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; AP 16 zu § 613a BGB; Kemper BB 90, 785).
3. a) Der bisherige Betriebsinhaber haftet allein und zeitlich unbeschränkt für rückständige Forderungen aus den im Zeitpunkt des Übergangs bereits beendeten Arbeitsverhältnissen (s Ruhegeld, Ruhegeldanwartschaften usw.). Gruber DStR 91, 777. Der Betriebserwerber vermag die Ruhegelder nur zu übernehmen, wenn der PSV zustimmt (AP 4 zu § 4 BetrAVG = NZA 88, 21). Lit.: Hillebrecht Beil 4 zu NZA 89. b) Er haftet zeitlich beschränkt als Gesamtschuldner neben dem neuen Betriebsinhaber (AP 4; AP 56 zu § 613a BGB = DB 87, 745) für solche Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind. c) Er haftet zeitlich beschränkt auf ein Jahr (§ 613a II 1 BGB) neben dem neuen Betriebsinhaber als Gesamtschuldner für solche Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind, aber erst innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang fällig werden. d) Er haftet überhaupt nicht, wenn der Anspruch nach Betriebsübergang entstanden und fällig geworden ist oder wenn die Ansprüche zwar vor Betriebsübergang entstanden, aber erst nach Ablauf eines Jahres fällig geworden sind. Der neue Betriebsinhaber haftet nicht für die unter 3a genannten Ansprüche. Eine Vereinbarung, wonach der Veräusserer eines Betriebes gegenüber der Belegschaft alleiniger Schuldner aller Versorgungsansprüche bleibt, verstösst gegen § 613a BGB i. V. m. § 4 BetrAVG und ist auch dann nichtig, wenn der versorgungsberechtigte AN zustimmt (AP 27 zu § 613a BGB). Werden AN mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräusserung veranlasst, Erlassverträge über ihre beim Veräusserer erdienten Versorgungsanwartschaften abzuschliessen, um dann mit dem Erwerber neue Arbeitsverträge ohne Zusagen einer betrieblichen Altersversorgung abzuschliessen, so liegt darin eine Umgehung des § 613a BGB. Die Erlassverträge sind unwirksam (AP 14 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräusserung = NZA 92, 1080 = DB 92, 2038). Neben einer Haftung nach § 613 a BGB kann eine Haftung nach § 419 BGB und §§ 25 ff. HGB in Betracht kommen (AP 1 zu § 26 HGB = DB 88, 123).
V. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen Betriebsnachfolger über, so bestehen zwei Regelungsmodelle, was aus den für den Betrieb geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen wird. Lit.: Kemper BB 91, 2006.
1. Denkbar ist, dass der Betriebserwerber in die Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eintritt. Dies ist für Tarifverträge dann anzunehmen, wenn sowohl der Arbeitgeber wie der Betriebsnachfolger Mitglied in demselben Arbeitgeberverband sind. Im übrigen wird aber der Eintritt des Betriebsnachfolgers in den Tarifvertrag weitgehend abgelehnt, da ein Eingriff in seine Koalitionsfreiheit befürchtet wird. Dagegen wird vielfach sein Eintritt in Betriebsvereinbarungen stattfinden, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil übergeht. Insoweit ist noch vieles umstr.
2. a) Durch die EG-Anpassungsnovelle ist eine individualrechtliche Lösung eingeführt. Nach § 613a II 2 werden die Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung, die die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis regeln, in den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem AN transponiert und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Überganges zum Nachteil des AN geändert werden (AP 46 zu § 613a BGB = NJW 87, 863; AP 22 zu § 4 TVG Nachwirkung = NZA 92, 800). Tarifverträge u. Betriebsvereinbarungen haben einen normativen u. einen schuldrechtlichen Teil. Transponiert werden nur die normativen Bestimmungen. Nicht transponiert werden also die schuldrechtlichen Bestimmungen und die -s Regelungsabreden, da sie auch sonst nur durch individualrechtliche Gestaltungsmittel für das Arbeitsverhältnis wirksam werden. Von den normativen Bestimmungen werden nach dem Wortlaut des Gesetzes nur die sog. Inhaltsnormen transponiert. Ob auch Abschluss-, Soli-dar- u. betriebsverfassungsrechtliche Normen in das Arbeitsverhältnis übergehen, ist umstr. Das Kollektivrecht geht nur in bestehende Arbeitsverhältnisse ein. Dagegen werden nach dem Betriebsübergang neu begründete Arbeitsverhältnisse nicht erfasst. Für neu eingestellte Arbeitnehmer kann allenfalls das in die Arbeitsverhältnisse eingegangene Kollektivrecht aufgrund des -s Gleichbehandlungsgrundsatzes wirksam werden. Da das Kollektivrecht mit dem Übergang in das Arbeitsverhältnis seine unmittelbare u. zwingende Wirkung verliert, darf es vor Ablauf eines Jahres nach § 613a I2 BGB nicht geändert werden.
b) Der Übergang des Kollektivrechts in das Arbeitsverhältnis findet dann nicht statt, wenn die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem neuen Inhaber und dem AN durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages o. Betriebsvereinbarung geregelt werden (§ 613a I3 BGB). Dies gilt auch dann, wenn die -s Tarifbindung an den neuen Tarifvertrag erst Monate nach dem Betriebsübergang entsteht (AP 49 zu § 613a BGB = NJW 87, 94).
c) Schliesslich können vor Ablauf der Frist nach § 613 a I 2 BGB die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag o. die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt o. bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber u. dem AN vereinbart wird.
VI. Allgemeine Lit.: Zum Kollektivrecht: Gaul ZTR 89, 432; 90, 13; Kemper BB 91, 2006.
VII. In den neuen BL gilt § 613a BGB mit einigen Modifikationen. Lit.: Commandeur NZA 91, 705; AuA 92, 169; Engels DB 91, 966; Hamer PersR 92, 291; Oetker/Busehe Beil. 1 zu NZA 91; Richardi NZA 91, 289; Trümner BetrR 92, 8; Weimar/Alfes Beil. 9 zu BB 91; DB 91, 1830.
1. a) Durch das G. über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen - SpTrUG - vom 5. 4. 1991 (BGBl. I S. 854) ist Art. 232 § 5 EGBGB geändert worden. Hiernach gilt vom Tage der Verkündung des SpTrUG bis zum 31. 12. 1994 § 613a
BGB nicht im Gesamtvollstreckungsverfahren. Ferner gilt an
Stelle von § 613a IV 2 BGB die Vorschrift: S. 1 lässt das Recht zur Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen
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Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, unberührt.
b) Von einem Betriebs- oder Teilbetriebsübergang kann überhaupt dann noch die Rede sein, wenn noch eine Betriebsorganisation vorhanden ist, aber nicht, wenn der Betrieb inzwischen vollständig stillgelegt worden ist. Dann ist nur ein Verkauf einzelner Wirtschaftsgüter möglich. Ist noch ein Betrieb oder Teilbetrieb vorhanden, findet auf dessen Veräusserung in der Gesamtvollstreckung § 613a BGB keine Anwendung. Hierdurch soll die Sanierung von Unternehmen erleichtert werden.
c) In den alten BL sind im Zusammenhang mit einer Betriebsnachfolge aus betriebsbedingten Gründen erklärte Kündigungen möglich. Allerdings muss der AG nachweisen, dass nicht die Betriebsnachfolge, sondern die betriebsbedingten Gründe ursächlich waren. Durch die andere Fassung in den neuen BL sollte im Interesse der Sanierung die Kündigung erleichtert werden. Eine nennenswerte Änderung gegenüber der Rechtslage in den alten BL wird kaum bestehen.
2. Spätestens durch das TreuhandG sind die volkseigenen Kombinate und Betriebe in AG und GmbH umgewandelt worden (§ 11 TreuhandG). Durch das G. zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) i. d. F. vom 3. 8. 1992 (BGBl. I 1446) sollen die Unternehmen in das Eigentum der ehemaligen Berechtigten zurückgeführt werden.
a) Sind die Unternehmen in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden und werden die Kapitalanteile auf die ehemaligen Berechtigten übertragen, so wird hierdurch der Rechtsträger nicht berührt. Die Arbeitsverhältnisse zum Rechtsträger bleiben bestehen.
b) Wird das Unternehmen nach § 34 VermG unter Änderung des Rechtsträgers zurückübertragen, so erfolgt die Übertragung durch Verwaltungsakt und nicht durch Rechtsgeschäft. Allerdings liegt dem Verwaltungsakt ein Antrag zugrunde, der z. T. im Schrifttum als Rechtsgeschäft ausgelegt wird. Der Übergang erfolgt jedoch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 34 IV VermG). Hiervon abweichend kann eine Betriebsnachfolge gegeben sein, wenn der Übergang einvernehmlich erfolgt.
c) Erfolgt die Übertragung zunächst durch vorläufige Einweisung nach § 6a VermG, so geschieht dies durch Verwaltungsakt, der jedoch beantragt werden muss. Wenn nur eine Besitzeinweisung in die Herrschaftsmacht des Betriebes erfolgt, sind die Grundsätze der Betriebsnachfolge anwendbar.
3. Nach § 1 SpTrUG ist die Spaltung eines Unternehmens mög-
lich als Aufspaltung zur Neugründung unter Auflösung ohne Abwicklung der übertragenden Gesellschaft durch gleichzeitige Übertragung ihrer Vermögensanteile jeweils als Gesamtheit auf andere dadurch gegründete neue Kapitalgesellschaften oder als Abspaltung zur Neugründung unter Fortbestand der übertragenden Gesellschaft durch Übertragung eines Teils oder mehrerer Teile des Vermögens dieser Gesellschaft jeweils als Gesamtheit auf eine oder mehrere dadurch gegründete neue Kapitalgesellschaft oder Kapitalgesellschaften.
a) Bei der Aufspaltung erlischt die übertragende Gesellschaft. Der Übergang erfolgt nach § 10 SpTrUG im Wege der Gesamtrechts-nachfolge.
b) Bei der Abspaltung bleibt die übertragende Gesellschaft bestehen. Aber auch in diesen Fällen erfolgt die Übertragung durch Gesamtrechtsnachfolge.
c) Im Schrifttum ist umstr., ob auf diese Gesamtrechtsnachfolge § 613a BGB Anwendung findet. Insoweit ist § 613a BGB auf die Fälle der Spaltung ergänzt worden. Gleichwohl war bislang immer h. M., dass auf die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge § 613 a BGB nicht anwendbar ist.
4. Besonderheiten können sich ergeben, wenn im Zuge der Übertragung von der Entflechtung nach § 6b VermG Gebrauch gemacht wird.
5. Durch das G. zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. 3. 1991 (BGBl. I 766) ist die Möglichkeit geschaffen worden, Unternehmen zu veräussern oder Dritten zur Nutzung zu überlassen (§§ 3, 3a VermG). Danach kann es dem Verfügungsberechtigten zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen gestattet werden, trotz gestellten Rückübertragungsantrages langfristig zu vermieten, zu verpachten oder zu veräussern. Derartige Fälle sind nach § 613a BGB zu beurteilen.
liegt vor, wenn ein Betrieb im Wege einer Rechtsnachfolge auf eine andere Person übergeht, z. B. durch Erbfolge, Übernahme der Firma, Umwandlung oder Betriebspachtvertrag (i. w. S.). Im Allgemeinen tritt der Nachfolger in die Rechte und Pflichten des bisherigen Betriebsinhabers ein, so dass bei fortbestehender Identität des Betriebes insbes. die Rechtsverhältnisse nach dem Betriebsverfassungsrecht und dem Kündigungsschutzrecht unverändert bleiben. Zum rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang s. i. e. dort. Steuerlich s. a. Betriebsveräußerung.
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