Freiwillige Gerichtsbarkeit

Die freiwillige Gerichtsbarkeit zählt zur ordentlichen Gerichtsbarkeit und ist dementsprechend beim Amtsgericht angesiedelt. Sie beruht auf dem Amtsverfahren, bei dem sich die Parteien nicht Kläger und Beklagter nennen, sondern Antragsteller und Antragsgegner. Bisweilen bezeichnet man die Person, über die entschieden wird, auch einfach als Betroffenen. Das Gericht muss von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen führen und geeignete Beweise erheben. Unter die freiwillige Gerichtsbarkeit fallen im Wesentlichen Vormundschafts-, Betreuungs- und Personenstandsangelegenheiten sowie Nachlass-, Handels-, Vereins-, Landwirtschafts- und Registersachen. Entscheidungen ergehen nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss oder Verfügung. Im Folgenden werden drei weitere Regelungsbereiche näher erläutert.
§ 12 FGG
Siehe auch Gericht
Wohnungseigentumssachen
Die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern innerhalb einer Eigentümergemeinschaft sowie zwischen ihnen und ihrer Verwaltung liegt beim Amtsgericht, in dessen Bezirk sich das betreffende Grundstück befindet. Das Gericht wird auf Antrag eines Eigentümers oder des Verwalters tätig. In der Regel soll eine mündliche Verhandlung stattfinden, sie ist aber nicht zwingend vorgeschrieben. Gegen die Entscheidung des Richters kann man eine sofortige Beschwerde als Rechtsmittel einlegen und gegen den Beschluss der zweiten Instanz die sofortige weitere Beschwerde. Der Gegenstandswert muss dabei derzeit 1500 EUR übersteigen.
Die gesetzlichen Regelungen zur freiwilligen Gerichtsbarkeit lassen ausdrücklich auch das Mahnverfahren zu, das man hauptsächlich relativ einfach dazu nutzen kann, rückständige Wohngeldumlagen einzutreiben. Im Gegensatz zum Zivilprozess, in dem der Grundsatz "Wer verliert, der bezahlt" gilt, trifft das Gericht hier abschließend nach billigem Ermessen eine Kostenentscheidung. Natürlich berücksichtigt es jedoch den Ausgang des Rechtsstreits und die Frage, wer ihn zu verantworten hat.
§§43 ff, 53 ff WEG
Siehe auch Beschwerde, Eigentumswohnung, Mahnung
Familiensachen
Ehesachen, also vornehmlich Scheidungen, werden vor dem Familiengericht verhandelt, einer eigenen Abteilung des Amtsgerichts. Der so genannte Untersuchungsgrundsatz beherrscht das Verfahren: Der Richter kann eine Beweisaufnahme anordnen und eigenständig ohne Bindung an Anträge der Parteien entscheiden, welche Tatsachen er aufgrund der Vernehmungen für bedeutsam hält.
Bei anderen Familienangelegenheiten kommen die gesetzlichen Bestimmungen zur freiwilligen Gerichtsbarkeit nur teilweise zum Tragen; zusätzlich sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung zu beachten. Dies betrifft Kindschaftssachen, den Versorgungsausgleich und die Rechtsverhältnisse an einer Ehewohnung sowie am Hausrat.

§§ 606 ff, 621a ZPO
Siehe auch Ehewohnung, Hausrat, Scheidung, Sorgerecht, Versorgungsausgleich
Unterbringung
Über Unterbringungsmaßnahmen befindet das Vormundschaftsgericht, ebenfalls eine gesonderte Abteilung des Amtsgerichts. Beispielsweise beschließt es, ob Straffällige, Kinder oder Betreute in Einrichtungen wie psychiatrische Krankenhäuser, Entziehungsanstalten oder Heime eingewiesen werden sollen. Bezüglich solcher Verfahren enthält das Gesetz die ausdrückliche Regelung, dass die Betroffenen ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit ab der Vollendung des 14. Lebensjahres verfahrensfähig sind; häufig geht es dabei nämlich um geschäftsunfähige Personen. Das Gericht muss ihnen allerdings einen Verfahrenspfleger bestellen, wenn sie ihre Interessen nicht selbst vertreten können. Es ist zwingend, dass das Gericht die Betroffenen vor einer Unterbringung anhört, damit es sich einen unmittelbaren Eindruck von ihnen verschafft. Das ist auch in ihrer üblichen Umgebung möglich, also etwa zu Hause, in einem Internat oder einem Altersheim.
Außerdem hat das Gericht die Möglichkeit, per einstweiliger Anordnung eine vorläufige Unerbringungsmaßnahme in die Wege zu leiten, soweit dies dem Schutz des Betroffenen oder dritter Personen dient.
§§ 70 ff. FGG
Siehe auch Entmündigung, Geschäftsfähigkeit, Vormundschaft
Zwangsmittel
Die Anwendung von Zwangsmitteln stellt eine Besonderheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar. Es gibt hier drei Möglichkeiten: 0 Zwangsgeld: Damit eine Person Handlungen vornimmt, unterlässt oder duldet, kann ein Gericht Zwangsgeld anordnen. Beispielsweise erfolgt häufig solch eine Vollstreckung, wenn in einem Scheidungsverfahren festgelegt wurde, dass der Ehemann an bestimmten Tagen Umgang mit seinem Kind haben darf, und die Ehefrau sich absichtlich nicht daran hält. Das Gericht muss der Mutter das Zwangsgeld allerdings ausdrücklich androhen, um ihr zu ermöglichen, ihr Verhalten nochmals zu überdenken und so die Zahlung letztlich zu vermeiden, etwa indem sie Rechtsrat einholt. Zwangshaft: Ist eine Person, etwa ein Kind, herauszugeben, kann das Gericht eine Zwangshaft bestimmen. Üblicherweise geschieht dies aber erst, wenn die Festsetzung von Zwangsgeld keinen Erfolg gezeigt hat. In Eilfällen darf ein Richter die Zwangshaft auch ohne Androhung anordnen, vor allem falls die Vollstreckung ansonsten im Ausland erfolgen müsste.

Gewaltanordnung: Soll jemand eine Sache oder eine Person herausgeben, so darf unter gewissen Umständen Gewalt gegen ihn gebraucht werden. Hält sich etwa ein Kind bei den Großeltern auf und wollen diese es aus nicht nachvollziehbaren Gründen bei sich behalten, dann können die Eltern beim Familiengericht ein Herausgabeurteil erwirken, eventuell mittels einstweiliger Anordnung. Der daraufhin mit der Vollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher wird gegebenenfalls um polizeiliche Unterstützung bitten.
§33 FGG
Siehe auch Entmündigung, Beschwerde, Scheidungsverfahren, Vormundschaft

Derjenige Teil der Tätigkeit der Zivilgerichte, der nicht in der Form von Prozessen verläuft und auch nicht mit Zwangsvollstreckung zu tun hat. Es handelt sich überwiegend um die Tätigkeit der Grundbuchämter, Nachlaß- und Vormundschaftsgerichte sowie die Führung der Register. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ist ausschließlich bei den Amtsgerichten konzentriert, die Land- und Oberlandesgerichte werden damit nur auf Beschwerden von Beteiligten hin befaßt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ist weitgehend den Rechtspflegern übertragen, Richter werden nur noch bei besonders schwierigen Angelegenheiten oder auf Erinnerung gegen die Entscheidungen der Rechtspfleger hin tätig. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit spricht man nicht von Parteien, sondern von Beteiligten. Es ergehen keine Urteile, sondern Beschlüsse. Einzelheiten ergeben sich aus dem «Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit» (FGG) aus dem Jahre 1898.

staatlich geordnetes richterliches Verfahren zur Erledigung hauptsächlich rechtsfürsorgerischer Angelegenheiten. Bezeichnung (die Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit ausdrücken soll) nicht treffend, da auch in der F.n G. echt gestritten wird (z. B. um die elterliche Gewalt nach Ehescheidung). Rechtsgrundlage: Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.5.1898. Einzelne Angelegenheiten: Vormundschafts- und Pflegschaftssachen, Fürsorgeerziehungssachen, Personenstandssachen, Verwahrungssachen, Wohnungseigentumssachen, Erbscheinsverfahren, Verteilung von Hausrat nach HausratsVO, Grundbuchangelegenheiten, Handels-, Vereins- und sonstige Registersachen. Organe: Amtsgericht (Aufgabenteilung zwischen Rechtspfleger und Richter), Notare, Jugendämter. Sachverhaltserforschung von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Gegen erstinstanzielle Verfügung Erinnerung und Beschwerde zum Landgericht, gegen dessen Entscheidung weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht (in Bayern zum Obersten Landesgericht). Gerichtskosten verhältnismässig niedrig (Geschäftswert).

ist wie die streitige Gerichtsbarkeit Teil der zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gehörenden Zivilgerichtsbarkeit. Ihr im Gesetz über die Angelegenheiten der f. G. (FGG) geregeltes Verfahren ist - der vorwiegend rechtsgestaltenden Funktion der f. G. in Vormundschafts-, Nachlass- u. Registersachen usw. entsprechend - weitgehend durch Amtsbetrieb u. Untersuchungsmaxime bestimmt. Darin unterscheidet es sich vom Zivilprozess nach der ZPO, der vom Grundsatz der Parteiherrschaft u. von der Verhandlungsmaxime beherrscht ist. Entscheidungen der f. G. ergehen nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss oder Verfügung; es gibt keine Parteien, sondern Beteiligte. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Erstinstanzliche Entscheidungen des Amtsgerichts können mit der Beschwerde (einfache oder sofortige Beschwerde), Entscheidungen des Beschwerdegerichts mit der weiteren Beschwerde angefochten werden.

Gerichtsbarkeit, freiwillige

Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit, bei der es — im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit, die vor allem der Verfolgung privater Ansprüche dient — um eine vorsorgende Mitwirkung der Gerichte an der Gestaltung der Privatrechtsordnung durch Begründung, Fortbildung und Umgestaltung von Privatrechtsverhältnissen geht. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt, das zum 1. 9. 2009 das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) abgelöst hat.
Wichtige Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Angelegenheiten der Rechtsfürsorge für die Person oder das Vermögen des Schutzbefohlenen (Betreuungs- und Unterbringungssachen, §§ 271 FamFG; Nachlass- und Teilungssachen, §§ 342 ff. FamFG), Registersachen (§§ 374 ff. FamFG), Aufgebotssachen (§§ 433 ff. FamFG) Grundbuchsachen sowie bestimmte ihr zugewiesene privatrechtliche (z.B. § 1365 Abs. 2 BGB, § 166 Abs. 3 HGB i. V. m. § 375 Nr.1 FamFG) und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (z. B. Anfechtung von Justizverwaltungsakten, §§ 23 ff., 29 Abs. 2 EGGVG).
Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat das Gericht die Tatsachen von Amts wegen zu erforschen (§ 26 FamFG, kein Dispositionsgrundsatz). Das Verfahren kennt keine Parteien, sondern Beteiligte § 7 FamFG). Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich und — wenn sie stattfindet — niemals öffentlich. Für Beweisaufnahmeverfahren und die Glaubhaftmachung gelten eigene Vorschriften (§§ 29 ff. FamFG). Das Gericht entscheidet durch Beschluss, der grundsätzlich mit seiner Bekanntmachung an den Betroffenen wirksam wird (§ 40 Abs. 1 FamFG) und vom Gericht (mit Einschränkungen) nachträglich abgeändert werden kann (vgl. § 48 FamFG).
Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen des Amtsgerichts ist die (regelmäßig innerhalb eines Monates einzulegende Beschwerde § 58 Abs. 1 FamFG) gegeben, über die das Landgericht entscheidet § 63 Abs. 1 FamFG. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist gern. von den §§ 70 ff. FamFG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ergeben, wenn sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde.

1.
Die f. G. ist ein Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit; sie steht im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit. Sie ist ein staatlich geregeltes Verfahren für bestimmte (meist privatrechtliche) Angelegenheiten, das teils von Amts wegen, teils auf Antrag eingeleitet wird. Die f. G. umfasst Rechtsprechung (z. B. Entscheidungen des Nachlassgerichts über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins; Besonderheiten in Familien- und Ehesachen) und sonstige Rechtspflege (z. B. notarielle Beurkundung eines Vertrages). Das grundlegende Verfahrensgesetz ist das G über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der f. G. (FamFG) v. 17. 12. 2008 (BGBl. I 2586). In der f. G. herrscht weitgehend Amtsbetrieb; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Entscheidungen ergehen nicht durch Urteil, sondern nur durch Beschluss (§ 38 FamFG) oder Verfügung. Es gibt keine Parteien, sondern Beteiligte. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Eine mündliche Verhandlung findet nur auf Anordnung des Gerichts statt (§ 32 FamFG); anders ist es z. B. in Ehesachen und Familienstreitsachen (Familiensachen). Gegen die Beschlüsse und Verfügungen im ersten Rechtszug (u. U. auch Vorbescheid) findet die Beschwerde statt (§ 58 FamFG); sie ist, soweit nichts Anderes vorgesehen ist, binnen einer Frist von 1 Monat, bei einstweiliger Anordnung 2 Wochen ab Bekanntgabe einzulegen (§ 63 FamFG). Gegen die Beschwerdeentscheidung ist als weitere Beschwerde die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn sie das Beschwerdegericht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, in einzelnen Fällen (z. B. Freiheitsentziehung, Unterbringung) auch ohne Zulassung (§ 70 FamFG).

2.
In erster Instanz ist das Amtsgericht zuständig (§ 23 a GVG). Beschwerdegericht ist grundsätzl. das Landgericht; über die Rechtsbeschwerde entscheidet dann das Oberlandesgericht, Besonderheiten gelten für Familiensachen, insbes. für Ehesachen (siehe dort sowie Familiengericht). Beschwerdegericht ist hier das Oberlandesgericht, über die Rechtsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof (§§ 119, 133 GVG).

3.
Zur f. G. gehören insbes.: die Tätigkeit der Amtsgerichte als Vormundschafts-, Nachlass-, Familien, Betreuungs-, Registergericht (Handels-, Vereins-, Genossenschafts-, Güterrechts-, Schiffs- und Musterregister), Grundbuchamt, die Beurkundungen (Form, 1 c), Landwirtschaftssachen, Freiheitsentziehung, Wiedergutmachung (Rückerstattungsverfahren). S. a. Beugemittel.




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